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Aus für Chalet-Dörfer

Nach massiver Kritik des Rechnungshofes wurde das Grundverkehrsgesetz im Land Salzburg neu geschrieben. STEFAN NIMMERVOLL hat mit Agrarlandesrat JOSEF SCHWAIGER unter anderem über strikte Regulierungen und einen Paradigmenwechsel im Tourismus gesprochen.

Seit Jahreswechsel ist die neue Gemeinsame Agrarpolitik in Kraft. Wir zufrieden sind Sie aus Salzburger Perspektive damit?

Gesamt gesehen hat es beim ÖPUL und bei der AZ keine großen Bewegungen gegeben. Die Auszahlungssumme inklusive der 1. Säule wird mit rund hundert Millionen Euro etwa gleich bleiben. Im Biobereich kommen wir aber unter Druck, weil die steigenden Haltungsanforderungen schwer nachzuvollziehen und kaum erfüllbar sind. Wenn man am Millimeterpapier herumzeichnet, hat das aber nichts mehr mit einer tatsächlichen Verbesserung der Bio-Tierhaltung zu tun. Wir haben durch den Weidegang schon hundert Betriebe verloren und werden jetzt nach Hochrechnungen weitere 300 verlieren. Das sind zehn Prozent. Manche sind im Warteraum und werden eventuell noch einmal einsteigen. Die anderen haben sich verabschiedet. Das ist schade, weil wir mit knapp 60 Prozent der Fläche bisher Bioland Nummer Eins in Österreich sind.

Ein großes Thema ist der Herdenschutz. Welche Perspektiven sehen Sie denn für die Almsaison 2023?

Wir beschäftigen uns seit sieben Jahren intensiv damit und haben den ersten Wolfsmanagementplan samt Entschädigungszahlungen gehabt. Die interessieren in Wahrheit die Bauern aber nicht. Sie gehen nicht auf die Alm, um dann hoffen zu müssen, dass die Tiere auch wieder heimkommen. In St. Gilgen ist ein Wolf sogar in der Nähe von Siedlungen aufgetaucht und hat dort Schafe gerissen. Da sehen wir, dass die Pro-Wolf-Stimmung in oberflächlichen Abfragen sehr schnell kippt. Das Hybridisieren von Wölfen und Hunden, wo die Nachkommen dann die Scheu verlieren, ist eine Situation, die nicht einfach ist. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo tatsächlich etwas passiert. Dann wird die Frage gestellt, warum wir nicht früher etwas getan haben.

Muss es zu einer Vereinfachung der Entnahme von Problemwölfen kommen?

Wir haben vor zwei Jahren eine Verordnung gehabt, damit wir den Wolf sofort entnehmen können. Eine Verordnung deswegen, weil im Jahr davor ein Bescheid zu Berufungen geführt hat und die Entscheidung ewig gedauert hat. Im Vorjahr wurde diese Verordnung von unserem Koalitionspartner, den Grünen, nicht unterschrieben. Gottseidank war das nicht das Jahr mit großen Rissen. Jene Bilder wie vor zwei Jahren in Rauris und vor vier Jahren in Großarl, brauchen wir nicht mehr. Daher werden wir in Koalitionsverhandlungen ganz intensiv darauf drängen, dass es wieder zu einer solchen Verordnung kommt.

In Salzburg gelten bald neue Regeln für den Grundverkehr. Zuvor hat der Landesrechnungshof einen vernichtenden Prüfbericht veröffentlicht. Ist die Kritik, dass Investoren zu leicht an landwirtschaftliche Gründe gekommen sind, berechtigt?

Der Bericht war wirklich heftig. Faktum ist, dass zu viel landwirtschaftlicher Grund in die Hände vermeintlicher Bauern gekommen ist. Diese oftmals vor Jahren gekauften Flächen wurden nicht selten zu einem späteren Zeitpunkt Spekulationsobjekte für den Tourismus. Das war absolut nicht befriedigend. Wir haben daher das Grundverkehrsgesetz komplett neu geschrieben. In Zukunft muss man 75 Prozent der Fläche selbst bewirtschaften. Das war bei jenen, die im großen Ausmaß Grund gekauft haben, nicht der Fall. Wir haben auch einen Preiskorridor eingebaut, der bei etwa 25 Euro in der Stadt Salzburg endet. Die Obergrenze in ländlichen Gemeinden beträgt rund 15 Euro.

Die Spielregeln sind damit völlig verändert.

Das ist natürlich ein Eingriff, der erheblich ist. Wenn aber in ertragsschwachen Gebieten im Innergebirg 30 bis 40 Euro und in Stadtnähe bis zu 80 Euro gezahlt werden, ist das für normale landwirtschaftliche Betriebe nicht einmal in Ansätzen mehr erwerbbar oder gar erwirtschaftbar.

Hat die Spekulation mit landwirtschaftlichen Grundstücken damit ein Ende?

Wir können aufgrund von EU-rechtlichen Bestimmungen nicht ausschließen, dass auch EU-Bürger oder Nicht-Landwirte Grünland kaufen. Es gibt eine Niederlassungs- und eine Kapitalfreiheit. Diese obersten Normen kann man nicht beseitigen. Aber Landwirte im Umkreis von 20 Kilometern sind privilegiert.  Von ihnen kann jeder zu dem vorgegebenen Preis kaufen. Das sich zu den künftigen Richtpreisen da keiner findet, ist unwahrscheinlich. Daneben ist es in 82 Gemeinden auch nicht mehr möglich, einen Zweitwohnsitz zu erwerben, sondern nur mehr einen Hauptwohnsitz. Bisher wurden Immobilien dort zu Apothekerpreisen gehandelt.

