Foto: Nimmervoll

„Bürokratieabbau versprechen ist naiv“

Die CEJA ist die Dachorganisation von 33 Junglandwirte-Organisationen in der EU. STEFAN NIMMERVOLL hat anlässlich ihres Treffens in Salzburg mit Präsident PETER MEEDENDORP und Vizepräsidentin KATHARINA SCHOBERSBERGER gesprochen.

Mit welchen Erwartungen gehen Sie an den neuen Agrarkommissar Christophe Hansen heran?

Katharina Schobersberger: Er hat eine Strategie für die nächste Generation angekündigt. Sein Fokus ist, diese besser in die Landwirtschaft zu bringen. Er hat vieles genannt, was wir auch unterstützen, unter anderem auch die Einrichtung einer unabhängigen Beobachtungsstelle für Landkäufe. Dementsprechend hoch sind die Erwartungen.

Peter Meedendorp: Der Generationswechsel wird eines der Kernthemen für die nächsten fünf Jahre sein.

Was ist Ihre Hauptforderung an die neue EU-Kommission?

Meedendorp: Die Gespräche für die neue GAP nach 2027 werden nächstes Jahr beginnen. Auch jene für das gesamte EU-Budget. Dabei gilt es, die Rolle der Landwirtschaft mit einem Anteil von 40 Prozent zu verteidigen.

Ist es realistisch, dass bei knappen Budgets weiterhin so viel Geld für die Landwirtschaft zur Verfügung steht?

Schobersberger: Das Agrarbudget nach 2027 macht uns Sorgen. Da die Direktzahlungen in den letzten 20 Jahren nicht inflationsangepasst wurden, wurde es kontinuierlich weniger. Gleichzeitig steigen die Forderungen der Gesellschaft bei Nachhaltigkeit und Tierwohl.

Meedendorp: Wenn die Gesellschaft höhere Anforderungen hat, muss auch sichergestellt werden, dass der Bauer daraus ein höheres Einkommen erzielt. Die Junglandwirte-Top-Ups in der ersten Säule und die Investitionsförderungen sind wichtig. Es geht aber auch um die Verteilung des Geldes innerhalb des Budgets.

Die Aufteilung zwischen den Säulen soll sich verändern?

Meedendorp: Die Verteilung zwischen den bestehenden Säulen ist stark von den einzelnen Mitgliedsländern abhängig. In manchen Staaten ist die zweite Säule sehr stark auf Projekte für den ländlichen Raum fokussiert. Uns ist aber wichtig, dass wirklich Bauern von der Gemeinsamen Agrarpolitik profitieren können.

Soll die zweite Säule stärker betont werden?

Meedendorp: Das ist komplett abhängig davon, wie sie aussieht. In der aktuellen Debatte geht es nicht um die Aufteilung, sondern darum, ob überhaupt noch genug Mittel für die Landwirtschaft zur Verfügung stehen. Das ist abhängig vom mehrjährigen Finanzrahmen der Europäischen Union. Die Gespräche werden nächstes Jahr starten, es sind aber schon Entwürfe durchgesickert. Dort hat es kein unabhängiges Budget für die Landwirtschaft mehr gegeben, sondern nationale Rahmen. Die Mitgliedstaaten haben also viel mehr Macht, zu entscheiden, wie sie das Geld verteilen. Wir werden also eine viel größere Differenzierung zwischen den einzelnen Ländern sehen. Wir sehen das Risiko, dass das GAP-Budget zu einem größeren Budget verwässert und von den Mitgliedstaaten möglicherweise mit einer geringeren Priorität versehen wird.

Ist die Abhängigkeit der Bauern von öffentlichen Zahlungen zu hoch?

Schobersberger: In der Theorie möchte man, dass der Markt für das Einkommen bezahlt. In der Praxis sehen wir, dass das nicht passiert. Gerade bei Investitionen in die Nachhaltigkeit geht es um ein kollektives Interesse der Gesellschaft. Daher braucht es andere Wege, das abzudecken.

Die Politik verspricht immer wieder einen Abbau der Bürokratie. Ist das damit machbar?

Meedendorp: Es ist naiv zu versprechen, dass es davon weniger geben wird. Wir sehen, was beim Nachhaltigkeitsreporting, das die Handelsketten erfüllen müssen, auf uns zukommt. Sie werden alle ihre Lieferanten verpflichten, ihre Arbeitsweise zu dokumentieren. Alle Akteure der Wertschöpfungskette verlangen von den Bauern immer mehr: Die Banken, die Abnehmer der Ware, die Agrarpolitik. Die Vision, was Nachhaltigkeit bedeutet, ist dabei überall unterschiedlich. Die einen haben ihren Fokus auf der Reduktion von Pflanzenschutzmitteln, die anderen beim Bodenmanagement, die dritten dem Ausstoß von Treibhausgasen. Die Anzahl der Formulare wird dadurch immer mehr. Das ist verrückt.

Wie kann das verbessert werden?

Meedendorp: Wir müssen die Aufgaben im Bereich der Nachhaltigkeit auf europäischer Ebene strukturieren. Die Vergleichbarkeit von Nachhaltigkeitsansprüchen muss sichergestellt werden. Eine Sprache, mit der sowohl Banken als auch Verarbeiter und die GAP arbeiten, um unnötige und doppelte Verwaltung zu vermeiden. Darüber hinaus müssen wir uns auf die Erreichung von Zielen und weniger auf die Schaffung von Maßnahmen konzentrieren. Wenn zum Beispiel die Wasserqualität in einer Region gut ist, warum verlangen wir dann die Einhaltung von Pufferstreifen?

