GMEINER MEINT

Foto: Daniela Koeppl

Wenn der Holzhammer regiert

„Europa macht laufend Rückschritte und niemand gewinnt dabei.“ Der Obmann eines österreichischen Rübenbauernverbandes klang deprimiert, als klar war, dass es heuer nichts wird mit der Notfallzulassung von Neonics zur Beizung des Zuckerrüben-Saatguts. Sein Frust ist nachvollziehbar. Nicht nur seiner Meinung nach wäre der Einsatz von Neonics bei der Beizung der Samenkörner die weitaus intelligentere und auch die Umwelt schonendere Lösung, wenn es darum geht, die Rübensaat vor Schädlingen zu schützen. Denn nun bleiben den Bauern nur aufwendige Spritzfolgen im Kampf gegen Flöhe, Läuse und Käfer. Ganz abgesehen vom zusätzlichen Risiko, das sie zu tragen haben.
Aber das interessiert nicht in der öffentlichen Diskussion. Die ist ohnehin längst keine mehr. Nicht bei den Neonics, nicht bei Glyphosat und seiner Bedeutung für den Erosionsschutz, nicht bei der Waldbewirtschaftung und auch nicht bei vielen anderen Themen. Der Green Deal gehört dazu und Farm to Fork mit ihren Zielen, die Düngung und den Pflanzenschutz massiv zu beschränken. Was die Bauern sagen, wird nicht gehört. Was auf den Feldern geschehen soll, entscheiden nicht mehr Fachleute aus der Landwirtschaft – wenn es denn überhaupt Fachleute entscheiden. Fachlich-landwirtschaftliche Expertise spielt dabei kaum eine Rolle, auch nicht die Sicherung der Versorgung, die Stärkung der bäuerlichen Betriebe im internationalen Wettbewerb, die Absicherung der Landwirtschaft und der ländlichen Strukturen. Die Entscheidungen fallen woanders.
Intelligenten Lösungen für die Themen, die rund um die Landwirtschaft und die Umwelt anstehen, verweigert man sich regelrecht. Es fehlt auch jedes Bemühen darum. Die Argumente der Bauern verfangen nicht. Gezielter Einsatz von Mitteln? Neue Strategien auf den Feldern zur Ertragssicherung? Vielleicht sogar eine Öffnung der Gentechnik gegenüber? Alles kein Thema. Stattdessen regiert, so scheint es, nur mehr der Holzhammer.
Auch wenn es viel Kritik und böse Kommentare gab, war es höchst an der Zeit, dass sich eine Reihe von EU-Agrarministern unter Federführung von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig zusammenschloss und eine Einbindung in EU-Entscheidungen bei Themen verlangt, die unmittelbare Auswirkungen auf die Landwirtschaft haben. Umweltthemen sollen dazugehören, Versorgungsthemen und andere auch.
Das scheint dringend geboten, scheint doch Europa seine Landwirtschaft und Versorgung geradezu lustvoll selbst kastrieren zu wollen, während man sich im großen Rest der Welt, wo all das, was man in Europa den Bauern vorschreiben will, fremd ist, ins Fäustchen lacht.
Landwirtschaft und Agrarpolitik sind freilich nicht aus der Verantwortung zu entlassen. Zu lange haben sie dem zugeschaut, was jetzt auf sie zuzukommen scheint und von vielen als Tsu­nami empfunden wird. Zu oft hat man lieber den Kopf in den Sand gesteckt und gehofft, dass es sich schon irgendwie ausgehen werde. Zu selten und zu wenig hat man sich selbst um intelligente Lösungen bemüht. Und vor allem: Viel zu wenig hat man die Bauern auf all das, was da nun möglicherweise kommt, vorbereitet.