Foto: Foto: CNH Industrial

„Wir haben in die Marke Steyr viel Geld gesteckt“

Nach dem Abgang des Österreichers Andreas Klauser bei Case IH/Steyr befürchten manche, dass der Marke Steyr künftig eine geringere Bedeutung beigemessen werden könnte. Zu Recht, Herr THIERY PANADERO?

BLICK INS LAND: Sie leiten seit genau einem Jahr als Vize-Präsident von Case IH/Steyr das Geschäft für Europa, Afrika und Mittlerer Osten. Ihre erste Bilanz nach zwölf Monaten?

Panadero: Es war ein sehr spannendes Jahr in einer für mich neuem Firmengruppe, mit neuen Kollegen und Mitarbeitern in einem neuen Aufgabenfeld mit 131 Ländern. Einiges davon war mir in den ersten Monaten neu, auch weil ich bisher in Österreich, generell im deutschsprachigen Raum nicht tätig war. Die ersten Monate im heurigen Jahr sind aber für Case IH und Steyr sehr gut gelaufen, auch dank neuer Produkte.

BLICK INS LAND: Sie verfügen über langjährige Branchenerfahrungen. Was sind derzeit die größten Herausforderungen im Landtechnikhandel – allgemein und konkret für Case und Steyr?

Panadero: Die größte Herausforderung seit vielen Jahren ist die Anpassung unserer Maschinen an die immer strengeren Abgasnormen. Diese wurden seit der Jahrtausendwende um 100 Prozent verschärft. Die Traktoren müssen immer sparsamer und sauberer werden, das betrifft 80 Prozent unserer Modelle. Diese Entwicklung ist gut, aber teuer für die Hersteller und muss sich am Ende auch in leistungsstarken Produkten zu wirtschaftliche akzeptablen Preisen für unsere Kunden widerspiegeln.

BLICK INS LAND:Gibt es spezielle Herausforderungen, die den Landtechnikmarkt in Europa kennzeichnen?

Panadero: Ja, die vermehrten Marktschwankungen in den einzelnen Ländern etwa durch schwierige Ernten nach Dürre oder auch zu viel Nässe. In Spanien etwa war es lange trocken, heuer gab es im Norden wieder ausreichend Niederschlag und nach einer guten Ernte wächst die Nachfrage nach neuen Maschinen, etwa Großpackenpressen, plötzlich und sprunghaft. Da muss man dann rasch reagieren. Das Wetter wird also immer extremer, die Auswirkungen ebenfalls, die Absatzmärkte drehen sich immer schneller, im negativen wie im positiven. Wir sind in der Maschinenproduktion aber sehr flexibel.

BLICK INS LAND: Großen Konzernen mit mehreren Marken sehen sich oft mit dem Vorwurf der Austauschbarkeit ihrer Produkte konfrontiert. Worin unterscheidet sich das Case IH-Portfolio von New Holland und auch von Steyr?

Panadero: Danke für diese Frage. Durch die immer stärkeren Anforderungen an internationale Normen werden Motoren oder andere Komponenten immer gleicher und nicht nur innerhalb einer Konzerngruppe werden die gleichen Teile verbaut, nicht nur bei uns, auch bei Mitbewerbern oder in der Autoindustrie. Starke Marken unterscheiden sich aber dennoch in der Qualität der Produkte und ihrer Fertigung. Und da liegen wir bei Case IH und Steyr ganz vorne, weil wir sehr viel in Europa produzieren und zudem großen Wert auf Spezifikationen unserer Maschinen legen. Case IH richtet sich
aufgrund des breiten Produktportfolios und der innovativen Lösungen in den Segmenten der Hochleistungsfahrzeuge an professionelle Landwirte mit Fokus auf Technologie. Steyr wiederum hat viele kundenspezifische, kompakte Lösungen einschließlich Anwendungen für Forstwirtschaft und Kommunen ermöglicht.

BLICK INS LAND: Nach dem Ausstieg von Andreas Klauser, bis vor kurzem Brand-President von Case IH/Steyr, befürchten einige Händler und auch Kunden, dass Steyr im Konzernverbund wie auch dem Fabrikstandort St. Valentin künftig eine geringere Bedeutung beigemessen werden könnte. Zu Recht?

Panadero: Überhaupt nicht! (lacht). Ich bin zwar traurig, dass Andreas das Unternehmen verlassen hat, schließlich hat er mich ja zu Case/Steyr geholt. Aber der Standort Steyr hat im internationalen Fabriken-Vergleich den Silber- oder seit kurzem auch den Gold-Standard für unsere Kabinen-Produktion und wir werden weiterhin in unseren wichtigsten Europa-Standort investieren. Es gibt keinen Platz in Europa, wo wir uns wohler fühlen. Generell hängen solche Entscheidungen ja auch nicht an einer Person, sondern sind strategische Ausrichtungen eines ganzen Konzerns.

BLICK INS LAND: Vielleicht ist ja auch das Gegenteil der Fall? New Holland produziert in seinem Werk Basildon in England jährlich mehr als 20.000 Traktoren. 2016, unmittelbar nach dem Brexit-Votum, kündigte der kürzlich unerwartet verstorbene Fiat-Chef Sergio Marchionne mit dem EU-Austritt der Briten auch eine Produktionsverlagerung nach Österreich an. Laufen ab 2019 auch vermehrt blaue Traktoren in St. Valentin vom Band?

Panadero: Nein, dafür gibt es keine Pläne. Wir produzieren zwar Komponenten für unsere Schwestermarken, wie diese auch für uns, aber Traktoren aus Basildon bekommen wir nicht, auch weil die Blauen aus England bekanntlich auf der falschen Seite fahren! (lacht).

