MARKETING Dritte ist noch immer unheimlich wert- voll, aber fast jede und jeder schaut sich den empfohlenen Betrieb mal im Internet an, bevor er ihn aufsucht. Blöd also, wenn ich dort nicht zu finden bin. Und für Kunden, die von den Produk- ten begeistert sind, aber nicht aus dem lokalen Umfeld kommen, ist eine Web- site mit Bestellmöglichkeit eine tolle Einrichtung; besonders auch in Regi- onen, wo viele Touristen auf die Höfe kommen. Gerade eine Website mit Bestellmög- lichkeit kann sich zu einer interessan- ten zusätzlichen Vertriebsschiene entwickeln. Hier braucht es zum Start auch nicht sofort eine teure E-Com- merce-Lösung, die alle Stücke spielt. Inzwischen gibt es für Webshops einfach bedienbare und gut funktio- nierende Baukastensysteme, die von Internetdienstleistern angeboten wer- den und sich schrittweise, je nach Ge- schäftsgang, erweitern lassen. Auch hier wissen Profis, was zu tun ist. Auf der anderen Seite ist es aber auch nicht so, dass man einfach eine Web- site mit einem Online-Shop ausstattet und die Bestellungen kommen ganz von alleine. Auch das ist ein Irrglaube. Im Gegenteil ist die Ernüchterung oft relativ groß, wenn zwar dreimal die Woche auf Facebook und Instagram gepostet wird, viele Likes eintrudeln, aber trotzdem nichts bestellt wird. Mit einem hohen Social-Media-Aktivi- tätenlevel wird zwar Reichweite – und wenn gut gemacht Image – generiert, aber nicht zwangsläufig Umsatz ge- macht. Ein gewisses Werbebudget für Facebook & Co. sollte schon vorhan- den sein, um dort mit eigenen Kampa- gnen zu reüssieren. 5. Ich muss mich im Verkauf auf meine eigenen Produkte konzentrieren Ich weiß bis heute nicht, wo es her- kommt, aber noch immer höre ich: „Ich muss mich im Verkauf auf meine eigenen Produkte konzentrieren.“ Das verstehe ich, wenn ich im Hofladen ei- nes Betriebs stehe, der über eine brei- te Produktpalette verfügt, weil er viele Betriebszweige hat. Aber wer hat das schon … 56 Aus der Praxis kenne ich wirklich gut florierende Hofläden in den verschie- densten Regionen, bei unterschied- lichen Betriebstypen. Wo der Laden aber so wirklich läuft, findet sich in der Regel ein Angebot, das weit über die eigenen Produkte hinausgeht. Hier gibt es die unterschiedlichsten Mög- lichkeiten der Partnerschaften und Ko- operationen zwischen Betrieben, die sich mit ihren Produkten ergänzen. Mit der Überlegung, was passt zu mei- nen Produkten, liegt man nie falsch und es lassen sich oft attraktive Pake- te schnüren, die zu einer Win-Win-Si- tuation für beide oder auch mehrere Betriebe werden. Jedes neue Produkt, das im Hofladen angeboten wird, kann die Wertschöpfung erhöhen. Die Praxis zeigt, dass es hierfür auch eine gewis- se Leidenschaft für die Sortimentsge- staltung eines Hofladens braucht und immer wieder unterschiedliche Pro- dukte ausprobiert werden müssen, um herauszufinden, was die Kunden am liebsten kaufen. Ich würde mich hier nie nur auf gute Empfehlungen alleine verlassen, sondern immer probieren. Oft genug habe ich Produkte gesehen, die in einem Hofladen wirklich schnell gedreht haben, und in einem anderen in einer anderen Region kaum nachge- fragt wurden. 6. Als Direktvermarkter brauche ich keine Betriebsstrategie, weil das Geschäft ohnehin immer gleich bleibt Oder anders gesagt: „Was soll ich schon groß machen, wir haben unse- re Produkte, und die verkaufen wir.“ Eine Sichtweise, die man sowohl bei sehr erfolgreichen Betrieben als auch bei weniger gut gehenden antrifft. Ja, diese Aussage mag für die Ersteren stimmen; aber nur wenn sie zu 100 % Stammkunden haben, die jede Wo- che fix kommen und auch nicht dem biologischen Alterungsprozess unter- liegen. Tatsächlich verändern sich die gesellschaftlichen Präferenzen in Be- zug auf Lebensmittel und Ernährung und das Konsumverhalten inzwischen so rasend schnell, dass nicht nur jeder Betrieb eine klare Strategie für die Zukunft haben sollte, sondern diese auch ständig hinterfragt werden muss. Neue Trends und sich wandelnde Er- nährungspräferenzen machen auch vor der Direktvermarktung nicht Halt. Das sollte jetzt kein Plädoyer dafür sein, sofort auf jeden Trend aufzu- springen, aber man sollte die Ent- wicklungen im Auge haben und über- legen, was wie weit für den eigenen Betrieb relevant ist. Nur weil es bei- spielsweise den Trend zu veganer Er- nährung gibt, heißt das noch nicht au- tomatisch, dass das für jeden Betrieb interessant ist. Wenn man weiß, dass Veganerinnen und Veganer vor allem im städtischen Bereich zu finden sind, dies zu rund 76% Frauen sind, vorwie- gend jung und über überdurchschnitt- liche Bildung verfügen, dann muss ich mir die Frage stellen: Sind das meine Kunden? Ganz besonders dann, wenn heute bei einem Betrieb die Übergabe an die nächste Generation ansteht, sollte – wenn nicht vorhanden – spätestens bei dieser Gelegenheit eine Betriebsstrate- gie für die Zukunft gemacht werden. Das Halten bestehender, zufriedener Kunden sollte natürlich immer Priorität haben. Daneben geht es aber auch um neue Vertriebskanäle und damit um neue Kunden und um neue Angebote, sprich neue Produkte. 7. Der Preis ist das wichtigste Verkaufsargument – und wir sind zu teuer Tatsächlich ist bei Lebensmitteln der Preis nur eines der Kaufmotive. Zugegeben ein Kaufmotiv, das in Zeiten hoher Inflation und stetiger Teuerung an Bedeutung gewinnt, aber bei Weitem nicht das einzige. In der überwiegenden Zahl der Fälle zeigt sich, wenn die Produktqualität stimmt, aber der Preis nicht akzep- tiert wird, dass andere Fehler dafür ausschlaggebend sind. Als Hauptursachen zeigen sich im- mer wieder, dass entweder das Er- scheinungsbild des Produkts und das Verkaufsumfeld nicht dem Preis entsprechen, oder die Qualität des Produkts nicht entsprechend ausge- lobt wird. Denken Sie darüber nach, bevor Sie überlegen, Ihren Preis an- zupassen. unserhof 3/2023