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Wenn der Acker digitalisiert wird

Um innovative Technologien und Trends ging es beim Landtechnik-Fachtag in Wieselburg. Vermutlich die spannendste Veranstaltung im Rahmen der diesjährigen Wintertagung des Ökosozialen Forums.

Während am Eröffnungstag, traditionell der Agrarpolitik gewidmet, im Austria Center Vienna wenig visionäres Geplänkel verschiedenster Interessenvertreter vor der üblichen Vielzahl an bemühten Bauernbund- Mandataren, geschäftigen Verbandsfunktionären und Behördenvertretern dominierte, zeigten zwei Tage später – leider vor weit weniger Publikum, darunter aber viele Praktiker – Vertreter der Agrartechnikbranche auf, in welche Richtung die Reise der Landwirtschaft wirklich geht.

So beschrieb etwa Andreas Klauser, Präsident von Case IH und Steyr und als solcher einer der einflussreichsten Agrartech-Manager weltweit, welche Optimierungsschritte am Acker heute längst Realität sind – dank immer effizienterer Technologien an und rund um Traktoren, dank Rechnersteuerung über Satelliten samt Digitalisierung und aktuellster Telematics-Datenauswertung.

Auch könnte das immer präzisere Arbeiten bei Bodenbearbeitung und Aussaat, Düngung und Pflanzenschutz bis hin zur Ernte schon bald von unbemannten Traktoren bewerkstelligt werden. Dieses schließt Klauser zumindest für Großbetriebe nicht aus – auch wenn dafür noch die große Hürde der Versicherungs- und Straßenverkehrsgesetze genommen werden müsse – was noch Jahre dauern dürfte.

Big Data: Von der High-Tech-Mechanisierung der (autonomen) Großmaschinen profitieren würden mittelfristig auch mittlere und kleine Betriebe, durch immer raschere Adaptierungen. Klausers Resümee: „Smart farming-Lösungen mit zentimetergenauem Arbeiten erleichtern am Ende das Leben aller Bauern, weil man Kosten spart und sie Stress bei Arbeitsspitzen vermeiden helfen.“

Am Problem der weithin nur lückenhaften Vernetzbarkeit der Systeme werde gearbeitet, damit sich die Zahl der vielen unterschiedlichen Monitore in der damit vollgepflasterten Traktorkabine wieder reduziere. Die sei nämlich längst „ein Sicherheitsproblem“, so Roman Braun vom Maschinenring OÖ. Die steigende Zahl kleiner Bildschirme behindert die Aussicht vor dem Lenkrad.

Bald fast so wichtig am Acker wie Traktoren samt Anbaugeräten und Erntemaschinen sind auch Drohnen, vor allem zur Erhebung der Produktionsbedingungen. Dabei sei deren Potential noch lange nicht ausgeschöpft, berichtete Jörg Ruppe aus Deutschland. Dessen Firma hat sich auf die Überflug-Technik im Agrarbereich spezialisiert. Daten von Satelliten und Drohnen nutzt auch die Firma Vista. Geschäftsführerin Heike Bach hat die Bedeutung des EU-Copernicus- Erdbeobachtungsprogramms frühzeitig erkannt. Seit drei bzw. einem Jahr liefern die Satelliten „Sentinel-2“ laufend aktuelle Daten über täglich bis zu 100 Million Hektar Agrarland. Die Überflugdaten werden je nach Witterung alle paar Tage aktualisiert – und mit Erhebungsdaten vom Boden verknüpft und ausgewertet.

Smart Data: Die fortschreitende Digitalisierung dieser Daten sorgt für immer unglaublichere Prognosemodelle bei Düngung oder Pflanzenschutz. Und für noch vor wenigen Jahren ungeahnte Möglichkeiten der Kommunikation zwischen Bauern, Verarbeitern und Konsumenten. Überflugs-, Boden- und Wetterdaten ermöglichen punktgenaue Einstellungen für die Agrarchemie-Ausbringung. Sensoren an Traktoren und Anbaugeräten machen den wechselnden Druck aufs Gaspedal durch den Landwirt überflüssig. Selbst das Erntegut lässt sich bis zur Scholle zurückverfolgen, für Konsumenten immerhin bis zum Bauernhof.

All das verursacht aber auch neue Problemstellungen und Fragen, von der Datensicherheit bis zum dafür notwendigen, auch in Österreich nachhinkenden Breitbandausbau. Beispiele gefällig? Auf schnelles Internet mit 100 Mbits/Sekunde können derzeit rund 250.00 von 709.000 Haushalten in Österreich zugreifen. Bis 2019 sollen es knapp 350.000 sein. Ob Dörfer vorrangig bedingt werden darf ruhig bezweifelt werden.

Ackerbau-Prognose-Modelle zur Online-Anwendung für Landwirte werden überwiegend von Großkonzernen finanziert. Das erinnert an den von vielen Bauern gerade auch deshalb abgelehnten Genpflanzen-Anbau, primär wegen der Abhängigkeit von Pflanzenschutz und Düngung, abgestimmt auf spezielles Saatgut.

Auch die Ausführungen von Claas-Projektmanager Wolfgang Meyer sind relevant – und stimmen nachdenklich: Nicht nur, dass Lohnunternehmer nun mittels Computer den Weg ihrer Maschinen optimieren und dokumentieren können. „Big Data ermöglicht es, ungenutzte Maschinenleistungen oder bis zu 40 Prozent Leistungsunterschied der Lohn-Fahrer auf zwei gleichen Mähdreschern aufzuzeigen.“ Das gilt auch für die automatische Dokumentation von Tags- und Kampagnenreports.

Bad Data: Vor diesem Licht erscheint die unzulässige Aufzeichnung vermeintlich zu vieler Toilettenpausen von Büro- und Handelsangestellten fast harmlos. Also eher „Bad Data“. Möglicherweise gilt für den Landwirt in naher Zukunft, dass ihm morgens nicht mehr seine Frau, sondern Laptop-Alexa mittels charmanter Stimme erklärt, was am Hof zu tun ist. Aber Achtung! Warnhinweis: „Produktions- und Fahrfehler verzeiht Dir niemand – schon gar nicht Dein (Bord-)Computer.“

Dafür meint Alexa: „Es geht noch mehr! Schau einfach mal in Deinen Kampagnereport! Du hast Deine Ertragsziele diesmal nur zu 45 Prozent erreicht. Die automatische Fehleranalyse ging bereits an Deinen Kontrakter.“

„Digitalisierung wird passieren, ob man dafür ist oder dagegen“, lautete der allgemeine Tenor des Fachtages. Spannend ist das Thema allemal. Vielleicht 2019 auch für Politiker, Verbandsfunktionäre und Behördenvertreter.

BERNHARD WEBER