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Köstinger im Interview: „Da bin ich guter Dinge“

Zurück aus der sechswöchigen Baby-Pause stellte sich Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger einigen Fragen von BLICK INS LAND-Chefredakteur BERNHARD WEBER. Zu Wölfen, Klimawandel, Glyphosatverbot oder wie es mit dem Netzwerk Kulinarik bald weitergehen soll.

BLICK INS LAND: Kein Thema wird aktuell so heiß diskutiert wie der Wolf. Kaum ein Agrarlandesrat, der sich nicht mehr oder weniger laut für dessen Abschuss ausspricht. Sie wollen in Raumberg ein Wolfszentrum errichten. Was ist dort konkret geplant? Ein Schießkeller?

Köstinger: Zuständig für den Naturschutz sind die Länder auf Grundlage der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie der EU zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume wildlebender Tiere. Die Betroffenheit im Agrarbereich ist groß. In unseren Nachbarländern steigt die Wolfspopulation massiv an. Uns fehlen aber valide Daten. Jedes Bundesland macht das für sich. Wir wollen ein Kompetenzzentrum für Wolf, Luchs und Bär. Raumberg-Gumpenstein hat sich angeboten, weil es dort schon Expertise gibt.

BLICK INS LAND: Expertise wofür? Für Weidezaunhöhen?

Köstinger: Generell rund um große Beutegreifer. Und wir wollen die Koordinierungsstelle der Bundesländer raus aus Wien verlegen, auch als Anlaufstelle für die Wolfsbeauftragten der Länder.

BLICK INS LAND: Warum siedeln Sie Ihre Experten nicht im Wolfszentrum Ernstbrunn an? Dort hat man wissenschaftliche Expertise mit Wölfen…

Köstinger: Wir wollen ein Kompetenzzentrum schaffen für Wissensbündelung und Austausch. Und das mit Beginn nächsten Jahres. Auch um die derzeit noch unterschiedlichen Regeln für Entschädigungen zu ändern. Etwa weg von der Beweispflicht hin zu Beweislastumkehr. Und das bundesweit einheitlich. Es dauert zu lang, bis Landwirte bei Wolfsrissen eine Entschädigung halten.

BLICK INS LAND: Derzeit hat man den Eindruck, der Klimawandel hat auch der Agrarpolitik schwer zugesetzt. Österreich hat gerade den Vorsitz im Agrarministerrat, Sie wollen den Klimaschutz „thematisieren“. Bisher in Österreich beschlossene Maßnahmen wie die Freigabe von ÖPUL-Flächen zur Futternutzung, Augen zudrücken bei der Fruchtfolge im Rübenbau oder Forsthilfen gegen die Borkenkäfer-Plage sind Notfallentscheidungen, aber keine Ursachenbekämpfung oder konkretes Vorbeugen. In Brüssel werden primär die Förderobergrenzen diskutiert, ein Thema fast so alt wie die EU selbst. Beim informellen Rat in Schlosshof wollen Sie dagegen über Lebensmittelsicherheit diskutieren. Braucht es nicht endlich klare Ansagen, um ein Umlenken in Richtung mehr Umwelt-, Klima- oder auch Tierschutz zu erwirken?

Köstinger: Unser Motto für die Ratspräsidentschaft lautet „ein Europa, das schützt“. Für mein Ressort ist das der Klimaschutz. Das Thema ist ziemlich präsent, da wird noch einiges kommen. Lebensmittelqualität und -sicherheit sind mir wichtig, weil es so nicht weitergehen kann. Wir haben dazu übrigens auch Sarah Wiener (bekannte TV-Köchin und Biofan, Anm.) nach Schlosshof eingeladen. Wir fördern nach wie vor mit EU-Geldern die Überproduktion und machen im Gegenzug Hilfsmaßnahmen, um etwa den Milchmarkt nach Krisen wieder in Schwung zu bringen. Die Kritik an der EU-Agrarförderpolitik hat mittlerweile ein sehr hohes Ausmaß erreicht. Daher haben wir uns auch sehr bewusst auf das Thema Versicherungen fokussiert und die Versicherungssteuer vereinheitlicht und wollen die Hilfe zur Selbsthilfe fördern.

BLICK INS LAND: Was ist Ihre mutigste Ansage zum Thema Klimaschutz?

Köstinger: Meine Initiative zur Einführung eines EU-weit einheitlichen Mindestpreises für CO2. Nach der Hitze und Dürre in weiten Teilen Europas bin ich diesbezüglich guter Dinge.

BLICK INS LAND: Wie stehen die Chancen, dass die nächste Agrarreform bis Ende des Jahres festgeschnürt wird?

Köstinger: Ich hoffe es, wenngleich dies intensiv vom künftigen EU-Budget abhängt. Solange dessen Höhe nicht feststeht, lässt sich diese Frage kaum beantworten.

BLICK INS LAND: Nach der weiteren EU-weiten Zulassung von Glyphosat für fünf Jahre ist der Bundeskanzler vorgeprescht. Kurz hat ein früheres nationales Verbot angekündigt, weil das Pflanzengift zu gefährlich sei. Wann rechnen Sie nun damit? Noch heuer, 2019 oder erst 2020? Für Anbau und Fruchtfolge brauchen die Bauern doch Planungssicherheit…

Köstinger: Das Thema war Teil der Regierungsverhandlungen, es steht im Fahrplan der Bundesregierung, samt Aktionsplan. Es gibt aber europarechtliche Gutachten, wonach ein nationales Verbot nicht halten und eine Klage dagegen zugunsten des Klägers ausgehen würde. Nun läuft eine Machbarkeitsstudie zur grundsätzlichen Bewertung durch Experten der Boku, der AGES und Rechtsexperten. Parallel dazu soll ein Aktionsplan erarbeitet werden. Ohnehin würden wir spätestens in vier Jahren eine Alternative zu Glyphosat brauchen. Eine nochmalige Verlängerung der EU-Zulassung schließe ich eher aus.

