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Es „muss“ eine Transformation erfolgen

Im Dezember hat Umweltministerin Leonore Gewessler die „Biodiversitätsstrategie Österreich 2030+“ vorgestellt. Das Umweltbundesamt hat deren Erarbeitung federführend begleitet. STEFAN NIMMERVOLL hat mit Geschäftsführerin MONIKA MÖRTH gesprochen.

Vor kurzem wurde die österreichische Biodiversitätsstrategie vorgestellt. Wo liegen denn dabei die Schwerpunkte?

Zum einen bei der Steigerung des Bioanteils der landwirtschaftlich genutzten Fläche von derzeit 26 auf 35 Prozent bis 2030. Zweitens 30 Prozent der Landesfläche unter wirkungsvollen Schutz zu stellen. Mit 29 Prozent fehlt da flächenmäßig nicht mehr viel. Allerdings geht es jetzt darum, dort mit den Managementplänen auch einen wirkungsvollen Schutz zu erreichen. Drittens sollen 30 Prozent der gefährdeten Arten und Lebensraumtypen bis 2030 nicht mehr diesem Gefährdungsstatus unterliegen.

Die heimische Landwirtschaft begreift sich als eher grün und nachhaltig. Wie ist es denn um den Artenschutz auf den heimischen Bauernhöfen bestellt?

In den Kulturlandschaften ist der Druck auf die Fläche mit der Intensivierung der letzten 20 Jahren größer geworden. Die Steigerung in der Produktivität hat dazu geführt, dass es um die Artenvielfalt nicht besser bestellt ist. Das ist kein Vorwurf: Auch der Druck auf die Bäuerinnen und Bauern ist im selben Zeitraum gestiegen. Dazu kommt noch der Klimawandel. Es braucht daher eine Transformation, wie mit den Flächen gewirtschaftet wird. Dafür braucht es den Zusammenschluss mit den Landnutzern und Landnutzerinnen. Es geht nur gemeinsam, wenn wir dem Artenschwund Einhalt gebieten und gleichzeitig unseren Landwirten und Landwirtinnen die Möglichkeit gut zu wirtschaften, geben wollen.

Heißt das, dass die Bauern mit weiteren Bewirtschaftungserschwernissen zu rechnen haben?

Ich würde den Begriff nicht verwenden. Es geht darum, in sich zu gehen und sich als Bauer und Bäuerin zu fragen, wie ich mit meiner Fläche am besten wirtschaften und welche Produkte ich anbauen kann.

Ein wesentlicher Schlüssel für die Umweltpolitik ist das ÖPUL. Teilen sie die Befürchtung, dass viele Bauern beim ÖPUL einfach nicht mehr mitmachen, wenn man zu hohe Standards setzt?

Ich glaube, dass das nicht an den Standards liegt, sondern an der Komplexität der Anträge. Unsere Bäuerinnen und Bauern kommen mit hohen Standards gut zurecht. Die Abwicklung hat sich in den letzten Jahren aber deutlich verbürokratisiert.

Braucht es mehr Flexibilität?

Es braucht mehr Flexibilität, ein gutes Augenmaß, aber auch eine gute Kontrolle. Schwarze Schafe gibt es überall. Wenn man die gezielt herauspickt, muss man die Anträge nicht so verkomplizieren, dass sie kaum mehr in vernünftiger Zeit zu schaffen sind.

Agrarkommissar Wojciechowski hat jüngst sogar von deiner Verdoppelung des GAP-Budgets gesprochen. Ist für strengere Biodiversitätsmaßnahmen mehr Geld nötig?

Einen Ausgleichsmechanismus wird es brauchen. Ob das mehr Geld ist, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls müssen wir beginnen, die erste Säule der Direktzahlungen zu reduzieren und die zweite Säule der Agrarumweltmaßnahmen auszubauen.

Produkte mit höheren Standards müssen auch vom Markt akzeptiert werden. Ist es angesichts von Inflation und Kaufzurückhaltung realistisch, dass die Konsumenten dafür mehr bezahlen werden?

Wenn wir die Lebensmittel, die wir jedes Jahr wegwerfen, in Kaufkraft umlegen, macht das die höheren Preise x-fach wett.

Wenn in Europa der Ertrag sinkt, dafür aber aus anderen Gebieten importiert wird und dort die Artenvielfalt gefährdet wird, bringt das unterm Strich aber wenig, oder?

Bei dieser Frage gibt es Berufenere, das ist nicht unser Kerngebiet. Wie wichtig es ist, den internationalen Verlust der Artenvielfalt zu stoppen, ist auf der Weltnaturkonferenz CBD COP15 im Dezember 2022 in Montreal sichtbar geworden.

Erreichen wir die Ziele, die beim Biodiversitätsgipfel in Montreal formuliert wurden, mit dem österreichischen Plan?

Beim Distelverein haben Vertreter und Vertreterinnen der Landwirtschaft, der Jagd und der Naturschutz-NGOs zusammengearbeitet. Wenn uns das erneut gelingt, wird es funktionieren. Wenn es in einem Gegeneinander endet, ist die Biodiversität der Verlierer.

Bei der Definition eines Schutzgebietes gibt es Philosophieunterschiede. In Amerika schützt man Wildnis, produziert daneben aber in den restlichen Gebieten sehr intensiv. In Europa versucht man dieselben Ziele auf einer Fläche zu vereinen. Wird das so bleiben?

Amerika hat den großen Vorteil, dass es unglaublich viel Platz für seine Nationalparks hat. Den haben wir nicht. Die Konzepte in Österreich zielen daher darauf ab, dass Bewirtschaftung und Biodiversität vereinbar sind. Wenn wir die Managementpläne gemeinsam verbessern, sind wir da auf einem guten Weg.

Das heißt aber konkret, dass man in diesen Gebieten nicht mehr dasselbe dürfen wird als man heute darf?

Das ist eine Frage der Betrachtungsweise. Es geht nicht darum, was man nicht mehr darf, sondern was man anders machen kann.

Bei der konkreten Frage des Pflanzenschutzmitteleinsatzes in Natura 2000-Gebieten bedeutet das was?

Dass ich mir als Landwirt die Frage stelle, wie ich bestmöglich mit den Gegebenheiten von Boden und Klima umgehe und was ich dort in welcher Fruchtfolge anbaue. Dann schaue ich nicht mehr auf die Verbotsseite, sondern auf die Chancen. Wenn man sich ansieht, was Dünge- und Pflanzenschutzmittel beim Preis zugelegt haben, ist eine Reduktion ein Benefit für alle Seiten.

Wenn sie einen Wunsch an die Bauern frei haben, was wäre der?

Dass sie den Mut nicht verlieren und Dinge ausprobieren. Sie sind jene, die ihre Flächen am besten kennen. Wir brauchen sie, um die Biodiversität gemeinsam zu bewahren.

Monika Mörth ist Geschäftsführerin der Umweltbundesamt GmbH. Ihre Wurzeln liegen im Distelverein, der sich bereits Ende der 1980er-Jahre im Marchfeld für Artenschutz eingesetzt hat und dessen Programme als Vorläufer des ÖPULs gelten. Zwischenzeitlich war Mörth vier Jahre lang im Ministerbüro von Umwelt-und Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter tätig.