Freihandel ist eine Chance
Seit etwas mehr als hundert Tagen ist die schwarz-rot-pinke Koalition im Amt. STEFAN NIMMERVOLL hat mit der NEOS-Agrarsprecherin KARIN DOPPELBAUER über die Sparpläne, Freihandelsabkommen und liberale Ideen geredet.
Sie sind Landwirtin und Abgeordnete einer liberalen Partei. In Österreich eine seltene Kombination. Wie geht das zusammen?
Die Landwirtschaft ist ein schöner, wertvoller und unterschätzter Bereich. Im Liberalen liegen für sie unglaubliche Chancen, weil wir für die Freiheit, das Unternehmertum und die Selbstbestimmtheit in der Arbeit stehen. Uns wird immer wieder zum Vorwurf gemacht, dass wir eine städtische Partei seien. Das stimmt aber nicht. Diese Werte lassen sich auch sehr gut im landwirtschaftlichen Bereich anwenden und miteinander verbinden. Ein Beispiel dafür bin ich selbst. Ich bin Gründungsmitglied der NEOS, komme von einem Bauernhof, habe Agrarökonomik studiert und den landwirtschaftlichen Betrieb daheim übernommen.
Was ist ihr Gefühl: Gibt es viele Bauern, die bei den letzten Wahlen NEOS gewählt haben?
Ich kenne einige, die gesagt haben, dass sie uns wählen. Ich habe zwar keine Zahlen dazu. Ich weiß aber, dass die FDP in Deutschland eine Stammwählerschaft hat, die aus der Landwirtschaft kommt. All jene, die sagen, es braucht weniger Staat, es braucht mehr Freiheit und es braucht ein wirkliches Unternehmertum, sind bei uns sehr gut aufgehoben.
Warum sollte ein österreichischer Bauer liberal wählen?
Wir sind sicher keine Lobbypartei. Uns wählt man, weil wir gesamtheitlich nachhaltige Politik für die nachfolgenden Generationen machen. Es gibt nichts Bäuerlicheres, als zu schauen, dass man den Betrieb für die zukünftigen Generationen aufrechterhält.
Was können die NEOS für die Landwirtschaft im Parlament und in der Regierung bewegen?
Wir haben drei Dinge in den Koalitionsverhandlungen eingebracht: Das erste ist die nachhaltige Beschaffung von landwirtschaftlichen Produkten in Ministerien. In der Vergangenheit haben sich Vorgängerregierungen Ziele gesetzt, die keiner umgesetzt hat. Ich habe in den letzten zwei Jahren immer Anfragen an alle Ministerien gestellt und aufgedeckt, dass das nicht gelebt wurde. Zweitens wollen wir, dass die Bürokratie weniger wird. Wir werden uns anschauen, wie effizient die AMA und die AMA Marketing sind und wie sie mit den Geldern umgehen. Die Digitalisierung kann da viele Vereinfachungen bringen. Der dritte Punkt, den ich trommle, ist, dass unsere Bauern wissen müssen, wovon sie in 20 oder 30 Jahren leben werden. Es braucht eine klare Vision für die Landwirtschaft. In der Vergangenheit wurden da Fehler gemacht – es ist sehr viel verwaltet worden, statt ein klares Bild zu entwickeln.
Die NEOS stehen grundsätzlich für die Reduktion des staatlichen Einflusses und mehr unternehmerische Freiheit. Wird an die Landwirtschaft in der EU zu viel ausgeschüttet?
Nein. Ich bin aber total dabei, wenn man schaut, ob das Geld effizient ausgegeben und gescheit kontrolliert wird. Wir wissen schon, dass in den letzten Jahren außerhalb von Österreich einige unschöne Dinge mit Steuergeld passiert sind.
Europa und Österreich müssen sparen. Sehen Sie Einsparungspotential im Bereich der Landwirtschaft?
Jeder Bereich hat seinen Beitrag zu leisten. Und man muss überall hinschauen, weil es Steuergelder sind, mit denen man sorgsamst umgehen muss. Es wird aber sinnvoll gespart. Im Landwirtschaftsbereich haben wir gut unsere Budgets halten können. Dass man beim Waldfonds reduziert, finde ich in Ordnung. Es kommen auch in Zukunft große finanzielle Herausforderungen auf uns zu. Was wir bei den Schweinen mit den Spaltenböden hatten, wird wahrscheinlich mit den Rindern weitergehen.
Was bedeuten die Trump-Zölle für die europäische Landwirtschaft?