BLICK INS LAND: Einer ihrer Mitbewerber hat 2017 erstmals einen E-Traktor präsentiert, der demnächst in größerem Stil in den Verkauf gehen soll. Ist ähnliches auch bei Case/Steyr gedacht.

Panadero: Das Thema „Clean Tractor“ ist auch bei uns im Konzern aktuell, auch weil CNH Industrial in anderen Nutzfahrzeugbereichen führend ist, etwa bei umweltfreundlichen Bussen. Deshalb haben wir auch viel Know-how in diesem Bereich. Wir haben auch schon Gastraktoren, die Technologie läuft gut, aber hier hinkt die Infrastruktur auf den Betrieben noch hinterher, etwa bei Nachfüllstationen.

BLICK INS LAND: Gerade Case IH sorgt mit High-Tech-Entwicklungen in Sachen Precision Farming bis autonomes Fahren immer wieder für Aufsehen…

Panadero: Stimmt! Case IH hat vor drei Jahren den ersten autonom fahrenden Traktor präsentiert. Dieser ist zwar mittlerweile nahezu überall, weil technologisch Stück für Stück in unseren neuen Modellen integriert, aber es fehlen uns nach wie vor in Europa die rechtlichen Grundlagen im Verkehrseinsatz. Dabei sind unsere Lenksysteme so präzise wie nie zuvor.

BLICK INS LAND: Dafür braucht es aber auch die nötige Infrastruktur am Land. Von schnellem Internet bis ins letzte Dorf können viele Regionen nicht nur in Österreich aber nur träumen. Wie sehr hemmen Versäumnisse der öffentlichen Verwaltung den vollen Einsatz von Landwirtschaft 4.0?

Panadero: Das ist ein Riesenthema. Wir haben viele Millionen in ein gutes RTK-Netz investiert und können damit nun eine Super-Präzision von 1,5 cm Genauigkeit bei der Feldarbeit garantieren. Wir scheuen uns nicht vor Investitionen in diesen Bereich, aber es stimmt, auch die Staaten und andere Netzwerke sollten diesen Ausbau moderner Infrastruktur noch viel mehr unterstützen.

BLICK INS LAND: Gibt es zu Dieselmotoren bei Traktoren weiterhin auf lange Sicht keine Alternative?

Panadero: Doch, wir investieren ja laufend in die Weiterentwicklung neuer, alternativer Motorentechniken. Es braucht dazu aber auch die Kundenakzeptanz. Es ist nämlich utopisch zu glauben, neue alternative Antriebe kosten das gleiche wie ein Dieselmotor heute.

BLICK INS LAND: Gibt es spezielle Konzernbestrebungen, die Marke Steyr zu pushen? Etwa im Spezialsegment Plantagentraktoren? Warum gibt es etwa keinen rotweißroten Steyr-Weinbautraktor, obwohl der Weinbau europaweit boomt?

Panadero: Steyr ist in Zentraleuropa eine sehr aktive Marke, mit Kompakttraktoren, aber auch im Kommunalbereich, die wächst, weil auch in den vergangenen Jahren viel Geld in neue Modelle und Features gesteckt wurde. Und wir beobachten die Entwicklungen auch im Weinbau und ein mögliches Potential für Steyr genau.

BLICK INS LAND: Wie beurteilen Sie eigentlich das vermehrte Engagement von Mitbewerbern aus Fernost, sprich Japan und China, am Europäischen Traktorenmarkt?

Panadero: Mich wundert, dass diese erst jetzt, also eher spät nach Europa gekommen sind. Ich halte diese Entwicklung aber für kein großes Thema. Unser Konzern ist ja auch weltweit tätig, wir sind auch in China und Mitbewerber aus dem Reich der Mitte also gewohnt. Außerdem sind die Anforderungen der europäischen Märkte und Kunden enorm hoch, verbunden mit modernsten Technologien und hohen Volumen. Anders ist die Situation in Afrika, wo Asien mit großen Projekten stark im Kommen sind.

BLICK INS LAND:Apropos Afrika: In den 1980er Jahren wurden Steyr-Traktoren dorthin verkauft. Kein Thema mehr?

Panadero: Nein, in Afrika sind wir nur mit Case IH vertreten und haben auch keine Intentionen für Steyr. Diese Lieferungen damals waren wohl auch einem Volumenzwang geschuldet. Heute haben dank hoher Stückzahlen eine gute Werksauslastung, weil wir in St. Valentin für beide Marken produzieren.

BLICK INS LAND: Sie sind gebürtiger Franzose. Was unterscheidet eigentlich speziell französische und österreichische Landwirte beim Traktorenkauf?

Panadero: Ich war lange Zeit Manager bei Claas France. Die österreichische Mentalität ist eine gute Mischung aus deutscher Zielorientiertheit und dem gewissen Laissez-faire von uns Franzosen. Auch sind die Höfe hier doch viel Kleiner, was sich in einem Drang zu enormer Professionalität verbunden mit viel Qualitätsbewusstsein zeigt. Und das hat man in Frankreich auch in gewissen Regionen, aber nicht überall.

BLICK INS LAND: Welche Modelle von Steyr und Case IH sind Ihre persönlichen Favoriten?

Panadero: Nicht nur ich finde den Steyr Multi echt klasse. Aber ich bin in der Normandie großgeworden und daher schlägt mein Herz höher, wenn ich einen Quadtrac sehe.

Interview: BERNHARD WEBER

Zur Person: Thierry Panadero, 54 ist seit September 2017 Vize-Präsident von Case IH und Steyr für die Region Europa, Mittlerer Osten und Afrika. Der Franzose pendelt regelmäßig zwischen St. Valentin und seiner Familie in Paris.