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Verlässlicher Partner – auch für Nachbarn

Borkenkäfer und Cornonakrise lassen die Nerven in der Forstwirtschaft blank liegen. Auf die Forderung des niederösterreichischen Bauernbundobmannes Stephan Pernkopf nach einem Importverbot folgte aus der Papierindustrie ein Aufruf zum Boykott von dessen Partnern des niederösterreichischen Bauernbundes.

Auch die Sägeindustrie leidet unter dem Rückgang ihres Geschäftes aufgrund der Coronakrise. Wie viel an Produktionsvolumen hat Stora Enso deswegen zurücknehmen müssen?

Hongleitner-Welt: Der Absatz ist abhängig von der Situation in den Kundenländern stark zurückgegangen. Die Exporte für den Baubereich in Italien sind zum Beispiel seit März komplett ausgefallen. Der Produktionsstand liegt je nach Werk zwischen 60 und 90 Prozent. Im Durchschnitt sind wir derzeit bei einer Auslastung von 80 Prozent.

Damit kann auch weniger Holz übernommen werden. Wird das Schadholz, das momentan in den Wäldern liegt, überhaupt noch überall abgeholt?

Hüttler: Die Abfuhr verläuft bei uns reibungslos und kontinuierlich. Die durchschnittliche Lagerdauer im Wald beträgt zwischen vier und fünf Wochen. Wenn die erste Käferwelle kommt und wir dann noch reduzierte Einschnitte haben, werden die Waldlager aber möglicherweise steigen.

Wer soll das ganze Käferholz dann aufnehmen?

Hüttler: Als erster Schritt wäre es wichtig, dass die Industrie wieder auf ihr altes Niveau zurückkommt. Ansonsten können nur externe Lagerplätze helfen. Die Familie Habsburg baut zum Beispiel gerade ein neues Nasslager für 45.000 Festmeter. Das soll im Juni fertig werden und wird etwas Abhilfe schaffen. Wir werden aber sicherlich entlang der Donau noch zusätzliche Plätze brauchen.

Beteiligt sich die Sägeindustrie ausreichend an der Bewältigung der Situation?

Hüttler: Unserer Ansicht nach ja. Wir nehmen verstärkt schadhaftes Holz auf und lagern es auf eigene Kosten, um die Waldbauern so weit als möglich zu entlasten. Für die niederösterreichischen Werke Brand und Ybbs haben wir externe Nasslagerplätze geschaffen, auf denen wir fast 50.000 Festmeter unterbringen. Die sind aber leider voll. Zusätzliche Nasslagerplätze zu finden ist kompliziert, weil man dazu wasserrechtliche Bewilligungen braucht und diese schwierig zu bekommen sind.

Anrainer im Waldviertel berichten, dass täglich Dutzende LKWs mit Holz aus Tschechien über die Grenze kommen.

Hongleitner-Welt:Wir sind ein internationaler Konzern und müssen auf die starken Schwankungen bei der Rohstoffverfügbarkeit und der Qualität reagieren. Deshalb pflegen wir langjährige Geschäftsbeziehungen und wollen auch für grenznahe Betriebe im Nachbarland ein verlässlicher Partner sein. Dabei sind wir bestrebt, einen Lieferradius von 90 Kilometern rund um die jeweiligen Werke einzuhalten. Dazu gehören im Waldviertel auch Teile Tschechiens.

Die Politik fordert sogar zeitweilige Importverbote für Holz aus dem Ausland.

Hongleitner-Welt: Es ist zu kurz gedacht, den Schwarzen Peter der Industrie zuzuschieben. Wir wollen gemeinsam an Lösungen arbeiten. Deshalb haben wir den Inlandsanteil bereits in den letzten Jahren um 40 Prozent erhöht. Sieben von zehn Festmetern Holz in unseren Werken kommen aus Österreich.

Aber wäre nicht ausreichend Holz aus Österreich da?

Hongleitner-Welt: Schauen wir uns die langfristigen Zahlen an: Österreich benötigt rund 17,7 Mio. Festmeter Sägerundholz. Der Rundholzeinschlag betrug 2018 nur zehn Mio. Festmeter. Alleine in Niederösterreich haben jedes Jahr ca. zwei Mio. Festmeter Sägerundholz gefehlt. Das zeigt, dass der Import zur kontinuierlichen Versorgung notwendig ist.

Stimmt es, dass es günstiger ist, Holz aus dem Ausland hereinzubringen statt zum Beispiel vom Waldviertel nach Kärnten?

