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WIFO-Studie offenbart Schwäche der Landwirtschaft

Wie sich der Anteil der heimischen Landwirtschaft in der Lebensmittel-Wertschöpfungskette verändert hat und welche Schlüsse daraus gezogen werden können, erklärten Franz Sinabell  (WIFO) und Josef Moosbrugger, Präsident der LK-Österreich (LKÖ), bei einem Pressegespräch in Wien.

„In Österreich trägt die Landwirtschaft maßgeblich zum Wohlstand bei, allerdings hat das volkswirtschaftliche Gewicht in den letzten Jahren abgenommen. Betrug der Anteil der Landwirtschaft an der Wertschöpfungskette Agrargüter, Lebensmittel und Getränke im Jahr 2005 noch 20,2%, so verringerte sich dieser im Vor-Corona-Jahr 2019 auf 17,5%. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt der Volkswirtschaft sank der Anteil um ein Zehntel, und zwar von 0,9 auf 0,8%“, unterstrich Sinabell. „In allen Gliedern der Wertschöpfungskette Nahrungsmittel und Getränke konnte in diesem Zeitraum die Wertschöpfung ausgeweitet werden. In der Lebensmittelverarbeitung nahm sie real um 34% zu, im Einzelhandel von Nahrungsmitteln und Getränken um 44% sowie in der Gastronomie um fast 50%. Der Zuwachs in der Landwirtschaft betrug nur 10%. Dies reflektiert, dass die Bedeutung der Landwirtschaft in der Wertschöpfungskette und der Volkswirtschaft insgesamt gesunken ist“, erklärte der WIFO-Experte.

„Daten aus dem Jahr 2017 zeigen Folgendes: Werden Agrargüter im Wert von 100 Euro nachgefragt, so wird eine Wertschöpfung von 46 Euro erzielt. In der Landwirtschaft verbleibt eine Wertschöpfung von 11,25 Euro.“

„Die Studie verdeutlicht, in welch enormem Schraubstock sich unsere bäuerlichen Familienbetriebe immer häufiger befinden. Österreich ist – in unser aller Interesse – gefordert, eine rot-weiß-rote Trendumkehr einzuleiten“, betonte Moosbrugger. „Einerseits müssen wir wegkommen von der Aktionitis mit klimaschädlich hereingekarrten Billigwaren niedrigster Standards. Ein Bekenntnis zu regionaler Qualität in der gesamten Wertschöpfungskette ist von größter Bedeutung. Die öffentliche Beschaffung geht bereits mit gutem Beispiel voran. Wir brauchen verlässliche Qualitätspartnerschaften sowohl mit dem Lebensmitteleinzelhandel als auch mit der Gastronomie und dem Tourismus, von denen alle Seiten profitieren können. Höhere Erzeugerpreise und Planbarkeit sind entscheidende Zukunftsfaktoren für unsere bäuerlichen Familienbetriebe. Heimische Spitzenqualität samt unzähligen Mehrleistungen gibt es nicht zum Weltmarktpreis“, unterstrich Moosbrugger, der zum wiederholten Male die Umsetzung der verpflichtenden Herkunftskennzeichnung forderte, die eine wichtige Basis für mehr Absatz und Wertschöpfung wäre. „Das Gesundheitsministerium soll nicht länger auf der Bremse stehen, sondern endlich das fertig ausgearbeitete Paket zur Notifizierung nach Brüssel schicken. Außerdem zeigt die Studie einmal mehr, dass wir auch innerhalb der eigenen Branche stärker zusammenrücken müssen, um dem Handel die Stirn bieten zu können“, erklärte der LKÖ-Präsident.

„Wenn wir die ruinöse Talfahrt des Wertschöpfungsanteils nicht alle gemeinsam aufhalten und eine Aufwärtsbewegung einleiten, dann zwingen wir unsere Betriebe, selbst noch größer, produktiver und effizienter zu werden. Oder sie sind gefordert, zusätzlich in dienstleistungsstärkere Bereiche einzusteigen, in denen mehr Wertschöpfung zu erzielen ist. Aber nur ein Teil unserer Bauernhöfe ist für Veredelung und Direktvermarktung, Gastronomie und Beherbergung geeignet“, erklärte Moosbrugger und warnte vor weiteren Betriebsaufgaben.