Schobersberger: Wir brauchen einen gesamtheitlichen Blick auf die Betriebe und die Möglichkeit, Schwerpunkte in der Nachhaltigkeit zu setzen. Maßnahmen müssen auch dem einzelnen Betrieb entsprechen. Wer zum Beispiel beim Tierwohl besonders gut ist, bekommt im Abtausch bei den Emissionen mehr Spielraum. Denn die Ambitionen bei den Zielsetzungen widersprechen sich zum Teil.

Meedendorp: In den letzten fünf Jahren haben wir bei Pestiziden, Antibiotika und CO2-Reduktion isoliert über Reduktionsziele bis 2050 diskutiert. Das hat zu einer totalen politischen Polarisierung geführt: Die eine Seite des Spektrums wollte das Ziel so hoch, die andere so tief wie möglich ansetzen. Wir schlagen daher vor, sich die aktuelle Situation anzuschauen und in der Gesamtheit einen Pfad zu definieren, wie wir schrittweise besser werden können.

Ist es realistisch, die Ukraine in das GAP-System zu integrieren?

Schobersberger: Nicht in der jetzigen Form. Wenn man die Ukraine aufnehmen will, muss man die Gemeinsame Agrarpolitik vor allem bei den Direktzahlungen komplett reformieren. Eine Integration ins europäische Agrarsystem würde aber auch Potential mit sich bringen. Wenn dort viel mehr Soja angebaut werden würde, könnten wir den Eiweißbedarf in der EU besser abdecken.

Meedendorp: Wir müssen dafür sorgen, dass der Beitritt der Ukraine nicht zu einem noch größeren Verschwinden der europäischen Familienbetriebe führt. Das kann auch über eine Mitgliedschaft gehen. Es kommen ja jetzt schon viele Produkte aus der Ukraine in die EU. Die europäischen Bauern müssen also mit ihren ukrainischen Kollegen konkurrieren, obwohl diese sich beim Tierwohl und beim Pflanzenschutz nicht an die europäischen Standards halten müssen. Wäre sie Mitglied, müssten diese eingehalten werden. Ich sehe in den nächsten zehn Jahren aber ohnehin keine Möglichkeit, dass die noch offenen Verhandlungskapitel abgeschlossen werden.

Ein anderer gewichtiger Agrarproduzent ist Südamerika. Wie steht die CEJA zum EU-Mercosur-Abkommen?

Meedendorp: Der Freihandel darf nicht die nachhaltige Produktion in Europa unterminieren. Bei den Abkommen mit Amerika haben wir da unsere Zweifel. Wir sehen eine Menge an Fleisch, Zucker und Honig, die unter niedrigeren Standards produziert wurden, hereinkommen. Die Landwirtschaft wird in dem Abkommen nicht als der strategische Faktor behandelt, der sie ist. Es geht nur um den Abtausch von Autoexporten gegen Fleisch. Die EU hat deshalb begonnen, über einen Kompensationsfonds für Betriebe, die stark betroffen sind, zu reden. Nach 20 Jahren an Verhandlungen fühlt sich das jetzt aber ein bisschen „too little, too late“ an.

Was bedeutet die Wahl von Donald Trump für die europäischen Bauern?

Schobersberger: Trump will die Zölle für Lebensmittelimporte erhöhen. Das werden wir direkt spüren und es macht uns Sorgen.

Meedendorp: Wir müssen mit der Idee aufräumen, unter dem Schutzschirm der USA leben zu können. Dasselbe wäre übrigens auch passiert, wenn die Demokraten gewonnen hätten. Es wird jetzt nur schneller und brutaler vonstattengehen. Wir müssen uns sowohl beim Militär als auch bei der Wirtschaft mehr um uns selber kümmern. Der internationale Handel wird unter Druck geraten. Dass die Regierungen in den beiden wichtigsten EU-Ländern Deutschland und Frankreich zugleich instabil sind, schwächt Europa weiter.

Was brauchen junge Landwirte, damit sie Höfe erfolgreich führen können?

Meedendorp: Wichtig ist, dass die Regierungen Entscheidungen treffen, auf deren Basis wir wählen können, ob wir die Betriebe überhaupt übernehmen. Es gibt viele andere gute Jobs, die junge Landwirte annehmen können. Letztlich ist das auch eine sozialpolitische Frage: Die Hälfte der Betriebsführer in Europa ist heute älter als 55. Diese werden sich in den nächsten 20 Jahren alle zur Ruhe setzen. Wenn sich die Jugend dagegenentscheidet, diese Höfe zu übernehmen, wird die Gesellschaft in den ländlichen Gegenden komplett anders aussehen.

Was ist das beste und was das schlechteste Szenario für die jungen Landwirte in Europa?

Meedendorp: Das schlechteste ist eindeutig, dass wir unseren Mitgliedern sagen müssen, dass sie nach Kanada oder Australien auswandern müssen, um vernünftig Landwirtschaft betreiben zu können. Das beste ist, dass wir eine lebendige Landwirtschaft erhalten, die Vielfalt und Einkommen ermöglicht. Diese Entscheidung liegt in der Hand der Regierungen.

Zur Person

Katharina Schobersberger ist eine Junglandwirtin aus dem Bezirk Wels-Land. Sie lebt mit ihrer Familie am schwiegerelterlichen Betrieb mit Zuchtschweinen, Ackerbau und einer kleinen Forstwirtschaft. Sie ist Mitglied der Landjugend und als Vizepräsidentin im Vorstand der CEJA.

Peter Meedendorp stammt aus den Niederlanden und führt einen Ackerbaubetrieb mit Stärkekartoffeln, Zucker­rüben, Hanf, Zwiebeln, Mais und Getreide sowie Lohnarbeiten. Seit Juni 2023 ist er Präsident der CEJA.