GMEINER MEINT

Gmeiner meint
Foto: Archiv

Sind die anderen wirklich immer so ungerecht?

Zuletzt war es Bauernbundpräsident Georg Strasser, der nicht wirklich gut dabei aussah, als er in einer TV-Diskussion antrat, um die bäuerliche Sicht in der Almdiskussion darzulegen. Ihm ging es, wie es Bauern und ihren Vertretern in solchen Fällen meist geht – bei einem Rendezvous mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit außerhalb des bäuerlichen Kosmos tut man sich schwer.
Man fühlt sich missverstanden, verfolgt und vermisst die Wertschätzung. Oft durchaus zurecht. Die Stimmung, die gegen die Bauern gemacht wird, ist in der Tat oft unerträglich. Aber sind die anderen wirklich immer so ungerecht und machen die Bauern wirklich immer alles richtig? Oder könnte die Gesellschaft nicht auch den Bauern vorhalten, dass sie sich missverstanden fühlt und dass sie Verständnis vermisst?
Die Bauern macht das immer noch hilflos. Das mag an vielem liegen, ganz sicher aber wohl auch dran, dass man immer noch sehr schwammig ist in der Argumentation und in der Begrifflichkeit.
Über Themen wie Pflanzenschutz, Düngung oder Tierwohl, die die Gesellschaft beschäftigen, versucht man sich etwa gerne drüberzu­schwindeln. Oft wohl vor allem, um sich selbst zu beruhigen. Dazu passt, dass man bis heute Begriffe verwendet, bei denen man zumeist nur darauf spekuliert, dass sie gute Stimmung machen, von denen man aber nicht wirklich sagen kann, worin ihr Wert steht. Der „bäuerliche Familienbetrieb“ ist so einer. Was macht so einen Familienbetrieb wirklich aus? Warum soll der besser sein? Wie groß darf er sein? Was gehört sonst dazu? Man weiß es nicht.
Nicht anders verhält es sich mit dem Begriff „Regionalität“, der vor ein paar Jahren in die Schlacht geworfen wurde. Wo fängt diese Regionalität an, wo hört sie auf? Was soll daran besonders sein? Und wieso soll das gar das neue Bio sein? Um Antworten drückt man sich.
Gerne argumentiert man auch damit, dass Österreichs Agrarbetriebe im internationalen Vergleich klein sind. Also können sie nur gut sein, soll deswegen die nicht-agrarische Öffentlichkeit automatisch glauben. Gut, 90 Prozent nehmen an Umweltprogrammen teil. Aber was hat das mit der Größe zu tun oder damit, dass auch bei uns in vielen Sparten die gleichen Produktionsverfahren eingesetzt werden, wie anderswo auch?
Selbst beim ewigen Streit mit dem Handel um die Preise, die die Bauern bekommen, ist man in Diskussionen meist schlecht aufgestellt. Die Bauernpreise in Österreich liegen in Wahrheit oft über jenen in den Nachbarländern und eher selten darunter.
Wenn da jemand etwas genauer nachfragt, gehen die Argumente rasch aus und man muss um wohlwollendes Verständnis bitten. Das schwächt die Landwirtschaft in der öffentlichen Diskussion. Und das nagt inzwischen am Selbstverständnis vieler Bauern. Statt ständig anderen die Schuld zu geben, sollte man sich in einer Art Selbstfindungsprozess damit einmal ehrlich und offen auseinandersetzen. Ohne Schuldzuweisungen und ohne die Vorwürfe kleinreden zu wollen. Sondern mit Fakten, die zu Argumenten werden und die Glaubwürdigkeit zurückbringen können.
Das kann sehr schmerzhaft sein. Es ist aber wohl auch sehr notwendig. Und wohl der einzige Weg, um im Rendezvous mit der Wirklichkeit zu bestehen.