Foto: Alois Burgstaller

Treibt Hafer die Kuh aus dem Stall?

 

 

Klänge es nicht so abgedroschen, müsste man sagen, dass Thema ist in aller Munde. Aus lauter Sorge um Image und Geschäft wildern Erzeuger tierischer Nahrungsmittel im Veganbusiness. Bei genauerem Hinsehen ist die Entwicklung in Österreich schon weiter fortgeschritten als man erwarten würde.

Propheten haben bekanntlich Probleme im eigenen Land gehört zu werden, deshalb lassen wir den Vorstand des deutschen Geflügel-Konzerns Wiesenhof PHW Marcus Keitzer zu Wort kommen. Im Interview mit der Zeitschrift „Die Ernährung“ rechnet Keitzer „fix damit, dass die pflanzlichen Alternativen einen signifikanten Marktanteil haben werden. Aber auch der Fleischkonsum werde weiter zunehmen. Das Nebeneinander tierischer und veganer Produkte wird der Verbraucher wechselweise nutzen“. Um 20% stieg der Verkauf der PHW-Fleischersatzprodukte im ersten Halbjahr 2019 gegenüber 2018. Zielgruppe sind nicht die strikten Veganer sondern die unideologischen Flexitarier oder Allesesser, meinte Keitzer. Diese Gruppe wird uns später nochmals begegnen. Die vegane Preisentwicklung verläuft laut Keitzer „klassisch, zuerst sauteuer und dann geht es den Weg

der Popularisierung und Verbilligung bergab. Vergleichbar mit dem Handypreis.“ PHW ist der größte deutsche Geflügelfleischerzeuger und er investiert zugleich in alternative Eiweißquellen. Das PHW-Motto: „Wir wollen möglichst vielen etwas bieten“ gebrauchen auch die Molkereikonzerne, um ihr veganes Produktportfolio ihren Eigentümern schmackhaft zu machen.

Der schwedisch-dänische Molkereiriese Arla besetzt mit seinen Veggie-Produkten schon die Regale. Jörd heißt seine vegane Dachmarke, die vorerst in den nordischen Ländern mit Bio-Haferdrinks aufgepeppt um Hopfen oder Gerste – den Markt abgrast. Hanne Söndergard vom Arla-Marketing rechnet mit einer Verbreiterung des Trends. „Es besteht kein Zweifel, dass pflanzliche und Milchprodukte parallel konsumiert werden. Wir sehen darin eine hervorragende Geschäftsmöglichkeit. Die Arla-Manager wissen, „dass Vegan einfach ideal zur Produktpalette einer Molkerei passt“.

So wie Arla stieg im November auch der heimische Marktführer Berglandmilch in das Geschäft mit den trüben Flüssigkeiten ein. Die Basis bilden Dinkel und Hafer aus besten Waldviertler Lagen. Darauf werden die Käuferinnen – die Klientel ist weiblich und jung – wohl kaum ungeduldig gewartet haben. Gewartet dürften sie allerdings auf die Glaspfandflasche haben, in der der Drink preisgleich wie Kuhmilch um 1,29 exklusive Pfand im Milchregal steht. Für Bergland ist das die Gelegenheit schlechthin ihrem Glasprojekt einen Schub zu verpassen. Aber Bergland argumentiert auch damit, dass Herr und Frau Flexitarier, also jene Menschen, die ab und zu tierisch pausieren wollen, trotzdem zu Schärdinger-Produkten greifen sollten.

Wo Bergland ist, darf die NÖM AG nicht fehlen. Die Badener und die Bergland- Molkerei werden sich pflanzlich nicht ins Gehege kommen. Nach detaillierten Marktstudien der Wirtschaftsuni Wien brachten sie den Inbegriff des jugendlichen Milchgetränks – ebenfalls auf Waldviertler Haferbasis – ins Regal: Kakao 100 % pflanzlich. Sollte sich der Preis mit rund 3 Euro pro Liter halten können, wird ein Folgeprodukt nicht lange auf sich warten lassen.

Viel weiter in diesem noch nischenhaften Markt ist da schon der Schweizer Emmi-Konzern durch seinen Einstieg bei der Wartberger Spezialmolkerei Leeb, die mit Spezialitäten aus Schaf- und Ziegenmilch groß wurde. Unter dem Markennamen mylove-mylife wird eine peppig aufgemachte Produktvielfalt von Pflanzendrinks, Joghurtalternativen und Eis erzeugt und verkauft.

Den totalen Ausstieg aus der tierischen Milchproduktion hat schon vor mehreren Jahren die mitten im Sojaanbaugebiet liegende ehemalige Oberwarter Molkerei vollzogen. So viel Erfolg macht auf dem Kapitalmarkt attraktiv. Mittlerweile gehört der Hersteller der wohl bekanntesten Veganmarke Österreichs – Joya – dem amerikanischen Investor Hain Celestial.

