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Studie: „Glyphosat-Totalverbot wäre unionsrechtswidrig“

An der Universität für Bodenkultur wurden die Ergebnisse der vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus beauftragten Studie zum Thema Glyphosat präsentiert. Ziel der Studie war es, die Machbarkeit eines Ausstiegs aus der Verwendung von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln zu untersuchen. Die Experten kommen zu folgendem Schluss: „Aus fachlicher Sicht gibt es für die Anwendung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel im Ackerbau keine alternativen Herbizide mit einer vergleichbaren Wirkungsweise und -breite.“ Eine Gesamtschau der unionsrechtlichen Vorgaben ergibt, dass „ein nationales Totalverbot von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln unionsrechtswidrig wäre“.

Die Studie wurde im Rahmen eines Forschungsauftrages durch die Boku, ergänzt durch Expertise der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), erarbeitet. In der Studie werden die Eigenschaften, die Wirkungsweise und das Umweltverhalten von Glyphosat, die Rückstände in pflanzlichen Produkten, die rechtlichen Grundlagen von Glyphosatzulassung und -anwendung sowie ökologische Aspekte im Zusammenhang mit Erosionsschutz und die Auswirkungen auf die Biodiversität dargestellt. Darüber hinaus werden die derzeitigen Anwendungen von glyphosathaltigen Herbiziden in Österreich analysiert sowie potenzielle Alternativen und die ökonomischen Folgen eines Glyphosatverbotes aufgezeigt. Neben der Machbarkeitsstudie wurde auch ein Gutachten von Univ.-Prof. Walter Obwexer zu den „Unionsrechtlichen Rahmenbedingungen betreffend Zulassungs- und Anwendungsbeschränkungen für Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Glyphosat“ präsentiert.

„Wissenschafter der EU-Chemikalienbehörde ECHA haben im Rahmen einer europaweit harmonisierten Gefahreneinstufung im Jahr 2017 den Wirkstoff Glyphosat auf EU-Ebene neu bewertet und als nicht krebserregend, nicht fruchtbarkeitsschädigend und nicht erbgutverändernd eingestuft. Der Wirkstoff wird als nicht toxisch gegenüber Regenwürmern, Springschwänzen und Raubmilben eingestuft. Auch gegenüber bestäubenden Insekten (Bienen) ist der Wirkstoff nicht toxisch“, heißt es in der Studie. Gegenüber Vögeln und Säugern könne er bei längerfristiger Exposition in hoher Dosierung chronisch toxisch wirken.

Im zehnjährigen Durchschnitt werden in Österreich 329 t Glyphosat/Jahr in Verkehr gebracht, das sind rund 24% der gesamten jährlich verkauften herbiziden Wirkstoffe. Diese Menge entspricht einer Anwendung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel auf zirka 9% der heimischen Ackerfläche. In anderen EU-Ländern wie Deutschland ist dieser Anteil deutlich höher.

Von 1.124 in Österreich untersuchten Lebensmitteln (Getreide, Hülsenfrüchte, Ölsaaten, Honig, Obst, Gemüse) aus konventioneller Produktion lag nur eine Probe (Honig) über dem Rückstandshöchstgehalt. Aus dem gemessenen Wert ging keine Gesundheitsgefahr aus. Alle anderen Proben lagen unter den entsprechenden Höchstwerten, 92% der Proben waren rückstandsfrei. Von 1.956 untersuchten österreichischen Trinkwasserproben enthielt keine einzige Glyphosat über dem für Trinkwasser festgelegten Grenzwert.

Mittels qualitativer Interviews wurden Wahrnehmungen und Erfahrungen von Land- und Forstwirten zu diesem Thema erhoben. Der Großteil der Befragten spricht sich aus ökonomischen und ökologischen Gründen gegen ein österreichweites Verbot glyphosathaltiger Herbizide aus. In Abhängigkeit von standortspezifischen Faktoren (Bodentyp, Hangneigung, Wetterbedingungen) und sozioökonomischen Einflussfaktoren (maschinelle, personelle und finanzielle Ressourcen) erwarten die Landwirte unterschiedliche Auswirkungen auf ihre Betriebe, wenn glyphosathaltige Herbizide in Österreich verboten werden würden. Bei der Bewirtschaftung von erosionsgefährdeten Flächen hätte dieses Verbot vorwiegend steigende Kosten und Arbeitszeiten sowie sinkende Erträge und Deckungsbeiträge zur Folge. Eine intensive mechanische Bodenbearbeitung auf erosionsgefährdeten Flächen würde zu einem vermehrten Bodenabtrag und Humusverlust führen, wird betont.

Unabhängig von den Betriebszweigen gibt es aus Sicht der interviewten Land- und Forstwirte keine gleichwertigen alternativen Herbizide mit einer vergleichbaren Wirkungsweise und -breite. Dies betrifft insbesondere den Ackerbau. Chemische Alternativen führten zu negativen ökonomischen und ökologischen Auswirkungen. Der erwartete Mehraufwand könnte nur in wenigen Fällen durch eine Preissteigerung abgegolten und an die Konsumenten weitergegeben werden (Direktvermarktung). Durch ein österreichweites Verbot glyphosathaltiger Herbizide erwarten viele Betriebe eine Reduktion der Wettbewerbsfähigkeit auf dem europäischen Markt.

Abschließend befassen sich die Studienautoren mit der Frage eines nationalen Glyphosat-Verbots. Eine Gesamtschau der EU-rechtlichen Vorgaben für Wirkstoffgenehmigung und Pflanzenschutzmittelzulassung ergibt, dass die Mitgliedstaaten bei der Entscheidung, ob sie ein Pflanzenschutzmittel zulassen, nicht autonom agieren können. Sie sind vielmehr an detailliert gefasste Zulassungskriterien der EU gebunden. Die Mitgliedstaaten können diese Zulassungskriterien nicht abändern oder ergänzen, da sie in der Rechtsform einer EU-Verordnung verankert sind. „Daraus folgt, dass ein nationales Totalverbot von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln unionsrechtswidrig wäre“, heißt es im Fazit der Studie.

EU-Rechtsexperte Obwexer verweist in seinem Gutachten auf die geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen der EU: „Aus den sekundärrechtlichen Vorgaben folgt, dass der Mitgliedstaat Österreich Herbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat zulassen muss, wenn diese die anderen Voraussetzungen nach der EU-Zulassungsverordnung erfüllen. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen darf Österreich auch eine bereits erteilte Zulassung nicht aufheben.“ Ein Totalverbot von Glyphosat verstoße damit gegen EU-Recht, ein nationaler Alleingang wäre nicht möglich.

Möglich wäre laut der Studie allerdings ein Verbot der Verwendung von bestimmten Pflanzenschutzmitteln in besonders sensiblen Bereichen. Dies seien etwa Gebiete, die von der Allgemeinheit oder von gefährdeten Personengruppen genutzt werden (zum Beispiel öffentliche Parks, Schulgelände, Kinderspielplätze) oder definierte Wasserschutzgebiete.