IM GESPRÄCH Landwirtschaft wird degradiert. Das ist eine destruktive Konfliktkultur. Wenn ich auf jemanden Schuldgefühle übertrage, dann halte ich ihn klein. Wir kommen da nur raus, wenn beide Seiten ihre Verant- wortung übernehmen. Wenn es Angriffe gibt, nützt es auch nicht, wenn Politiker hochcholerisch gegen die anderen schie- ßen. Wenn Otto Normalverbraucher fordert, wir brauchen keine Spritzmittel, dann sollte er vorher verstehen, wozu sie eingesetzt werden. Die Konfliktkultur in Österreich ist krank. Das schadet den Betrieben. Schlechtes Gewissen resultiert auch aus den auf die Landwirtschaft über- tragenen Erwartungen. Thaler: Schuldgefühle haben eine Ge- schichte. Bauern wurden immer klein gehalten. Bei Übergaben spielt das auch eine Rolle. Schuldgefühle kann man immer auflösen, indem man nicht die Frage stellt, bin ich schuldig oder unschuldig, sondern wofür bin ich ver- antwortlich und wofür nicht. Damit Bauern offensiv auftreten kön- nen, sollen sie sich mit den Mecha- nismen der Schuldzuweisung ver- traut machen! Thaler: Offensiv ist ein wichtiges Wort. Es ist wenig hilfreich, auf die Mandelmilch zu schimpfen, weil das ein Trend ist, der jetzt läuft, weil es für viele so besser passt. Der Game-Changer ist ein Umden- ken in der Landwirtschaft, dass ich bei so einer Debatte nicht mit Gegenangriff re- agiere. Akzeptieren, dass es Andersden- kende gibt. Das ist nur möglich, wenn wir reden, wenn wir den Kontakt suchen. Es ist ein fataler Fehler, sich dabei nur auf die Angreifer zu konzentrieren. Es gibt viel mehr Moderate. Können Sie sich bei allem, was pas- siert, vorstellen, dass Bauern sich mitunter wie Geächtete fühlen? Thaler: Wenn das wirklich dem aktuel- len Gefühl entspricht, dann ist es sehr konstruktiv, es einmal auszusprechen, damit die anderen verstehen können, wie sich jemand fühlt. Dass wir ehrlich sagen, wie es uns geht, das kann ich als Mediatorin nur befürworten. www.sandrathaler.com 7 Mag. Sandra Thaler ist seit 2004 ein- getragene Wirtschafts- mediatorin, spezialisiert auf Generati- onenwechsel und Füh- rungsfragen, und leitet eine Ausbil- dungsein- richtung für Mediation und Konflikt- lösungen. Foto: © Adobe Stock – PiyawatNandeenoparit Thaler: Der Druck ist enorm! Mittler- weile verstehen sich aber immer mehr Bauern als Unternehmer. Die nehmen zwar einen Druck wahr, aber sie haben auch gelernt, sich mit ihm zu arrangie- ren, indem sie Kontakt zu ihren Kun- den außerhalb der Bubble suchen. dert, ein authentisches Bild der Land- wirtschaft zu verbreiten, nur ja nicht zu verklären. Das Negative der Bubbles scheint mir zu sein, dass Diskussionen kaum blasenübergreifend geführt wer- den. Wir müssen lernen, uns mit unse- rer Unterschiedlichkeit anzufreunden. Druck erzeugt Gegendruck. Wie ist der wahrnehmbar? Thaler: Es gibt zwei Reaktionen. Eine ist, sich zu vernetzen und seine Preise zu verteidigen. Selbstbewusstsein und Selbstwertschätzung helfen dabei, Ge- gendruck aufzubauen. Der Begriff „Blase“ wird meistens nega- tiv gebraucht. Hilft nicht die Suche nach Verbündeten beim Standhalten? Thaler: Genau da ist die Landwirtschaft sehr stark. Wenns drauf ankommt, dann hält ihr Netzwerk der vielen Ver- bände sehr gut. Wir müssen auch die Schattenseiten der Blasen ansprechen. Thaler: Die andere Seite der Bubble ist eine sehr destruktive: „Immer nur hören wir, wir sind Schuldige, wir ver- pesten die Umwelt, wir werden scheib- chenweise demotiviert.“ Da sind jetzt die Vertreter der Landwirtschaft gefor- Wenn man sich Gleichgesinnte sucht, findet man sich in einer Blase wieder. Das kann man nur positiv sehen, oder? Thaler: Wenn wir es als Netzwerk se- hen, ja. Da ist die Landwirtschaft eh sehr stark. Wenn es darauf ankommt, ist der Zusammenhalt sehr stark. Aber es gibt auch die Schattenseite, die dür- fen wir nicht unter den Tisch kehren. Die Landwirtschaft wird eher kon- senssuchend wahrgenommen, wäh- rend die Zivilgesellschaft eher als konfliktsuchend erlebt wird. Neigt nicht die Gesellschaft dazu, der Landwirtschaft anzuschaffen, wie sie was zu machen habe? Da ist es normal, dass sich die Landwirtschaft wehrt. Auf Dauer kann ich mir vor- stellen, dass ich als Bäuerin oder Bauer verzweifle, weil das kein Ende zu haben scheint. Thaler: Dieses „kein Ende haben“ setzt die Eskalationsspirale in Gang. Die unserhof 2/2023