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Auch in Tirol wuchert der Bodenfraß

 

Österreich ist beim Bodenverbrauch im Eiltempo unterwegs: Allein in den letzten 20 Jahren wurden 130.000 Hektar Äcker und Wiesen verbaut – das entspricht der Agrarfläche des Burgenlandes. Eine nationale Bodenschutzstrategie ist deshalb in Ausarbeitung. LK-Präsident Josef Hechenberger fordert zum Schutz der wertvollen Flächen, dass diese rasch beschlossen wird: „Industrie, Gewerbe, Handel, Verkehr, Wohnraum – viele Sparten benötigen für ihre Weiterentwicklung Grund und Boden. In den letzten Jahrzehnten sind wir viel zu sorglos mit dem Flächenverbrauch umgegangen, Österreich hat europaweit die höchste Dichte an Supermärkten und auch das Straßennetz ist extrem ausgebaut. Daher braucht es jetzt ein Umdenken, damit der rasante Verbrauch nicht in diesem Ausmaß weitergeht, denn die Rechnung dafür bekommen die nächsten Generationen präsentiert.“ Hechenberger spielt damit auch auf die immer extremeren Wetterereignisse an: „Wir brauchen unverbaute Flächen, sie sind unsere Versicherung im Kampf gegen den Klimawandel. Beispielsweise kann ein Quadratmeter Grünland bis zu 200 Liter Niederschlag je Meter Tiefe aufnehmen. Gerade in Tirol ist der Druck auf die landwirtschaftlichen Flächen hoch. Die Ausweisung der landwirtschaftlichen Vorsorgeflächen war ein wichtiger Schritt, der aber leider nicht ausreicht. Es braucht auch bundesweit das Bekenntnis für strengere Richtlinien.“

Etwa ein halber Hektar Naturfläche wird in Tirol jeden Tag verbaut. Das entspricht jährlich in etwa der Größe des Heiterwanger Sees. Wie der Vorstandsvorsitzende der Österreichischen Hagelversicherung, Dr. Kurt Weinberger, warnt, hat der fortschreitende Bodenverbrauch negative Folgen: „Tag für Tag gefährden wir die heimische Lebensmittelversorgung, weil fruchtbares Agrarland verbaut wird. In Siedlungsnähe steigt das Überschwemmungsrisiko, weil die Äcker und Wiesen bei Starkniederschlägen kein Wasser mehr speichern können.“ Die negativen ökologischen Effekte, die durch den Bodenverbrauch entstehen, sind noch zahlreicher: „Lebensraum für Mensch, Tier und Natur geht unwiederbringlich verloren. Bis sich ein Zentimeter Humus neu bildet, dauert es etwa 100 Jahre. Durch den zunehmenden Straßenbau werden Landschaften zerschnitten und die Ausbreitung und Wanderung von Tieren und Pflanzen unterbunden. Und wie sich die Zersiedelung mit den Betonwüsten und Asphaltflächen auf ein Tourismusland wie Tirol auswirkt, das bedarf keiner weiteren Erklärung“, so Weinberger.

Faktum ist: Es braucht dringend eine Trendumkehr beim Bodenverbrauch, wobei eine Maßnahme alleine nicht ausreichend ist. Vielmehr ist nach den Prinzipien Vermeiden, Wiederverwerten und Minimieren ein Maßnahmenbündel inkl. fiskalischen Aspekten erforderlich, um das Klima und die Umwelt zu schützen, die Biodiversität aufrechtzuerhalten und die Lebensmittelversorgung sicherzustellen. In dem Zusammenhang muss auch die Frage gestattet sein, ob die gegenwärtigen Steuern auch richtig steuern. „Bei der Kommunalsteuer, die auf Gemeindeebene eingehoben wird, sage ich ‚Nein‘“, so Weinberger. „Jeder Bürgermeister hat ein Anreizsystem, Genehmigungen für Gewerbezentren zu erteilen, weil er daraus Einnahmen lukriert. Daher haben wir auch die höchste Anzahl an Supermärkten in der EU und daher sind die Lebensmittelpreise bei uns auch um 15 Prozent höher. Wir bezahlen also beim Einkauf für eine falsche Raumordnung. Die Lösung: Die Kommunalsteuer muss als Bundessteuer eingehoben und im Zuge des Finanzausgleichs an (ökologische) Kriterien gekoppelt verteilt werden. Weiters muss das jetzige zahnlose System der Flächenwidmungsabänderung auf Landesebene durch einen weisungsfreien Raumordnungsbeirat, der für die Gemeinden die Umwidmungen genehmigt, effizienter und unabhängiger geregelt werden. Aber auch eine verpflichtende interkommunale Teilung des Kommunalsteueraufkommens kann helfen, Anreize für Umwidmungen zu verringern und die Zersiedelung einzudämmen. Gegenwärtig werden ja bauwütige Gemeinden mit ihren Gewerbeparks beispielsweise mit der Kommunalsteuer belohnt, dabei sollen doch bodenschonende Gemeinden honoriert werden. Zusammenfassend: Laut einer aktuellen WIFO-Studie braucht es neben raumplanerischen Maßnahmen auch steuerliche Aspekte, um die schleichende Zerstörung unseres Naturraumes in der jetzigen Form zu bremsen und den Agrarstandort zu bewahren. Denn eines ist klar: Von Stahl und Beton können wir nicht abbeißen!“