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Gentechnik: Verrat an Bauern?

 

Trilog-Einigung zur Neuen Gentechnik: Ein Verrat an legitimen bäuerlichen Interessen bei Patenten, Gesundheit, Umwelt und Rechten auf Transparenz

Diese Woche haben sich die Vertreter der drei EU-Institutionen im Trilog darauf geeinigt, die Gentechnik-Deregulierung in Bezug auf die Neue Gentechnik (NGT) anzunehmen. Die Europäische Koordination Via Campesina (ECVC), die die Interessen der Kleinbauern vertritt, kritisiert diesen Deal scharf, denn er ignoriert die berechtigten Interessen von Bauern, insbesondere zu Patenten, völlig.

Position des Europäischen Parlaments ignoriert

Das Europäische Parlament hat anfangs die eigene Positionierung vom Februar 2024 anerkannt, in der festgehalten wurde, dass Patente problematisch sind und in der eine Beschränkung des Anwendungsbereiches von Patenten vorgesehen war, um die Ausweitung auf traditionelles und bäuerliches Saatgut zu verhindern. Aber die Verhandlerin des Parlaments, Frau Polfjärd, hat dies nicht mehr in Betracht gezogen.

Diese wichtigen Forderungen wurden während des Trilogs vollständig unter den Tisch gekehrt. In der Einigung sind dann nur mehr optionale Maßnahmen übrig geblieben, etwa ein nicht bindender Verhaltenskodex für die Lizenzierung und für freiwillige Transparenz. Das lässt alle Bauern, kleine Saatgutunternehmen und -erzeuger, sowie -händler ohne irgendeine Schutz- und Handlungsmöglichkeiten zurück, sollte es zu Kontaminierungen kommen.

Die Einigung im Trilog beruft sich darauf, dass patentierbare Pflanzen, die mit Methoden der Neuen Gentechnik erzeugt wurden, nun mit Pflanzen aus traditionellen und nicht patentierbaren Züchtungsmethoden gleichzusetzen sind. Indem die aktuelle Verpflichtung zur Veröffentlichung der Nachweis- und Identifizierungsmethoden für GVO-Merkmale beseitigt wird, kann zukünftig der Anwendungsbereich von NGT-Patenten auf Saatgut und landwirtschaftliche Erzeugnisse ausgeweitet werden, die von Natur aus dieselben Merkmale aufweisen.

Diese Maßnahmen sind völlig nutzlos, um Bauern und andere Akteure der Agrar- und Ernährungswirtschaft vor den mit Patenten verbundenen Risiken zu schützen, insbesondere vor missbräuchlichen Klagen wegen Patentverletzung. Solche Klagen werden unvermeidlich sein, wenn alle Rückverfolgbarkeitsanforderungen aufgehoben werden, und werden zur Privatisierung aller Kulturpflanzen durch das Patentmodell führen, einschließlich traditionellem und bäuerlichem Saatgut.

Die Vereinbarung sieht vor, patentierte GVO-NGTs ohne Rückverfolgbarkeit zu deregulieren, ohne der Verpflichtung zu Nachweis- und Identifizierungsmethoden[1], ohne obligatorische Koexistenzmaßnahmen, ohne Kennzeichnung für Endprodukte und ohne die Möglichkeit für Mitgliedstaaten, sich dagegen zu entscheiden.

Dieser Vorschlag trägt in keiner Weise dazu bei, eine Kontamination der Biolandwirtschaft zu verhindern, obwohl dies durch die Bio-Verordnung strengstens verboten ist und von den Verbrauchern breit abgelehnt wird. Einige Anforderungen der aktuellen GVO-Gesetzgebung werden weiterhin für GVO-NGTs der „Kategorie 2“ gelten, aber wir wissen bereits, dass die überwiegende Mehrheit der NGTs in die „Kategorie 1“ fallen wird, die vollständig dereguliert wird. Kurz gesagt, diese Vereinbarung würde Bauern und Verbrauchern das Recht nehmen, weiterhin gentechnikfrei anzubauen und sich gentechnikfrei zu ernähren, und würde das wirtschaftliche Überleben der etablierten gentechnikfreien und ökologischen Agrar- und Lebensmittelsektoren in Europa gefährden.

Geschenk an Agrarindustrie, schwerer Schlag für alle anderen

„Dieses Abkommen kommt ausschließlich großen multinationalen Patentinhabern wie  zugute, die mit ihren Patenten die Kontrolle über das gesamte Saatgut und die gesamte Lebensmittelkette erlangen werden. Für alle anderen, also Bauern, kleine und mittlere Züchter sowie Verbraucher, bedeutet es eine schwere Niederlage.

Die Hauptmotivation hinter dieser Deregulierung ist es, das Patentmodell in Europa durchzusetzen und denjenigen, die sie nicht wollen, die Gentechnik (GVOs) aufzuzwingen“, sagte Alessandra Turco vom Koordinierungs-Komitee der ECVC. „Patente sind ein Instrument, um den Zugang zu genetischen Ressourcen zu kontrollieren, mit dem Ziel, den Saatgutmarkt zum Vorteil großer Unternehmen umzustrukturieren. Wenn dieses Abkommen zustande kommt, wird es zu einer monopolhaften Konzentration des Marktes, zum Verschwinden kleinerer Saatgutunternehmen, zu einer weitreichenden Privatisierung genetischer Ressourcen und zu einer irreversiblen Verringerung der Agrobiodiversität sowie zu einem Anstieg der Saatgutpreise führen.“

Entscheidung noch nicht fix: Das Parlament muss diesen Beschluss stoppen!

Glücklicherweise ist die finale Entscheidung noch nicht gefallen: Diese so rückschrittliche Trilog-Vereinbarung ist lediglich das bisherige Ergebnis der Verhandlungen zwischen dem Ratsvorsitz und den Verhandlungsführern des Parlaments und der Kommission.

Nun muss sie noch von allen Mitgliedern des Europäischen Parlaments (MdEP) und allen Mitgliedstaaten gebilligt werden. Die ECVC fordert alle MdEP und Mitgliedstaaten auf, die berechtigte Kritik der Bauern, der Akteure der Agrar- und Lebensmittelkette und der Verbraucher anzuhören und diesen gefährlichen Text abzulehnen.

Die ECVC spricht im Namen der vielen europäischen Bauern, die keine patentierten GVO-NGTs verwenden wollen und müssen und die ihre Kulturen bereits an den Klimawandel anpassen und den Einsatz von Agrar-Chemikalien durch bäuerliche Züchtung und den Einsatz lokal angepasster Kulturen reduzieren, ohne auf teure patentierte GVOs angewiesen zu sein. Die ECVC fordert daher alle Mitglieder des Europäischen Parlaments auf, ihr starkes Engagement gegen Patente aufrechtzuerhalten und keinen Vorschlag zu unterstützen, der die Ernährungssouveränität Europas und die Rechte der Bauern untergräbt.