Bauern gegen drohende Enteignung
Der Streit um die Ost-„Umfahrung“ Wiener Neustadts spitzt sich zu. Lichtenwörths Bürgermeister Manuel Zusag lud am 11. November gemeinsam mit seinem ÖVP-Kollegen, Wiener Neustadts Bürgermeister Klaus Schneeberger, und der Bauernkammer zu einer Infoveranstaltung ins Gemeindeamt Lichtenwörth. Die kurze Vorlaufzeit sorgte schon im Vorfeld bei den Bauern für Ärger. Eine Gruppe von gewichtigen Bauern rund um den Obmann der örtlichen landwirtschaftlichen Genossenschaft und Chef der Agrargemeinschaft, Johann Müllner, holte sich Unterstützung. Vertreten wurden sie von den auf Verfassungsrecht und Umweltrecht spezialisierten Anwälten Wolfram Proksch und Piotr Pyka. Mit an Bord waren auch die frühere Leiterin des Instituts für Raumplanung der Boku Wien, Gerlind Weber, sowie der Präsident der Katholischen Aktion Wien, Reinhard Bödenauer.
Der Ärger bei den Bauern wurde im Laufe der Infoveranstaltung schnell noch größer. „Auf konkrete Fragen gab es keine Antworten. Im Gegenteil, es sind noch viel mehr Punkte offen als vorher. Für mich ist es jetzt noch klarer, dass ich meine besten Äcker behalten will“, gibt sich Johann Müllner kämpferisch.
Anwalt Wolfram Proksch kritisiert das Vorgehen des Landes NÖ: „Die Verhandlungen mit den Bauern sind völlig intransparent. Es soll offenbar bewusst nur Einzelgespräche geben. Gelockt werden die Landwirte mit Ersatzflächen, die man ihnen aber offenbar erst anbieten will, wenn sie vorher der Grundabtretung für den Straßenbau zustimmen und auf weitergehende Ansprüche verzichten. Dass nicht für alle Betroffenen genug Flächen mit adäquater Bodengüte vorhanden sind, scheint schon jetzt klar. Selbst die Landwirte, die die Abtretung akzeptieren, haben damit keine Sicherheit, ob und welche Ersatzflächen sie nachher allenfalls erhalten. Wie sich bei der Infoveranstaltung herausstellte, ist noch nicht einmal gesichert, um welche Flächen es genau geht, und ob diese schon im Besitz des Landes NÖ oder der Gemeinden sind.“ Dazu meinte der für die Abwicklung der Käufe und Verkäufe eingesetzte Herr DI Kern seitens der Gemeinden und des Landes: „Erst wenn die überwiegende Mehrheit zustimmt, gibt es die Möglichkeit der Verteilung der Ersatzflächen im Ausmaß von ca. 15 ha.“
Wie über die Bauern drübergefahren wird, zeigte Raumplanerin Gerlind Weber auf: „Die Trassenführung widerspricht der Struktur der Felder. Eigentlich sollte ein begleitendes behördliches Verfahren selbstverständlich sein. In diesem Fall müssen sich die Landwirte im Nachhinein und auf eigene Kosten dann selbst um alles kümmern und haben dadurch riesige Nachteile.“ Auf die Generationenverantwortung und die nationalen Bodenschutzziele wollte KA-Präsident Reinhard Bödenauer hinweisen. ÖVP-Bürgermeister Schneeberger schnitt ihm zum Ärger im mit über 50 Personen gefüllten Gemeindesaal allerdings kurzerhand das Wort ab.
Sollte es wirklich zu einem Enteignungsverfahren kommen, sehen die Anwälte Pyka und Proksch gute Chancen für die Bauern: „In den bisherigen Verfahren wurden weder der tatsächliche Bedarf noch das öffentliche Interesse am Straßenbau hinreichend geprüft. Die Errichtung der Umfahrung widerspricht sowohl dem nationalen als auch dem europäischen Umweltrecht massiv. Betroffene haben unserer Meinung nach immer noch die Möglichkeit, den Grundabtretungen nicht zuzustimmen, die viel zu niedrig angesetzten Entschädigungen nicht zu akzeptieren, und das Projekt insgesamt zu Fall zu bringen.“