Vier-Punkte-Agrarprogramm von Kurz und Köstinger
Gerade mal zwei Seiten stark ist das „Agrarkapitel“ im Wirtschaftsprogramm von ÖVP-Kanzlerkandidat Sebastian Kurz, das gestern von dessen Generalsekretärin Elisabeth Köstinger vorab in der „Kronenzeitung“ angekündigt wurde. Eine Forderung lässt aufhorchen: ein „Anti-Gentechnik-Rabatt“ für Österreichs Landwirte. Dem Bauernbund fehlen dazu vorerst die Worte.
In der BLICK INS LAND vorliegenden Doppelseite der Agrarpläne unter dem Motto „Landwirtschaft zukunftsfit halten“ heißt es konkret: „Österreich steht für landwirtschaftliche Produkte auf höchstem Niveau – und diese Positionierung sollten wir weiter ausbauen. Wir stehen zur Gentechnikfreiheit unseres Heimaltlandes und müssen uns auch in der EU für die Schaffung eines gentechnikfreien Europas stark machen. Das können wir nur mit den entsprechenden finanziellen Anreizen schaffen. Deshalb sollte es für jene EU-Mitgliedsstaaten, die sich ebenfalls der Gentechnikfreiheit verschrieben haben, einen ‚Anti-Gentechnik-Rabatt‘ geben.“
Zudem müsse eine „europäische Agrarpolitik auch in Zukunft sicherstellen, dass Familienbetreibe überleben können und faire Preise für ihre Produkte bekommen“, heißt es in dem Grundsatzpapier. Dazu soll „das Förderwesen vereinfacht und Bürokratie abgebaut werden.“ Eine jahrzehntealte Forderung, die Österreichs Bäuerinnen und Bauern bekannt sein sollte und ebenso lang auf Umsetzung wartet.
Zweiter „Schwerpunkt“ im Vier-Punkte-Bauernprogramm der neuen ÖVP-Riege ist die Modernisierung der Landwirtschaft: „Unter den Schlagworten Bauernhof 4.0 und Smart Farming sollen Rahmenbedingungen für eine stärkere Digitalisierung und Nutzung von Daten in der Landwirtschaft geschaffen werden“, durch Unterstützung von Pilotprojekten und mit Wahrung der Rechtssicherheit über Betriebsdaten. Stärken wollen Kurz und Köstinger auch die Direktvermarktung durch Online-Handel, „um neue Umsatzmöglichkeiten zu erschließen und übliche Handelsspannen zu umgehen“. Dafür sei „die Abgrenzung zum Online-Großversandhandel zu verbessern.“
Konkretere Angaben, wer Österreichs Bauern den Anti-Gentechnik-Rabatt gewähren soll und wie hoch dieser ausfallen könnte bleiben Kurz und sein Team vorerst schuldig. Das Programm dürfte unter Bauern bis zum Wahltag am 15. Oktober also noch für heftige Diskussionen sorgen. Von einer „gentechnikfreien Agrarproduktion“ ist Österreich noch weit entfernt.
Für die Fütterung von Schweinen werden etwa nach wie vor gentechnisch veränderte Sojabohnen aus Übersee in großen Mengen importiert. Milchproduzenten sowie die Gefügelwirtschaft haben die Fütterung ihrer Kühe und Hühner dagegen schon vor Jahren auf GVO-freies Futter umgestellt, die Milchbauern seit dem Vorjahr sogar mit Garantie auf europäische Rohstoffe. Österreichs Äcker sind ebenfalls gentechnikfrei, der Anbau von GVO-Kulturen ist verboten.
Viele Landwirte werden in den kommenden Wochen wohl noch auf konkretere Angaben zum Agrarprogramm der Kurz-Truppe pochen. Ein Agrarrabatt unter Aussparung einer Branche – der Schweinewirtschaft – dürfte im Bauernbund dagegen auf wenig Zustimmung stoßen. Ein Indiz dafür: Auch dem neuen Bauernbundpräsidenten Georg Strasser ist der Anti-Gentechnik-Rabatt in einer ersten zustimmenden Aussendung zum Agrarprogramm der Liste Kurz keine Erwähnung wert.