BLICK INS LAND: Vom Bundeskanzler suggeriert wurde, dass das Verbot schneller kommt….

Köstinger: In Kärnten wurde das ja versucht, hat aber von der EU eine Absage bekommen. Das Ergebnis der Machbarkeitsstudie erwarte ich bis spätestens März nächsten Jahres.

BLICK INS LAND: Der Tourismus, eine Branche mit jährlichen Zuwachsraten und Gästerekorden, hat zum Einstand in Ihrem Ministerium eine Reduzierung der Umsatzsteuer auf Übernachtungen erhalten. Die Steueranhebung war erst 2016 wie auch für Saatgut, Betriebsmittel, Holz, Wein oder Lebendvieh beschlossen worden. Dürfen die Bauern, die Rekordzahlen eher von Ernteausfällen kennen, ebenfalls mit einer Steuererleichterung rechnen wie die Hoteliers?

Köstinger: Im Tourismus haben die Nächtigungsrekorde nicht zu Rekorderträgen geführt. Die Rücknahme der Mehrwertsteuer von 13 auf zehn Prozent war auch im Regierungsübereinkommen vereinbart worden und betraf nicht nur Übernachtungen, auch Konzertkarten oder andere Freizeitaktivitäten.

BLICK INS LAND: Anders gefragt: Zählen für die Regierung die Hoteliers mehr als die Bauern?

Köstinger: Nein, weil auch für die Landwirtschaft bei der Steuer auf Elementarrisikoversicherung ein Unterstützungspaket geschnürt wurde.

BLICK INS LAND: Von der Regierung wird ein neues Standortsicherungsgesetz forciert, das bei der Genehmigung von Großprojekten eine Beschleunigung der Verfahren bringen soll. Megabaustellen sollen nach nur einem Jahr ergebnislosen Behördeneinwänden automatisch als genehmigt gelten. Vor allem Umweltschützer kritisieren das. Landwirte wiederum kämpfen bei Stall- oder sonstigen Neubauten ebenfalls oft mit Behördenauflagen und Anrainerproblemen. Sie würden sich für die Standortsicherung ihrer Höfe ähnliche Erleichterungen wünschen. Was sagt die Agrar- und Umweltministerin dazu?

Köstinger: Da geht es um Großprojekte in der Dimension einer Flughafenpiste. Ein Stallbau steht dazu in keiner Relation. Aber auch zur Anlagengenehmigung hat das Wirtschaftsministerium einen Katalog vorgelegt. Und da ist einiges dabei, das auch die Entbürokratisierung landwirtschaftlicher Bauten betrifft.

BLICK INS LAND: Zum Standortsicherungsgesetzt hat Ihr Ministerium auch eine Stellungnahme erarbeitet, hält diese aber unter Verschluss. Warum eigentlich diese Geheimniskrämerei?

Köstinger: Ich richte meiner Kollegin, der Wirtschaftsministerin, öffentlich nichts aus. Wir haben unsere Anmerkungen direkt übermittelt. Am Ende wird die Überarbeitung des Gesetzesvorschlages einige Kritikpunkte entschärfen. Nur Geduld!

BLICK INS LAND: Geduld haben müssen auch hunderte Initiativen für Agrarprodukte, die Ihr Vorgänger unter dem Titel Netzwerk-Kulinarik unter ein Dach bringen wollte, um vor allem die Förderungen dafür besser zu koordinieren. Viele Millionen stünden dafür zur Verfügung, nicht wenig Geld sollen die Vorbereitungen dafür verschlungen haben. Die bisherigen Geschäftsverantwortlichen dürfen nichts mehr dazu sagen. Aber vielleicht Sie?

Köstinger: Das liegt nicht an mir, sondern am Vertrag, den mein Vorgänger geschlossen hat. Es hat in diesem Netzwerk einige Veränderungen gegeben. Ich habe angeordnet, alles noch mal zu prüfen, ob bisher alles rechtmäßig gelaufen ist. Das ist im Laufen. Ich bin zuversichtlich, schon in den nächsten Wochen eine Nachfolgelösung personeller Art für die derzeit unbesetzte Geschäftsstelle des Netzwerkes präsentieren zu können.

BLICK INS LAND: Kommt nun eine eigene Dachmarke?

Köstinger: Das ist das große Ziel. Da wollen wir aber auch eine Verbindung zum Tourismus schaffen, um diesen stärker mit der Landwirtschaft und der Kulinarik zu vernetzen.  Dazu müssen wir aber alles noch etwas verschlanken, vereinfachen, entbürokratisieren, um damit auch kleine bäuerliche Initiativen abzuholen. Das ganz Konstrukt ist etwas verwoben, wo nicht einmal Personen, die dort drinnen sitzen, voll durchblicken.

BLICK INS LAND: Aber an den Genussregionen wird nicht gerüttelt, oder?

Köstinger: Die Genussregionen an sich bleiben bestehen.

BLICK INS LAND: Wie viele Whistleblower haben dank Ihrer Initiative in den ersten Monaten bereits unfaire Geschäftspraktiken des Handels angeprangert?

Köstinger: Schon einige, genauere Zahlen liefere ich gerne nach.

BLICK INS LAND: Nachdem Sie noch nicht verheiratet sind: Denken Sie – natürlich im Interesse des heimischen Fremdenverkehrs – auch an einen Überraschungsgast, der einmal Ihre Brauttafel zieren soll?

Köstinger: Nein, weder für die Hochzeit noch für die Taufe meines Kindes.