Das Modell des multifunktionalen Ernährungsdienstleisters aus der Milchwirtschaft findet auch in der Fleischbranche seine Entsprechung. Für jene Verbraucher, die gerne einmal auf Fleisch verzichten, und dabei auf die fleischlichen Eigenheiten nicht verzichten wollen, hat die Marke „Die Ohne“ mehrere wurstoide Angebote. Zwar sind die Wursträder fleischlos, aber überraschenderweise nicht vegan. Hergestellt werden die Imitate von einem der größten Schlachthofbetreiber Österreichs, der Firma Marcher. Ein anderer verdienstvoller Markenartikler aus der Fleischbranche ist die Mühlviertler Firma Neuburger. Bekannt geworden durch den Slogan „Sagen sie nicht Leberkäs zu ihm“ dockt der Fleischer mit seinen aus Kräuerseitlingen hergestellten Schnitzeln, Faschiertem und Würsteln – alle ohne Fleisch – bei den am Röstgeschmack hängenden Teilzeit-Veganern an.

Was lernen wir daraus:

Imitate und Alternativen zu Fleisch und Milch werden in den Industrieländern vermehrt im Einkaufskorb landen. Viele bezweifeln, dass ein zweiter Erfolg wie bei Bio gelingen könnte. Gespeist wird dieser Trend von der Sorge um die Klimaerwärmung und von erschütternden Bildern aus der Tierhaltung. Für die Verbesserung der Tierhaltung wird aber schon viel unternommen. Es ist zu wünschen, dass beim Klimaschutz bald auch so große Fortschritte wie im Tierwohl gemacht werden. Für Imitate und Alternativen gelten dieselben Ökobedenken wie für ihre tierischen Originale. Auch die Hersteller rein pflanzlicher Alternativen werden, was deren Klimarelevanz betrifft, noch etliche kritische Fragen beantworten müssen. Die Hoffnung lebt.

Kommentar: A. Burgstaller

Pflanzliches aus Molkerei und Schlachthof – ein Eigentor

Im Grunde genommen war längst erwartet worden, dass Molkereien pflanzliche Milchen anbieten würden. Die Entscheidung präsentiert sich als unvermeidlich, ja alternativlos. Vergewissert man sich der Regalpreise, wundert man sich eher, dass der Einstieg nicht eher geschehen ist. Die Marktdaten belegen auch hohe Umsatzzuwächse. Wen die Neugier packt, der wird in den oberen Regalen einige rein pflanzliche essfertigen Produkte entdecken.

Müssen die Milchbauern einfach zur Kenntnis nehmen, dass die mit ihrem Geld zu High-Tech-Anlagen hochgerüsteten Molkereien rohstoffmäßig fremdgehen? Ihr Widerstand schwindet. Weil die Molkereien so professionell produzieren, können sie jedes Getränk abfüllen. Pflanzliche Alternativen aus der Molkerei ersetzen ja nur ausländische Marken, lautet eine Begründung der Marketingmanager. Alles paletti, also? Da ist was dran! Aber dann stellt sich die Frage, was in den Regalen vor der veganen Alternative gestanden ist? Und ist es nicht so, dass die Konsumenten, wenn sie mehr Pflanzliches essen, weniger Tierisches verspeisen?

Wenn eine Molkerei mit ihren pflanzlichen Alternativen Gewinne macht, wird sie dann all ihr Engagement in die Kuhmilchverwertung konzentrieren? Auch wenn man mit vegan möglicherweise leichter abkassiert? Entwickeln sich die Molkereien weg vom exklusiven Milchvermarkter hin zum universellen Lebensmittelverarbeiter? Man kann sich ausmalen, wie engagiert eine Geschäftsführung ihre Milchprodukte verteidigen wird, wenn sich der Gewinn auch mit Alternativen steigern lässt. Die Milchbauern arbeiten mit allem Innovationsgeist an der Weiterentwicklung ihres Exklusivprodukts. Von der Biowiesenmilch, A2-Milch bis zur Heumilch. Wer soll jene ungerechtfertigten Angriffe auf die tierischen Produkte erwidern, wenn nicht die Milchbranche. Schon werden die Verteidigungslinien rissig. Das EU-Parlament hat bei der Fleischbezeichnung Lockerungen durchgesetzt. Bei Milchprodukten herrscht noch offizielle Strenge, aber umgangssprachlich verwenden wir meistens den Begriff Soja-Milch statt Soja-Drinks. Die Interessensverbände der Tierproduktion brauchen eine Rückenstärkung.