Landwirtschaftskammern wollen Gütesiegel für Getreide
Das Ackerbaugebiet Österreichs war dieses Jahr witterungs- und klimabedingt zweigeteilt: Während die nördlichen Regionen (Nordburgenland bis Inn) über längere Phasen mit Trockenheit zu kämpfen hatten, gab es im Süden (Südburgenland bis Kärnten) oft zu hohe Niederschlagsmengen, was sich ebenso ungünstig auf einige Bestände auswirkte. Insgesamt führte die Witterung zu einem auffälligen Vegetationsvorsprung (zwischen zwölf und 18 Tagen), sodass die Ernte in der ersten Juliwoche bereits so weit fortgeschritten war, wie nie zuvor. Infolge der schwierigen Vegetationsverhältnisse rechnet die Landwirtschaftskammer mit einer unterdurchschnittlichen Getreidemenge in Höhe von 2,92 Mio. t (exkl. Mais), was zwar eine kleine Steigerung zum extrem trockenen Vorjahr ist, aber deutlich unter dem Schnitt der letzten fünf Jahre (-6,4%) liegt, wie bei einer Pressekonferenz bekannt gegeben wurde. Die anwesenden Interessenvertreter – Josef Moosbrugger (LK Österreich), Hermann Schultes (LK Niederösterreich) und Franz Windisch (LK Wien) – fordern angesichts der zunehmenden Herausforderungen, denen sich die Branche gegenübersieht, eine „faire Abgeltung der bäuerlichen Leistungen“ im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik sowie des Handels. Gleichzeitig sucht die Interessenvertretung selbst nach Strategien und Antworten für die brennendsten Probleme.
Um die Wertschöpfung für die Getreidebauern nachhaltig zu erhöhen, hält Niederösterreichs Kammerpräsident Hermann Schultes ein Gütesiegel für gute Getreidequalitäten für unumgänglich. „Die Wertschätzung für dieses Produkt geht verloren, weil niemand weiß, dass zum Beispiel sein Krapfen aus österreichischem Getreide hergestellt wurde. Wir brauchen eine Rückverfolgbarkeit und eine deutlich sichtbare Kennzeichnung vom Acker durchgängig bis zum fertigen Produkt, wie es sie unter anderem für heimisches AMA-Gütesiegelfleisch bereits seit Jahren gibt“, betonte Schultes. Der Bedarf dafür sei gegeben, weil einige Handelsketten in Ermangelung eines öffentlichen Siegels bereits eigene Marken andenken würden, erläuterte der LK-Präsident. Bisher waren Versuche das Getreide unter das Dach des AMA-Gütesiegels zu bringen stets gescheitert. Ob eine Mühle mitmache oder nicht, hänge von ihren Kunden ab, so Schultes. „Es kann aber nicht sein, dass sich ein Sektor geschlossen dagegen wehrt.“
Den vielfältigen Herausforderungen für Ackerbauern will die Interessenvertretung auch mit einer Grünland- und Ackerbaustrategie begegnen, „die den bäuerlichen Familienbetrieben eine Leitlinie ins übernächste Jahrzehnt geben wird“, kündigte LK-Österreich-Präsident Josef Moosbrugger an. Dabei sollen Antworten auf zentrale Fragen gefunden werden. „Wir müssen die Grundlagen erarbeiten und mithilfe von Studien die Potenziale belegen, damit wir unseren Landwirten Chancen anbieten können, ihre Betriebe ökologisch und ökonomisch gesund an die nächste Generation weitergeben zu können.“
Ein erster Schritt sei die Eiweißstrategie, mit der bis zum Jahr 2030 die heimischen Importe von pflanzlichem Eiweiß für die Fütterung minimiert werden sollen. Österreich hat hierbei einen Selbstversorgungsgrad von 82%. Grünland und Mais sichern die Selbstversorgung bei Rindern, für die Schweine- und Geflügelfütterung wird jedoch Soja importiert. Nun soll die Anbaufläche von derzeit 67.000 ha auf 100.000 ha ausgeweitet und der Soja-Durchschnittsertrag von aktuell 30 bis 32 dt auf 35 dt gesteigert werden. „Das hilft wesentlich mit, die Eiweißversorgung Österreichs auf eigene Beine zu stellen“, erläuterte Moosbrugger.