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Veggie-Verbot verkauft Konsumenten für blöd

Er ist der „Genusskoarl“: KARL SEVERIN TRAUGOTT hat mit fermentierten Würzsaucen und -pasten ein kleines, feines Unternehmen aufgebaut und ist erster Lizenznehmer des Bio Austria-Vegan Logos.

Veganer gelten gemeinhin als militant. Ein Großteil ihrer Produkte ist vegan. Sind Sie radikal?

Nein. Ich bin für ausgewogene Ernährung. Wenn man sich für eine so spezielle Ernährungsform entscheidet, muss man sich gut damit auseinandersetzen, was man zu sich nimmt. Mir ist wichtig, dass die Produkte eine hohe Qualität haben.

Leben Sie selber vegan?

Nein, ich bin Flexitarier.

Erleben Sie pseudoreligiöse Ansichten in der Vegan-Szene?

Es gibt so viele unterschiedliche Beweggründe, warum Leute zu der Entscheidung kommen, vegan zu leben. Für manche steht Tierwohl im Vordergrund, für andere die Umwelt oder die Gesundheit. Ich finde, jede Entscheidung, die bewussteres Essen fördert, ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Sie seit 2016 als „Genusskoarl“ in der Szene unterwegs. Wie hat sich das Marktumfeld seitdem verändert?

Die Zahl der Produkte ist definitiv immer mehr geworden. Wo ich mir als Lebensmitteltechnologe an den Kopf fasse, ist wie die Vegan-Sache aufgerollt wird. Die ganzen hochindustriellen Nachbauten von Fleisch und die völlig verrückte Debatte darüber, ob ein Würstel vegan sein kann, schießen völlig am Ziel vorbei.

Verstehen Sie, dass die Agrar-Lobby in Brüssel Bezeichnungen wie „Veggie-Burger“ verbieten will?

Beim besten Willen nicht.

Gibt es überhaupt Leute, die sich im Glauben Fleisch einzukaufen, Ersatzprodukte ins Körberl gelegt haben?

Nein. Diese Produkte schreien Dich ja an „Ich bin vegan!“. Da verkauft man den Konsumenten für völlig blöd. Und wenn dann kann man in den Supermärkten immer noch einen eigenen Fleisch-Bereich und einen für pflanzliche Produkte machen.

Warum geht man politisch dann so stark gegen vegan an?

Die Politik reagiert oft auf wirtschaftliche Interessen und gesellschaftlichen Druck. Wenn sich Ernährungsgewohnheiten verändern, fühlen sich manche Branchen bedroht. Da wird dann schnell Stimmung gemacht, anstatt Chancen zu sehen. Die Politik sollte sich mehr an wissenschaftlichen Empfehlungen hinsichtlich einer ausgewogenen Ernährung richten und ihre Förderungen dementsprechend ausrichten.

Also muss Fleisch jedenfalls eingeschränkt werden?

Jeder muss für sich selbst entscheiden, welchen Weg er gehen möchte. Aus gesundheitlicher Sicht ist es sicherlich ratsam, den Fleischkonsum zu reduzieren. Das Ziel muss eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung sein, idealerweise aus regionaler Produktion.

Hochverarbeitete Industrieprodukte mit Palmöl und aus irgendwo sind aber auch nicht unbedingt nachhaltiger.

Vegan bedeutet leider nicht immer gleich nachhaltiger oder gesünder. Viele Industrieprodukte – egal ob vegan oder nicht – sind stark verarbeitet. Für mich zählt, dass ein gutes Lebensmittel aus möglichst wenigen, natürlichen und bestenfalls regionalen Zutaten besteht.

Wird bei der Bekämpfung von Veggie-Wurst außer Acht gelassen, dass auch vegane Rohstoffe von der heimischen Landwirtschaft zur Verfügung gestellt werden können?

Absolut. In Österreich sind wir da ohnehin gesegnet: Wir essen 50 Prozent unserer Sojabohnen direkt als Lebensmittel und nicht über den Umweg eines Schnitzels. International sind es nur zehn Prozent.

Laut RollAMA wurde im ersten Halbjahr 2025 wieder mehr Fleisch eingekauft. Ist das nicht ein Zeichen für eine Trendumkehr?

Nein. Ein Ausreißer ist noch kein Trend. Das müsste man über einen längeren Zeitraum beobachten.

Die Zunahme der Zahl der Veganer stagniert jedenfalls. Wird vielleicht doch zu viel Brimborium um eine Minderheit gemacht?

Nein, ich denke nicht. Die Industrie versucht über die Veganer die Flexitarier und die Vegetarier abzuholen. Über die Diversifizierung der Ernährung wachsen Produktsegmente wie zum Beispiel der eiweißreiche Tofu unglaublich.

Wie wichtig ist für Sie ein Logo, wie es Bio Austria für vegane Produkte anbietet?

Mir war wichtig, dass man nicht nur sagt, wofür man steht, sondern es auch belegen kann. Mit dem Logo können wir zeigen: Unsere Werte sind geprüft und nachvollziehbar.

Karl Serverin Traugott stammt ursprünglich aus Salzburg und Lebensmittelwissenschaften und Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur studiert. 2016 hat er „Genusskoarl“ gegründet. Mittlerweile ist das Unternehmen im Wirtschaftspark Wolkersdorf angesiedelt.

Interview: STEFAN NIMMERVOLL