Foto: Adobe Stock

Zwist um den Anschluss ans 21. Jahrhundert

Der Unabhängige Bauernverband Niederösterreich sieht die Rechte von Grundeigentümern bei der Verlegung von Glasfaserkabeln gefährdet. Damit die nötige Infrastruktur geschaffen werden kann, ist allerdings die Mitwirkung der Bauern nötig.

Karl Grünling sieht sich als Kämpfer für den Bauernstand. Er habe es sich angewöhnt, Dinge zu hinterfragen, meint der Ziegenbauer aus Weistrach im Bezirk Amstetten. So ist er auf das Thema Glasfaser gestoßen, auch wenn ihn das am eigenen Betrieb nur peripher betrifft. „Im Gemeinderatswahlkampf wurde der rasche Ausbau von der ÖVP besonders gelobt. Möglich wird der aber nur, weil über bäuerlichen Grund gegangen wird.“ Die Projektwerber legen den Eigentümern dazu Vereinbarungen vor, die diesen das Recht auf die Verlegung einer Leitung gemäß Telekommunikationsgesetz einräumen.

Die Vertragsinhalte fallen dabei augenscheinlich recht spartanisch aus. „Ich habe ein solches Dokument einem befreundeten Juristen vorgelegt, der gemeint hat, dass das ein Blankovertrag ist, wie er ihn lange nicht gesehen hat.“ So sei den Grundbesitzern zum Beispiel nicht bewusst, dass sie selbst für Schäden an den Kabeln, aber auch für wirtschaftliche Folgen haften. Bei tiefem Grubbern oder Grabarbeiten seien solche durchaus möglich. „Bei einer Hauszuleitung wird das nicht so schlimm sein, aber wenn ein ganzes Gewerbegebiet dranhängt, kommen rasch horrende Summen zusammen, die die Versicherung nicht mehr trägt“, argumentiert der Weistracher.

Zugleich würden die Eigentümer dazu gedrängt, auf die eigentlich gesetzlich garantierte Entschädigung zu verzichten. „Da wird dann gesagt, Du bist der Einzige, der das nicht unterschreibt.“ Man behindere die Schaffung von Infrastruktur unnötig, wird laut UBV denjenigen vorgeworfen, die nicht einverstanden sind. „Die Betreiberfirmen sind oftmals AGs und zahlen jährlich Dividenden in Millionenhöhe an ihre Aktionäre aus. Eine eigentlich gesetzlich verankerte Abgeltung der Grundeigentümer wird jedoch mit dem Vorwand der Unfinanzierbarkeit abgelehnt“, argumentiert Landesobmann Herbert Hochwallner. Er legt Wert auf die Feststellung, dass man nicht gegen den Glasfaserausbau ist. „Wir wollen nur aufzeigen, dass die Verträge inakzeptabel sind.“

Der Obmann der Bezirksbauernkammer Amstetten, Andreas Pum, sieht dieses Problem nicht. „Sonst hätten wir viel mehr Gegenwind“. Die überwältigende Mehrheit der Bauern sei froh, dass die Technologie endlich auf ihre Höfe komme, und würde ihre Grundstücke dafür zur Verfügung stellen. „Glasfaser wird eine Basisinfrastruktur werden, wie Wasser, Strom oder Telefon. Die Bauern warten auf die Anschlüsse. Billiger werden wir sie nicht mehr bekommen.“ Immerhin sei sein Bezirk eine Pilotregion im Rahmen der Infrastrukturmilliarde des Bundes gewesen, so Pum weiter. „Mit dem Geld, das wir dabei abholen konnten, hat der Ausbau auch dort funktioniert, wo er sonst nie möglich gewesen wäre. Nach zwei Jahren haben nur noch fünf Prozent der Betriebe keinen Anschluss. Und diesen noch freien Gebieten gilt in den kommenden Jahren unser vollster Einsatz.“

Kritiker Karl Grünling nimmt die Sache nicht so locker: „Wenn wir schon auf unsere Ansprüche verzichten sollen, dürfen wir unseren Nachfolgern nicht Verpflichtungen aufbürden, die diese in 30 oder 50 Jahren noch belasten, wie zum Beispiel ein kostenloses und immerwährendes Zutrittsrecht auf die Grundstücke zur Erweiterung oder Reparatur der Glasfaserleitungen.“ Der UBV hat deshalb einen Antrag in der Vollversammlung der Landwirtschaftskammer Niederösterreich eingebracht, in dem die Interessensvertretung unter anderem aufgefordert wird, einen Anhang zu erstellen, in dem die Grundeigentümer von Schadenersatzansprüchen und Klagen entbunden und abgegolten werden. „Denn die Landwirte sollen für Leitungen Haftpflichtversicherungsprämien zahlen, damit Konzerne und Investoren fette Gewinne erwirtschaften können“, zürnt Herbert Hochwallner.

Dieses Ansinnen wurde von der Bauernbund-Mehrheit abgelehnt. Die LK-Rechtsabteilung stellt die Sinnhaftigkeit von Musterverträgen ohne nähere Kenntnis des Einzelfalles auf Anfrage generell in Frage. „Beim Breitbandausbau agieren sehr viele unterschiedliche Player am Markt, die – auch unter Berücksichtigung lokaler Verhältnisse – jeweils eigene Verträge vorlegen.“ Man verspricht den Mitgliedern aber individuelle Vertragsdurchsicht.

Zum Thema Abgeltungen gibt sich Kammerpräsident Johannes Schmuckenschlager betont neutral: „Das Telekommunikationsgesetz sieht eine der eintretenden Wertminderung entsprechende Abgeltung grundsätzlich vor.“ Die LK weise auf diesen Entschädigungsanspruch ausdrücklich hin. „Ob der betroffene Grundeigentümer diesen Rechtsanspruch auch mit Nachdruck einfordert oder aufgrund anderer Erwägungen darauf verzichtet, ist die individuelle Entscheidung jedes Einzelnen.“ Es gebe somit keine generelle Empfehlung, auf die Entschädigung grundsätzlich zu verzichten. Im Einzelfall werden geplante Routen dem Vernehmen nach dann umgeplant. Das ist allerdings mit Kosten verbunden, die den, unbestritten dringend nötigen, Breitbandausbau jedenfalls verteuern.

STEFAN NIMMERVOLL