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Diskussion um züchterische Zukunft Europas

Die Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU), Saatgut Austria, das Foreign Agricultural Service der US-amerikanischen Botschaft, die Gregor-Mendel-Gesellschaft und die Landwirtschaftskammer (LK) Österreich haben gestern gemeinsam an der BOKU die International Conference on New Breeding Technologies veranstaltet, bei der der Wissenstransfer zwischen Forschern, Züchtern, diversen Organisationen und Politikern im Mittelpunkt stand. Als Referenten waren heimische und US-Experten geladen. Neben den Vorteilen der neuen Züchtungsmethoden wurden auch die Folgen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) thematisiert, der im Juli 2018 entschieden hat, dass durch neue Methoden der Mutagenese gewonnene Organismen grundsätzlich den in der GVO-Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen unterliegen müssen.

Für Garlich von Essen von der European Seed Association ist es unerlässlich, dass Europa rasch eine politische Diskussion über die Zukunft der Landwirtschaft generell sowie über die ihr vor- und nachgelagerten Sektoren, allen voran die Pflanzenzüchtung, führt. „Die diesjährigen Dürrephasen in zahlreichen Regionen Europas sind ein Weckruf, der die Bedeutung und Dringlichkeit hervorstreicht, die Züchtung von innovationshemmenden und -bremsenden Regulierungen zu befreien. Nur so können aktuelle Herausforderungen wie der Klimawandel, Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit bewältigt werden. 150 Jahre nach den Entdeckungen von Gregor Mendel – die die Basis für die Bekämpfung von Hunger, Unterernährung und Armut waren – muss Europa zeigen, dass es nicht nur für eine erfolgreiche züchterische Vergangenheit, sondern auch Zukunft steht.“

Hermann Bürstmayr von der BOKU verwies darauf, dass mit der zunehmenden Zahl an vollständig sequenzierten Kulturpflanzen das funktionale Testen von nahezu jedem Ziel-Gen auch in großen und komplexen Genomen möglich wird. „Genome Editing-Methoden wie die zielgerichtete Mutagenese sind daher vor allem für die funktionale Genomik überaus wichtige Techniken – hier insbesondere in der reversen Genetik (vom Gen zur Funktion beziehungsweise dem Potenzial einer Pflanze). Die neuen Züchtungsmethoden hätten also grundsätzlich das Potenzial, verbesserte Allele für die angewandte Weiterentwicklung von Kulturarten zu schaffen. Die aktuelle Regulierung bremst jedoch die Züchtungsforschung in der EU.“

In die gleiche Kerbe schlägt Eva Stöger, ebenfalls Professorin an der BOKU: „Genome Editing ist eine effiziente und offen zugängliche Methode, die weltweit angewandt wird, um Kulturarten und deren Merkmale zu verbessern und Mutationen zu generieren, die für die Forschung, aber auch für die kommerzielle Nutzung wichtig sind. Die Entscheidung des EuGH unterwirft die neuen Methoden jedoch der Regulierung für GVO, verhindert damit wirtschaftlich bedeutende Weiterentwicklungen und bremst die regionale Forschung und Züchtung, die sich künftig wohl auf grundlegende wissenschaftliche Fragen konzentrieren werden.“

Shaun Curtin, Plant Transformation Platform Manager bei Calyxt, Inc., erhofft sich durch neue Züchtungsmethoden vor allem gesündere Lebensmittel und veranschaulicht es am Beispiel Sojaöl, das früher teilweise gehärtet wurde, um seine oxidative Festigkeit und damit Haltbarkeit sowie Verarbeitbarkeit zu verbessern. Dieser Prozess hat zur Bildung von Transfettsäuren und Transfetten geführt, die zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen. „Sojaöl, das für einen hohen Anteil an Transfetten in Lebensmitteln sorgt, hat daher gegenüber anderen pflanzlichen Ölen zunehmend an Bedeutung verloren. Mit den neuen Züchtungsmethoden haben wir ein Merkmal erzeugt, das etwa 80% Oleinsäure, 20% weniger gesättigte Fettsäuren im Vergleich zu herkömmlichem Sojaöl und keine Transfette enthält“, zeigte Curtin auf.

Abschließend verwies Margaret Rosso Grossman von der University of Illinois auf die innovativen und effizienten Möglichkeiten zur Entwicklung eines größeren Pools an Sorten und damit einer größeren pflanzlichen Vielfalt durch Genome Editing. „Dabei können auch weitgehende Resistenzen gegen Schädlinge und andere Schadfaktoren gezüchtet werden. Das U.S. Department of Agriculture sieht keine Veranlassung, die meisten der neuen Züchtungsmethoden als GVO einzustufen. Dadurch können Innovationen im Bereich der Pflanzenzüchtung gefördert werden.“