Foto: Jungbauern

Jungbauern zeigen innovative Vermarktungswege

Niedrige Erzeugerpreise bei zahlreichen bäuerlichen Produkten seit Langem, dazu die Katastrophenschäden der vergangenen beiden Jahre mit Dürre, gefolgt von Spätfrost sowie Hagel und so weiter haben bei zahlreichen bäuerlichen Betrieben in Österreich zu Liquiditätsengpässen geführt. Besonders deutlich wird dies anhand des um fast 50% eingebrochenen Traktorenabsatzes. Die Österreichische Jungbauernschaft setzt daher mit ihrer neuen Broschüre „Innovative Vermarktungsformen für die Landwirtschaft“ (www.jungbauern.at) ein Zeichen, um die Landwirte mit neuen Ideen, die eine höhere Wertschöpfungstiefe bringen, zu unterstützen.

Bundesobmann Stefan Kast sieht diese Initiative als Ergänzung zu den klassischen Vermarktungswegen in Richtung Lebensmittelhandel, die den landwirtschaftlichen Vermarktern Strategien aufzeigt, „damit diese sich rüsten können, um zukunftsfit zu sein. Gerade was den Verkauf unserer hochqualitativen Produkte betrifft, besteht Handlungsbedarf. Wir müssen in Sachen Marketing vom Mittelalter ins 21. Jahrhundert kommen!“ Der neue Folder soll dabei Anstoß zum Umdenken liefern. Er zeigt auf 24 Seiten sämtliche Vermarktungsformen mit möglichen Vor- und Nachteilen auf, denen man sich als Landwirt bedienen kann. Angefangen von klassischen Formen wie der Direktvermarktung über Food Coops bis hin zur solidarischen Landwirtschaft sind sämtliche Bereiche abgedeckt. „Wir zeigen damit auf, was alles möglich ist, damit sich die Betriebe neu aufstellen können. Wichtig ist dabei auch der Blick über den Tellerrand. Österreichs Landwirte sind Profis als Produzenten, sie müssen aber auch zu vorbildlichen Vermarktern werden: das ist unser Ziel. Damit würde sich auch ihre Position gegenüber dem Lebensmittelhandel, der hierzulande auf drei Marktführer konzentriert ist (Rewe, Spar und Hofer halten einen Marktanteil von 86%), bedeutend verbessern“, ist Kast überzeugt.

Das Um und Auf ist dabei eine gute Ausbildung. Schritte wie die Einrichtung einer Agrar-FH beziehungsweise eine Ausweitung von e-learning-Kursen sollten gesetzt, Auslandspraktika von jungen Landwirten forciert werden. Auch die internen Angebote seien verstärkt zu hinterfragen: „Es gibt zahllose Bauernversammlungen, wo über die neuesten Änderungen bei Mehrfachantragstellungen und im INVEKOS-System berichtet wird. Wo sind die Versammlungen, bei denen die Bauern für Verkaufsgespräche, für richtiges Argumentieren geschult werden? Etliche Landwirte haben noch nie eine Rechnung ausgestellt und kommen damit auch nicht auf ihre Kosten. Bei der vielgerühmten Qualität unserer Lebensmittel ist das doppelt tragisch“, so der Jungbauern-Obmann. Die heimischen Landwirte müssten lernen, nicht nur Produzenten zu sein, sondern „Erklärer der Landwirtschaft“. Die Jungbauernschaft hat dazu im Vorjahr das Projekt „Open Bauernhof“ gestartet und mit ihrem „Blick hinter die Kulissen“ in der nichtbäuerlichen Gesellschaft großen Erfolg gehabt.

Ein Best Practice-Beispiel für eine innovative Vermarktung ist der Biohof Adamah aus Glinzendorf im Marchfeld, das 2001 mit dem Vertrieb seiner Produkte im sogenannten „Biokistl“ aus der 100 ha großen Landwirtschaft des Hofes begonnen hat. 2008 kam ein Webshop (shop.adamah.at) als einzige Möglichkeit hinzu, die Abwicklung mit dem geringsten Personal- und Kostenfaktor zu erledigen, wie Marketingleiter Ekkehard Lughofer erklärte. Heute beliefert das Unternehmen wöchentlich bis zu 6.000 Kunden im Großraum Wien. Etwa die Hälfte der Produkte in den gut sortierten fertigen Kisten stammt von dem auf 120 ha angewachsenen Landwirtschaftsbetrieb, mit rund 100 Kulturen, wobei der Fokus auf Wurzelgemüse und Salaten liegt. Geringe Mengen werden auch im geschützten Anbau erzeugt. Im Winter ist der Biohof Teil eines Projektes mit kälteresistenten Kulturen. Etwa 40% der Erzeugung des Landwirtschaftsbetriebes wird über einen Biogroßhandel vermarktet, der Rest über das „Biokistl“. Die Verbraucher haben dabei die Möglichkeit sich ihren Einkauf ganz individuell zusammenzustellen oder zwischen einigen fertig zusammengestellten Sortimenten zu wählen, was im überwiegenden Fall vorgezogen wird.

Um das ganze Jahr über ein breites Sortiment an Frischeprodukten und auch ein Vollsortiment anbieten zu können, besteht eine Kooperation mit rund 160 anderen bäuerlichen Bioerzeugern, zum Großteil aus einem Umfeld von 300 km, aber auch mit Produzenten aus Italien, Griechenland und Spanien. Lughofer weiß: „Die Nachfrage nach unseren Produkten nimmt zu. Vor allem junge Familien wissen die gute Qualität und die kostenlose Hauszustellung ab einem Bestellwert von 19 Euro zu schätzen“. Mit seinem 120 Vollzeitarbeitskräften erwirtschaftet der Biohof Adamah damit jährlich einen Gesamtumsatz von bis zu 10 Mio. Euro. 7 Mio. Euro beträgt der Jahresumsatz alleine beim Biokistl.