„Die Tage von Glyphosat in Europa sind gezählt“
„Und damit auch jene für den Import von Gensoja“, meint Österreich einziger praktizierender Landwirt in EU-Parlament und Imker, Thomas Waitz. Österreich täte gut daran, schon heute Vorkehrungen für eine Landwirtschaft ohne Glyphosat im Pflanzenbau und Glyphosat-belastete Futtermittel zu treffen.
Diesen Eindruck samt seiner Prognose nehme er aus den jüngsten Diskussionen im Sonderausschuss zu Pestiziden des EU-Parlaments mit, erklärte der Abgeordnete der Grünen. Die im Vorjahr bis 2022 verlängerte Zulassung von Glyphosat in der EU trotz Krebswarnung der UN-Weltgesundheitsorganisation WHO habe den Diskussionsprozess ausgelöst und den Sonderausschuss im EU-Parlament erwirkt.
Die europäische Nachfrage nach mit Glyphosat behandelten Futtermitteln aus Übersee sei infolge der Wiederzulassung von Glyphosat ungebrochen hoch. Rund dreißig Millionen Tonnen Gen-Soja fließen jedes Jahr in die Futtertröge von Rindern, Schweinen und Hühnern in der EU, allen voran in der Massentierhaltung. Eine halbe Million Gen- Soja landet allein in Österreich.
Mittlerweile habe man die Schwächen des gegenwärtigen Zulassungssystems für Agrarchemie erkannt, betont auch die österreichische EU-Abgeordnete Karin Kadenbach. So fehle bis heute die verpflichtende Offenlegung aller Industriestudien zu unabhängigen Bewertung aller möglichen Gesundheitsrisiken. „Im EU-Parlament kämpfen wir nun dafür, dass die bislang geheimen Studien der Konzerne endlich von Gesetzes wegen veröffentlicht werden. Unabhängige Wissenschaftler müssen die Möglichkeit haben, die Entscheidungen der EU-Behörden zu überprüfen. Zulassungen müssen auf Basis eindeutig überprüfbarer wissenschaftlicher Belege erfolgen.“
Was im Vorjahr noch am Widerstand der EU-Kommission und einzelner Mitgliedstaaten scheiterte, könnte dennoch bald Realität werden. Waitz: „Wenn in zwei Jahren das Pflanzengift Glyphosat erneut am Prüfstand steht, werden die ‚Sicherheitstudien‘ der Industrie wohl gründlicher durchleuchtet werden als das bisher der Fall war.“
Massiven Druck auf die Kommission und das EU-Parlament aufgebaut hat die Europäische Bürgerinitiative „Stop Glyphosat“, die laut einem ihrer Initiatoren, dem Umweltchemiker Helmut Burtscher-Schaden von mindestens 1, 3 Millionen Menschen unterstützt werde. Er hofft in dieser Frage auch auf den Österreichischen Vorsitz im EU-Agrarministerrat. Und auf Agrar- und Umweltministerin Elisabeth Köstinger
„Der Vorschlag für mehr Transparenz liegt nun am Tisch. Der Teufel steckt im Detail. Der Gesetzesvorschlag muss in jenen Punkten, die zu Missinterpretationen einladen, nachgeschärft werden“, so Burtscher-Schaden. Köstinger habe zugesagt, „dass sie das voranbringen möchte.“
Der Anbau von Glyphosat-resistentem Soja aus Amerika als Futtermittel für europäische Nutztiere erfolgt unter massivem Einsatz von Glyphosat. Dort seien die Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit längst verheerend, so der argentinische Umwelt- und Menschenrechtsanwalt Juan Ignacio Pereyra Queles: „Europas Hunger nach Gen-Soja“ habe „neben blindem Profitstreben von Konzernen“ dazu geführt, dass in Argentinien „Pestizide in Flüssen, im Trinkwasser, in Regen, Luft und Nahrung und auch im Blut der Menschen finden sind.“
Sein Landsmann, der Umweltmediziner Damián Verzeñassi, ebenfalls derzeit auf Aufklärungstour in Österreich ergänzt: „Seit bei uns Ende der 1990er Jahre der Anbau von Gensoja eingeführt wurde, treten in einem noch nie zuvor gekannten Ausmaß Atemwegserkrankungen, Hautkrankheiten und Hormonstörungen auf.“ Die Häufigkeit von Krebs, Fehl- und Missgeburten habe sich in den Soja-Anbauregionen „innerhalb von zehn Jahren praktisch verdoppelt.“ Über diese dramatischen Zahlen haben die beiden Experten aus Argentiníen auch Österreichs Landwirtschafts- sowie das Gesundheitsministerium informiert.
BERNHARD WEBER