MEINE PERSPEKTIVEN

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Eigenverantwortung abgeschafft?

Das „Kuh-Urteil“ hat in den letzten Wochen für große und berechtigte Empörung gesorgt. Ein Almbauer wurde zu einer Geldstrafe von rund 500.000 Euro verurteilt, weil eine Touristin, die einen Hund mit sich geführt hat, auf einem Wanderweg durch eine seiner Mutterkühe zu Tode gekommen ist. Es steht völlig außer Frage, dass so ein Todesfall tragisch ist. Das soll man nicht kleinreden. Für den betroffenen Landwirt und seine Familie kann das aber das Ende seiner materiellen Existenz bedeuten.
Das Unverständnis für dieses Urteil geht dabei weit über diesen konkreten Fall und die direkt betroffene Land- und Almwirtschaft hinaus. Große Teile der Bevölkerung solidarisieren sich mit unseren Landwirten und schütteln den Kopf über diese Entscheidung. In den sozialen Medien schildern viele andere Almbauern ihre Lage und befürchten ähnliche Probleme und Klagen. Aus gutem Grund stellen sie dabei auch die Frage, ob und in welchem Ausmaß sie Wege und Almen für Wanderer und Touristen noch offenhalten können.
Unabhängig von diesem Urteil gewinnt man immer öfter den Eindruck: Die Eigenverantwortung wird Schritt für Schritt abgeschafft, die Folgen daraus müssen andere tragen.
Diese Entwicklung bereitet uns aktuell auch in einem anderen Bereich große Sorge. 18 Menschen sind heuer schon von Lawinen verschüttet worden und zu Tode gekommen. Schneemassen in seltenem Ausmaß und Schneehöhen von bis zu acht Metern haben die Lawinengefahr drastisch erhöht. Rund die Hälfte aller Lawinenabgänge wird von sorglosen Wintersportlern ausgelöst, die Warnungen missachten und in gesperrte Hänge einfahren.
Vor wenigen Tagen habe ich Bundesheer, Behörden, Einsatzkräfte, Bürgermeister und Wintersportler zu einem Lawinengipfel eingeladen, um darüber zu diskutieren, wie wir den Lawinenschutz verbessern können. Im Grunde lässt sich das Ergebnis auf zwei wesentliche Punkte zusammenfassen.  Erstens: Dort, wo wir Schutzmaßnahmen setzen, wirken sie! Technische Schutzbauten, vor allem aber intakte Schutzwälder reduzieren die Gefahr für Siedlungsräume deutlich.
Zweitens: Praktisch alle Einsatzorganisationen sagen: Wir müssen wieder zu mehr Eigenverantwortung bei den Menschen kommen. Wer nicht versteht, dass eine hohe Lawinenwarnstufe nicht aus Jux und Tollerei ausgesprochen und ausgeschildert wird, der hat im alpinen Gelände eigentlich nichts verloren.
Unsere Naturlandschaften, seien es die Almen im Sommer oder die Skigebiete im Winter, sind keine Freilichtmuseen, in die man hineingeht und damit die Verantwortung an jemand anderen abgibt. Der Respekt vor der Natur und die Kenntnis von Gefahren sind der beste Schutz gegen tragische Unfälle. Dafür, dass die Almbauern nicht den Verlust ihrer Existenz durch zunehmende Klagen befürchten müssen, werde ich mit Justizminister Josef Moser den rechtlichen Rahmen prüfen und an Lösungen arbeiten. Wir werden die Bauern nicht im Stich lassen!
Die Eigenverantwortung der Menschen sollte man dennoch nicht abschaffen. Daran sollten wir alle gemeinsam arbeiten, damit ein „Miteinander“ von Landwirtschaft und Tourismus zum Wohle aller Beteiligten weiterhin möglich ist.