Hüttler: Ja. Trotzdem transportieren wir laufend Holz aus dem Waldviertel in unser Werk nach Bad St. Leonhard in Kärnten. Aber natürlich ist es auch so, dass Rundholz in Tschechien billiger ist. Und der Schadholzanteil ist dort noch deutlich höher als in Österreich.

Soll abseits des Schadholzes – in Gebieten, wo es weniger Schäden gibt – überhaupt eingeschlagen werden?

Hongleitner-Welt: Für die Industrie ist es wichtig, dass wir jetzt nicht nur Schadholz haben. Sonst können wir unser Kundenportfolio nicht bedienen. Wir brauchen genauso Frischholz.

Mit den momentanen Preisen sind aber oft nicht einmal die Bringungskosten abgedeckt.

Hüttler: Das momentane Überangebot und die mindere Qualität beeinflussen natürlich massiv den Durchschnittspreis. Wie überall in der freien Marktwirtschaft orientiert sich der Holzpreis an Angebot und Nachfrage. Unser Ziel ist es aber, Holz für alle Involvierten möglichst ertragreich abzusetzen. Dafür müssen wir in enger Zusammenarbeit mit der gesamten Wertschöpfungskette Lösungen finden.

Wie beurteilen Sie die Förderungen für nicht abgeholtes Sägerundholz im Rahmen des Notfallfonds?

Hongleitner-Welt: Das betrifft Verträge, die vor dem 16.3. abgeschlossen wurden, bei denen das Holz bis 15.5. nicht abgeholt wird. Da von uns in diesem Zeitraum aber alles abgeholt wird, brauchen das unsere Lieferanten nicht. Die Abfuhren sind wie geplant im Laufen.

Hüttler: Wie schließen unsere Verträge normalerweise am Quartal ab. Momentan haben wir aufgrund der Unsicherheiten durch Corona nur den April abgeschlossen und werden diesen per Punkt und Beistrich abfrächtern. Parallel beginnen wir jetzt Verträge für Mai und Juni abzuschließen.

Haben Forstwirtschaft und Sägeindustrie für einen internationalen Konzern wie Stora Enso angesichts des hohen Schadholzanteils in Österreich überhaupt Zukunft?

Hüttler:Davon sind wir überzeugt. Der Holzkonsum steigt ständig. Wir liefern aus Zentraleuropa bis in asiatische Länder, weil sich diese selber nicht versorgen können. Irgendwann wird die Nachfrage sogar höher sein, als wir Holz anbieten können, weil Holz der Baustoff der Zukunft ist. Alles, was heute aus fossilen Materialien hergestellt wird, kann morgen aus dem Rohstoff Holz hergestellt werden. Die Zukunft der Holzbranche ist damit weitgehend gesichert.

Die Kahlschläge im Waldviertel und in Tschechien werden aber noch dramatischer werden. Bis diese Flächen wieder hiebreif sein werden, dauert es Jahrzehnte. Stehen ihre Werke dann überhaupt am richtigen Platz?

Hüttler: Ich bin bei Ihnen, dass die Transportradien dann länger werden. Grundsätzlich sind wir in Österreich in der glücklichen Situation, dass zwei Drittel der Waldfläche über 600 Höhenmeter ist. In Tschechien ist es genau umgekehrt. Daher werden wir in Österreich die deutlich besseren Zukunftsaussichten haben.

Hongleitner-Welt: Wir sind der Meinung, dass es die Fichte auch in Zukunft, abhängig von der Höhenlage, geben wird. In gewissen Bereichen wird sie aber durch andere Holzarten ersetzt werden. Dadurch wird auch für die Industrie eine Umstellung nötig sein.

Wie wird dieser Wald der Zukunft ausschauen?

Hüttler: Wir werden in Zukunft alle Nadelholzarten wie Fichte, Tanne, Kiefer, Lärche und Douglasie über 600 Höhenmeter pflanzen können. Darunter wird es Mischwaldvarianten geben müssen. Immer vorausgesetzt die klimatischen Verhältnisse werden nicht noch dramatischer.

Der finnisch-schwedische Konzern Stora Enso ist weltweit im Geschäft mit Holz tätig und betreibt in Österreich Werke in Ybbs, Brand und Bad St. Leonhard. Gerald Hongleitner-Welt ist bei Stora Enso Wood Products Head of Production für Zentraleuropa, Norbert Hüttler Einkaufsleiter in Österreich.