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Antibiotikareduktion: Haltungsbedingungen als Schlüssel

Der Einsatz von Antibiotika in der Veterinärmedizin soll eingeschränkt werden. STEFAN NIMMERVOLL hat den Leiter des Hygieneteams der Klinik Donaustadt, DR. OSKAR JANATA, gefragt, welche Bedeutung die Landwirtschaft bei der Entstehung von Resistenzen hat.

Wie oft erleben Sie es in ihrem Alltag als Arzt, dass sie mit Patienten konfrontiert sind, die auf eine Behandlung mit Antibiotika nicht ansprechen?

Die Ursache für ein Therapieversagen liegt meist daran, dass das Medikament nicht exakt das richtige ist oder die Dosierung nicht stimmt. Daneben gibt es aber auch tatsächliche Infektionen mit resistenten Keimen. Bei uns im Haus erfassen wir im Durchschnitt etwa ein Dutzend solche Patienten pro Woche. Dabei wird aber nicht unterschieden, ob die Patienten besiedelt sind oder tatsächlich auch Infekte vorliegen.

Es geistert die Zahl von 33.000 Todesfällen pro Jahr aufgrund von Resistenzen herum…

Resistente Keime sind in Österreich nicht meldepflichtig, daher kann man nur auf internationale Studien zurückgreifen. Ich bin kein Freund von solchen Hochrechnungen. Dass wir ein Problem haben, ist aber offenkundig.

Wo entstehen denn solche Keime? Eher in der Human- oder in der Veterinärmedizin?

Resistenz ist grundsätzlich eine zufällige Mutation eines Erregers. Deren Vermehrung wird aber durch die Gabe von Antibiotika begünstigt. Die Verbreitung hat dann mit der Hygiene, zum Beispiel im Krankenhaus oder in der Landwirtschaft, zu tun. Da ist ein Stall natürlich ein wichtiger Faktor: Im größten Spital werden sie in einem Zimmer nicht mehr als drei oder vier Bettnachbarn finden, auf die sie den Keim übertragen können. Eine Kohorte von zigtausenden Hennen stellt eine ganz andere Situation dar.

Die Abgabemengen in der Veterinärmedizin sind in den letzten Jahren massiv gesunken. Adressiert die Kritik nicht das falsche Klientel?

Wir gehen von einem „One Health“-Ansatz aus und können das Thema nicht isoliert betrachten. Resistente Bakterien finden wir heute auch im Wasser der Donau und bei den Ratten am Karlsplatz. Ein wesentlicher Unterschied ist aber: Wir haben in der Humanmedizin immer eine individuelle Gabe von Antibiotika. Das wird bei Großtieren auch so sein. Je kleiner die Tiere werden, desto schwieriger wird es, individuell zu therapieren. Die vorsorgliche Behandlung eines gesamten Bestandes ergibt dann ein echtes Problem.

Braucht es mehr Reserveantibiotika, die alleine für den Menschen vorbehalten sind?

Das würde sicher vielen die Angst nehmen. Allerdings sollte man die Bakterien nicht unterschätzen. Es gibt Resistenzmechanismen, die, einmal eingeschaltet, jede denkbare Wirkstoffgruppen unwirksam machen. Es gibt also kein gutes und kein böses Antibiotikum, sondern nur zu oft oder falsch dosiert eingesetzte.

Sie sehen also keine Notwendigkeit, deren Einsatz für die Nutztierhaltung zu verschärfen?

Die modernsten Humanantibiotika, die auf neuen Wirkmechanismen basieren, haben in der Veterinärmedizin sicher nichts verloren. Beim breiten Gebrauch gängiger Wirkstoffe werden wir aber eher über die Mengenreduktion als durch Präparatauswahl in der Massentherapie Erfolge erzielen.

In der Farm to Fork-Strategie der Europäischen Kommission soll der Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft ohnehin um die Hälfte reduziert werden. Veterinärmediziner und Bauernvertreter fürchten, dass der Behandlungskoffer leer wird.

Die Infekttherapie bei den Großtieren muss in jedem Fall möglich bleiben. Die ist genauso individuell wie bei menschlichen Patienten. Die Keime verbreiten sich dort, wo massenhaft Tiere auf engem Raum beeinander sitzen. Dafür wird es bessere Lösungen brauchen.

Welche sehen Sie?

Ein Weg ist sicher die Impfung. Pneumokokken-Erkrankungen lassen sich damit zum Beispiel stark einschränken. Leider Gottes gibt es aber keine Impfung gegen jene Bakteriengruppen, die wirklich hochresistent werden können. Letztendlich wird vieles also nur über eine Veränderung der Haltungsbedingungen gehen.

Braucht es mehr Kontrolle für den Verkauf von Medikamenten über den Veterinärbereich?

Natürlich besteht die Gefahr, dass jemand eher etwas verordnet, wenn er auch am Verkauf interessiert ist. Im Humanbereich hat der Apotheker da eine gewisse Kontrollfunktion. Die Frage ist, wie man das im Veterinärbereich sinnvoll trennen könnte.

In Europa ist der Einsatz von Antibiotika zur Leistungssteigerung verboten. International wird das noch angewendet. Müsste man den Import solcher Produkte verbieten?

Natürlich. Leistungssteigerung darf nichts mit Antibiotika zu tun haben. Aber wie will man kontrollieren, was in Brasilien an Medikamenten eingesetzt wird?

Landwirte hantieren direkt mit kranken Tieren und verbringen viel Zeit im Stall. Setzen sie sich damit einem höheren Risiko aus, mit resistenten Bakterien infiziert zu werden?

Das ist erwiesen. Wenn sie in Holland mit einer Infektion in ein Spital gehen und der Arzt erfährt, dass sie ein Schweinebauer sind, landen sie sofort im Isolierzimmer, um zu verhindern, dass sie resistente Staphylokokken aus dem Stall weitergeben.