GMEINER MEINT

Foto: Daniela Koeppl

Die scheinheiligen Heiligen

Das vergangene Jahr war für die meisten Bauern eines der besten in der Geschichte. Aber dennoch ist die Stimmung auf vielen Höfen oft viel schlechter als die Lage. Das Vertrauen in die Zukunft und die nötige Zuversicht sind schwer beschädigt. Daran hat sich nichts geändert. Die Sorgen werden immer größer, der öffentliche Druck stärker, die Vorschriften immer noch mehr. Dazu die Etikettierungen als Umweltverpester und Tierquäler, aber kaum Anerkennung für die vielen Maßnahmen, genau das nicht zu sein.
Das alles hinterlässt immer tiefere Spuren. Weit und breit kein Rückenwind für die Landwirtschaft, nicht einmal für die biologische. Statt sich freispielen zu können vom öffentlichen Druck, scheint man immer noch mehr hineinzugeraten. Für viele Bauern ist das frustrierend, für viele Junge oft der Grund, nicht übernehmen zu wollen. Auch weil die Dreistigkeit keine Ende nimmt, wenn es darum geht, sich auf dem Rücken der Bauern zu profilieren.
Erst jüngst geißelte die unsägliche Sarah Wiener, EU-Abgeordnete auf einem Ticket der österreichischen Grünen, die konventionellen Landwirte als „süchtig“ nach chemischen Mitteln. Und gar nicht zu reden vom Österreich-Chef des Rewe-Konzerns, der vor Weihnachten die generalstabsmäßig geplante mediengerechte Aufdeckung von Missständen in einem steirischen Geflügelstall durch eine NGO für einen Rundumschlag gegen Bauern, Politik und das AMA-Gütesiegel nutzte. Den Zeitrahmen für das Aus der Vollspaltenböden bezeichnete er als „einzigen Witz“ und die Vorfälle im steirischen Betrieb als „klares Versagen des Kontrollsystems“ – eher wohl, das darf man annehmen, damit Billa und Penny gut dastehen und weniger wegen der Hühner, Schweine und Rinder.
Das kennt man. Man verpasst sich selbst einen Heiligenschein als Image. Dass der freilich sehr viel eher nichts denn scheinheilig ist, geht dann freilich unter. Da fragt niemand nach, wenn der Rewe-Boss stolz erklärt, dass die hauseigene Billig-Marke Clever zweistellige Zuwachsraten hat, und auch nicht danach, woher diese Produkte kommen und unter welchen Umständen sie produziert wurden. Oder danach, warum man billiges Putenfleisch aus dem Ausland just neben heimischer Pute ins Regal legt, für die man sich angeblich so massiv einsetzen will. Niemand wundert sich, warum sich die heimischen Tierschützer nicht den Zuständen in den Ställen widmen, wo all die Billigware herkommt. Und dass im Vorjahr mehr als 50 Betriebe wegen Verstößen aus den AMA-Gütesiegelprogrammen flogen, spielt da keine Rolle, genausowenig wie sich jemand dafür interessiert, was eigentlich die für den Tierschutz zuständigen Behörden getan haben.
Als die Dummen stehen immer die Bauern da. Auch, und das sei gesagt, weil Bauernvertreter und auch AMA viel zu zurückhaltend sind gegenüber all denen, die den Bauern jeden Mut nehmen. Weil man lieber aus lauter „Hinsichtl“ und „Rücksichtl“ hinter vorgehaltener Hand erzählt, anstatt wirklich Fakten auf den Tisch zu legen und damit ordentlich auf ebendiesen zu hauen und Klartext zu reden. Auch wenn das hart, mühsam und sehr ungemütlich sein kann.