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Getreide-Importe entzweien Bio Austria

Österreichs Bio-Getreideszene ist im Aufruhr. Eine Gruppe von Ackerbauern aus Niederösterreich vermutet illegitime Importe aus dem Ausland, die den Preis ruinieren. Die zuständige Bio Austria Marketing dementiert.

Das Vorgehen ist eindeutig reglementiert: Wenn Futtergetreide für die heimischen Bio Austria-Viehhalter benötigt wird, hat österreichische Verbandsware Vorrang. Erst wenn davon zu wenig Marktangebot vorhanden ist, darf importiert werden; zunächst von Bio Austria-Mitgliedsbetrieben im Ausland, dann Bio-Ware aus dem EU-Ausland und erst dann solche aus Drittstaaten wie der Ukraine. Die Genehmigung dafür wird im Rahmen eines genormten Prozesses, mittels einer Marktabfrage durch die Bio Austria Marketing bei heimischen Lagerhaltern und Bauern, erteilt. Ist niemand in Österreich bereit, Getreide oder Eiweißfrüchte zur Verfügung zu stellen, ist der Anfrager berechtigt den Import tätigen. Die ausländischen Futtermittel werden damit zu „zugelassener“ Verbandsware.

So weit, so klar. Nun hinterfragt aber eine Gruppe niederösterreichischer Bauern, ob dieses standardisierte Prozedere immer eingehalten wurde. Sie hat sich zur „Bio Initiative Fairplay Österreich“ zusammengeschlossen und hat ein Formular, mit dem 88 Mitglieder per Unterschrift Forderungen stellen, erarbeitet. Darin begehrt man die „Offenlegung aller Importgenehmigungen in das BA-System der Jahre 2019 bis 2024“. Hintergrund: Man mutmaßt, dass die Abfragen nicht ordnungsgemäß getätigt wurden und letztlich Importe zum finanziellen Schaden der Bio Austria-Ackerbauern getätigt wurden. So habe man zum Beispiel Belege für den Import von 2.000 Tonnen Mais aus der Ukraine, obwohl genügend Ware in der EU vorhanden gewesen sei. Einer der Proponenten von Fairplay (die aus Angst vor Repressalien in diesem Bericht nicht namentlich genannt werden wollen) meint: „Seit geraumer Zeit verlangen wir Einsicht in die Genehmigungen und in den Ablauf der Prozesse. Man hat uns bisher aber ignoriert.“ Dabei könnten unbegründete Importe Einfluss auf den Markt haben. Der jüngste Preisverfall beim Bio-Getreide müsse dringend analysiert werden.

Im Fokus der Rebellen steht Hermann Mittermayr, der Geschäftsführer der Bio Austria Marketing GmbH, einer hundertprozentigen Tochter des Verbandes von Bio Austria. Er bestreitet im Gespräch nicht den Verträgen entsprechende Vorgänge vehement. Einzig die angesprochenen Mais-Genehmigung für die Ukraine sei ein interner Fehler gewesen, bedauert er. Gesamtzahlen für den Import stellt der Oberösterreicher zur Verfügung. So wurden in den Spitzenjahren 2016 und 2021 über 25.000 Tonnen an Getreide und Eiweiß eingeführt. Einzelgenehmigungen will Mittermayr aber keine vorlegen. „Es gibt Spielregeln, wie man mit Daten von Bauern und Unternehmen in der Qualitätssicherung umgeht. Landwirte sind in der Datenschutzgrundverordnung als Einzelunternehmer ganz besonders geschützt.“

Grundsätzlich seien Importe lange Zeit nötig gewesen, weil Österreich eine strukturelle Unterversorgung mit Futtergetreide, vor allem aber bei Eiweißkomponenten, gehabt hat. Das hat sich im Prinzip mit der Umstellungswelle in Ostösterreich verändert. Rein bilanziell könnte man sich mittlerweile mit Getreide versorgen; ein Faktum, das die Kritiker stutzig macht. „Allerdings wird hochwertige Bio-Ware von Händlern und Bauern zu besseren Preisen in Länder wie die Schweiz exportiert. Im Ausgleich müssen dafür Importe zur Sicherung der Futterversorgung getätigt werden“, erklärt Mittermayr. Das Getreidewirtschaftsjahr 2022/23 sei zudem ein Sonderfall gewesen. Die Preise waren zunächst sehr hoch. „Manche Händler und Bündler haben bei unseren Marktnachfragen leider nichts angeboten, obwohl sie tausende Tonnen auf Lager hatten.“ Wie beim konventionellen Markt sei auf weitere Preissteigerungen spekuliert worden.

„Es bestand die realistische Gefahr, dass wir dem Auftrag, die Versorgungssicherheit für unsere Viehhalter sicherzustellen, nicht mehr gewährleisten können.“ Also sei nach Rücksprache mit dem Bundesvorstand und Händlern, sowie Mischfutterwerken beschlossen worden, das Genehmigungssystem bei der Sonnenblume von Oktober bis Anfang Dezember 2022 auszusetzen. Auch bei anderen Kulturen wurden, im Rahmen des vereinbarten Prozederes, Importe erlaubt. Im Februar hat sich der Markt dann gedreht, die Kurse sind gefallen und auch die heimische Ware flutete auf den Markt. Nun traf sich plötzlich ausländische Ware mit Übermengen in Österreich. „Wir reden aber immer noch von einer österreichischen Eigenversorgung der gehandelten Ware von 94 Prozent“, so Mittermayr.

Die Bundesobfrau Barbara Riegler stellt sich in dem Konflikt hinter ihren Marketing-Geschäftsführer und meint in einer schriftlichen Stellungnahme: „Wir haben ein Biofuttermittel-Vorzeige-System, das in Europa einzigartig ist. Und wir arbeiten auch daran, es immer wieder weiterzuentwickeln.“ Das bäuerliche System müsse mit Argusaugen bewacht werden. Als Reaktion auf die aufkeimende Unruhe kündigt Bio Austria allerdings die Einrichtung einer Schiedsstelle an, an die sich alle Beteiligten wenden können. „Wir wollen den Blick von außen gewähren, denn Qualitätssicherung basiert auf Daten und Fakten und nicht auf Gerüchten“, sagt Hermann Mittermayr.

Ob man damit das Misstrauen der Fairplay-Gruppe noch einfangen kann, ist offen. Längst geht es ums Grundsätzliche, langjährige Partnerschaften und auch Freundschaften scheinen zerbrochen zu sein. So ist der bisherige Bio Austria-Obfrau-Stellvertreter Zeno Piatti-Fünfkirchen dem Vernehmen nach frustriert zurückgetreten. Er war auf Anfrage von BLICK INS LAND allerdings für keinen Kommentar zu gewinnen. „Viele Betriebe haben ihre Austrittserklärung in der Schublade“, heißt es aus der Gruppe der Rebellen. Es scheine nur noch eine Frage der Zeit, bis die Angelegenheit wie eine Bombe hochgehe.