Wer hat denn bisher vor allem verkauft?

Es gibt immer wieder Erbengemeinschaften, die nur eines wollen: viel Geld. Man kann aber nur auf der Seite der aktiven Landwirte oder jener, die veräußern wollen, sein. Es haben sich auch schon andere Bundesländer erkundigt, wie wir das machen.

Seinen Betrieb über einen Verkauf zu sanieren oder damit einen Stallbau zu finanzieren, wird aber nicht mehr so einfach möglich sein, wenn die Quadratmeterpreise künftig dramatisch niedriger sind.

Das haben wir lange diskutiert. Bei uns gibt man in der Regel kein Grünland her, um mit dem Erlös investieren zu können. Wenn, dann geschieht das mit gewidmetem Bauland. Auch für überschuldete Betriebe ist das nach Auskunft des Bankenwesens kaum relevant. Unsere Betriebe sind in der Regel gesund. Das sieht man auch daran, dass pro Jahr nur acht Promille der Betriebe aufhören. 2023 haben wir mehr landwirtschaftliche Betriebe als im Jahr zuvor, weil Höfe zwischen Kindern geteilt wurden oder weil jemand die Bewirtschaftung wieder aufgenommen hat. Und Verkaufs- und Erlöspreise haben auch etwas mit Pachtpreise zu tun. Wenn so wenige Bauern aufhören, sind kaum Flächen verfügbar. Wenn die Preise aber so hoch sind, verlieren wir auch innerhalb von Österreich die Wettbewerbsfähigkeit. In der benachbarten Steiermark und in Oberösterreich sind die Belastungen da viel geringer. Bei uns wird dann die Anzahl der Stunden, wo man Gummistiefel trägt, höher, aber am Konto ist nicht mehr gelandet.

Salzburg ist ja nicht nur Bauern-, sondern auch ein starkes Tourismusland. Spüren Sie Gegenwind von dort?

Wir haben Raumordnung, Grundverkehr und Bautechnik mit dem Landesentwicklungsprogramm umrahmt. Dort sind die großen Pfade, auch zum Thema Tourismus, und einige Einschnitte enthalten. Wir haben zum Beispiel einen Drang gehabt, bei den Mittelstationen touristische Betriebe zu entwickeln. Wir dürfen aber keinen flächenintensiven Tourismus mehr schaffen. Konkret bedeutet das ein Aus von Chalet-Dörfern. Das hat natürlich zu Diskussion mit den Touristikern geführt. Projekte in Mauterndorf und in St. Martin bei Lofer wurden wieder abgesagt. Wir brauchen das nicht. Grund und Boden ist zu wertvoll für Häuserln und Hütten.

Auch da steht also eine Wende an.

Das heißt nicht, dass sich der Tourismus nicht weiterentwickeln kann.  Neben einem Hotel wird das eine oder andere schon noch gehen. Neues, Pompöses irgendwo auf der Wiese, wie in Mittersill Richtung Kitzbühel, wird es aber nicht mehr geben. Die Diskussion war hart, aber wir haben ein strenges und enges Korsett geschaffen.

Ein eng mit der Flächennutzung verbundenes Thema ist die Energiewende. Bisher gibt es in Salzburg kein einziges Windrad. Wie wird sich das Bundesland bei den Erneuerbaren weiterentwickeln?

Von fünf Terrawattstunden, die wir zur Eigenversorgung brauchen, haben wir vier. Es fehlen uns also noch 20 Prozent. Dieses eine Terrawatt wollen wir zur Hälfte aus Photovoltaik, zu einem Viertel aus Wind und den Rest aus Wasser und Biomasse gewinnen. Von den 500 Gigawattstunden Photovoltaik sollen drei Viertel auf die Dächer und ein Viertel auf die Wiesen kommen. Wir haben dafür derzeit rund 60 Anträge aus der Landwirtschaft. In Summe sind das 125 Hektar. Dabei wollen wir größere Flächen mit mindestens einem Hektar, damit es zu keinem Fleckerlwerk kommt.

In anderen Bundesländern versucht man die Freiflächen zu beschränken.

Da habe ich viel Kritik einstecken müssen. Ich würde es aber wieder so tun. Nur zu warten, bis die Dächer voll sind, ist nicht sinnvoll. Dafür haben wir die Zeit nicht. Jedenfalls werden die Freiflächenphotovoltaikanlagen auf ertragsschwachen Böden priorisiert. Außerdem kostet eine Kilowattstunde in einer Großanlage viel weniger als bei vielen kleinen Dachflächen. Da sind wir in einer völlig anderen Kategorie. Mir sind da ein paar Kratzer in der Landschaft lieber als ein gesamtes System, das nicht mehr funktioniert.

Und beim Wind?

Da haben wir Vorrangzonen ausgewiesen. Diese sind als besonderes öffentliches Interesse definiert. Das brauchen wir in der Abwägung zum Naturschutz bei den UVP-Verfahren. Bis 2030 wollen wir 25 Windräder und haben in Flachau einen ersten gewidmeten Standort dafür.

 

Josef Schwaiger (57) stammt aus Berndorf im Flachgau. Nach Studien der Politikwissenschaft und Agrarökonomik legte die Lehramtsprüfung für Agrarpädagogik ab. Neben seiner Tätigkeit als Lehrer an der HLFS Ursprung arbeitet Schwaiger in verschiedenen Funktionen im landwirtschaftlichen Bereich beim Land Salzburg. Seit 2013 ist er Agrarlandesrat des Bundeslandes.