Dass Trump gerade die Welt des fairen Handels durcheinanderwirbelt und Dummheiten exekutiert, ist völlig absurd. Die Antwort darauf sind Handelsabkommen mit den Partnern, mit denen wir uns langfristig zusammentun wollen. Nachhaltige Handelsabkommen sind etwas, das Wohlstand vergrößert und den Frieden bestärkt.
Wie unumstößlich ist denn der Beschluss der vorigen Regierung, Mercosur nicht zuzustimmen?
Bei uns Neos wird das am wenigsten diskutiert, weil wir als einzige Partei Freihandel vor allem auch als Chance sehen. Wir machen uns stark dafür, dass es ein „Fair Level Playing Field“ geben muss. Das heißt, dass Bedingungen, die in Europa gelten, auch in anderen Ländern gelten. Freihandelsabkommen heben die Standards bei denen, mit denen man Handel treibt. Wir haben uns innerhalb der Regierung darauf verständigt, den Freihandel und internationale Abkommen zu fördern, wenn ökologischen und sozialen Standards gewährleistet werden. Im dritten Jahr der Rezession müssen wir schauen, dass wir mit einem Bündel an Maßnahmen die Wirtschaft wieder ankurbeln.
Ist die Angst vor südamerikanischem Rindfleisch unberechtigt?
Es wird auch jetzt Fleisch aus Argentinien importiert und es wird nicht mehr werden, als jetzt schon kommt. Die Rindfleischquoten ergeben also keine tatsächliche Verwerfung für den europäischen Markt.
Und die Ukraine? Soll sie Mitglied der EU werden können?
Ich bin dafür, dass wir die Ukraine so nah wie möglich an die Europäische Union heranführen. Für die agrarischen Importe werden wir aber andere Wege finden müssen. Die Ukraine war nicht umsonst immer die Kornkammer Europas. Das sind Volumina, die der europäische Markt so nicht verdauen kann. Wir brauchen nicht darüber reden, wie viel Agrarprodukte wir aus Südamerika kriegen, wenn wir uns anschauen, was die Mengen aus der Ukraine wären.
Der Bauernbund wünscht sich Importzölle oder sogar Importverbote für Produkte, die nicht nach europäischen Standards hergestellt wurden.
Zölle können für mich immer nur der letzte Schritt sein, weil sie alles verteuern und wirtschaftlich gesehen immer ein Nachteil für die Konsumenten sind. Wir sind keine Festung. Österreich ist Teil der Europäischen Union und muss sich in diesem Rahmen bewegen.
Die Zölle auf russische und weißrussische Düngemittel werden aber erhöht. Bestraft man damit nicht die europäische Landwirtschaft?
Ich bin dagegen, dass man Putin mit Düngemitteln den Krieg finanziert. Es war ein großes Versäumnis der letzten Jahrzehnte, dass man solche Produkte nicht in Europa herstellt. Wir hätten auch eine Möglichkeit in Oberösterreich gehabt, das in heimischer Hand zu behalten. Da hat man nicht immer die klügsten Entscheidungen getroffen.
Österreich ist heute 30 Jahre bei der EU. Sehen Sie in dem Beitritt eine Erfolgsgeschichte?
Es gibt viele Dinge, die man kritisieren kann, einiges muss auch besser werden. Beim Lieferkettengesetz und bei der Entwaldungsrichtlinie hat man sich eingegraben. Da muss man nacharbeiten. Ich bin aber im Herzen Europäerin. Der Beitritt war für Österreich die einzig richtige Entscheidung.
Viele Bauern meinen, dass die Landwirtschaft ein Verlierer der Mitgliedschaft war.
In Zahlen und Daten ist das nicht begründbar. In Gefühlen und der Emotion oftmals schon. Die Politik hat das Spiel gespielt, dass der Schwarze Peter der Europäischen Union zugeschoben wurde, obwohl die Umsetzung vieler Vorlagen in Österreich durchgeführt wurde. Auf der einen Seite wird vieles auf Brüssel geschoben, auf der anderen Seite ist man es nie richtig angegangen, dass man daheim entbürokratisiert und vereinfacht. Wir sind im landwirtschaftlichen Sektor in Österreich einfach ein bisschen überverwaltet. Ein sehr hoher Anteil an Menschen im Sektor ist nicht produktiv, sondern vom Büro aus tätig.
Karin Doppelbauer stammt aus Kallham im Bezirk Grieskirchen, hat an der Universität für Bodenkultur studiert und arbeitet für den Computer-Konzern Dell. Seit 2017 ist sue Nationalratsabgeordnete und NEOS-Sprecherin für Budget, Energie und Landwirtschaft.