Foto: LK/Schreiner

Pro-Sau in der Praxis: Ferkelverluste gesunken

Der Betrieb des Ferkelproduzenten Reinhard Scheriau in Kapelln an der Perschling bei St. Pölten ist einer von sechs Bauernhöfen, auf denen neue Abferkelbuchten in der Praxis getestet wurden. BLICK INS LAND war bei der Präsentation der Versuchsergebnisse.

Gemeinhin wird Tierrechtsaktivisten ja oft vorgeworfen, sich lieber eher nachts und ohne Berechtigung in Schweineställen einzuschleichen. Dieser Tage reihte sich der Obmann des Vereins gegen Tierfabriken, VGT, Martin Balluch, bei der Besichtigung des Zuchtbetriebes brav wie alle anderen Gäste zur Ausgabe von Einweganzügen und Überschuhen in der Hygieneschleuse ein, um sich über die neuen Abferkelbuchten zu informieren.

Konkret baute der Ferkelproduzent Scheriau vor drei Jahren je 15 Flügel- und Trapezbuchten in seinen Stall ein. Er stellte seinen Betrieb und seine Zuchtsauen damit freiwillig für das Projekt „Pro Sau“ zwecks „Evaluierung von neuen Abferkelbuchten mit Bewegungsmöglichkeiten für die Sau“ zur Verfügung.

In einer von Gesundheits- und Landwirtschaftsministerium beauftragten Studie wurden drei neu konstruierte Ferkelboxen für mehr Platzangebot und eine kürzere Fixierungszeit von Muttersauen überprüft und bewertet, die zuvor aus sieben Lösungsansätze aus Österreich und zwei internationalen Systeme vorausgewählt und getestet worden waren.

Hintergrund: In den nächsten 15 Jahren, also bis zum Jahr 2033, müssen derartige Bewegungsbuchten in allen Zuchtbetrieben vorhanden sein. Und voraussichtlich schon ab 2019 werden solche oder ähnliche Nachfolger für die unter Tierschützern nach wie vor strittigen Kastenstände bei jedem Neu- und Umbau Vorschrift.

Nach drei Jahren liegen nun die ersten Pro-Sau-Studienergebnisse vor: „Die Befürchtungen, dass die Ferkelproduktion auf bisherigem Niveau nicht mehr möglich sein wird und dass die Ferkelmortalität steigen wird, bestätigten sich nicht“, fasste Birgit Heidinger von der HBLFA Raumberg-Gumpenstein die wesentlichen Erkenntnisse des 500 Seiten dicken Abschlussberichtes zusammen. Vielmehr habe sich gezeigt, dass bereits nach vier Tagen keine erhöhte Gefahr eines Erdrückens der Ferkel mehr bestehe, so die Projektleiterin. Damit könne die Vorgabe der 1. Tierhaltungsverordnung, dass Sauen nur mehr in der „kritischen Lebensphase von Saugferkeln“ fixiert werden dürfen, erfüllt werden. Heidinger: „Die Abferkelbuchten sind aber technisch komplizierter und erfordern mehr Arbeitszeit“, sagt die Wissenschaftlerin. Je nach Fixierungsvariante und Buchtentyp seien Mehrkosten von 23 bis zu 230 Euro pro Sauenplatz und Jahr zu erwarten.

Für Johann Stinglmayr, den Geschäftsführer vom VLV-Ferkelring, sind aber gerade diese Kosten ein wesentlicher Faktor. Die Schweinezucht seien der Garant für eine praxistaugliche Umsetzung. „Allerdings verlangen wir, dass jetzt das eingehalten wird, was uns bei der Gesetzeswerdung versprochen wurde, nämlich dass die Mehrkosten mit öffentlichen Mitteln abgedeckt werden.“ Andernfalls bestehe laut Stinglmayr die Gefahr, dass Österreichs Ferkelbauern „auf eine Genetik mit höherer Fruchtbarkeit ausweichen müssten. Wir wollen aber kein System wie in Dänemark, bei dem die Muttertiere bis zu 20 schwache Ferkeln bringen, sondern Tiere mit zwölf bis 14 gesunden Tieren, welche die Sau auch versorgen kann.“

Noch dürften Ferkelerzeuger theoretisch sogar „alte“ Lösungen bei Stallbauten eingesetzen, allerdings sei mittlerweile die Zeitspanne zu kurz, um diese Investitionen bis 2033 steuerlich abschreiben zu können. Ähnlich dachte auch Reinhard Scheriau, als er sich 2011 dazu entschied, weiterhin Schweine zu züchten. „Wir hatten damals klassische Ferkelschutzkörbe auf Stroh“, so der Landwirt. Mit den damit verbundenen Hygieneproblemen habe er jedoch nicht mehr arbeiten wollen.

Damals tobte bereits der Streit rund um die Kastenstände. Nach einer Missstandsanzeige durch den damaligen SPÖ-Volksanwalt Peter Kostelka im Gesundheitsministerium, weil zuständige für Fragen des Tierschutzes, war für Scheriau klar, dass es so nicht weitergehen wird. Daher habe er sich freiwillig als Versuchsbetrieb gemeldet. Und ist heute froh darüber: „Die Buchten sind jetzt größer, die Sauen können sich besser bewegen.“ Und am Ende rechne es sich auch, wenn sich die Sauen wohler fühlen. Scheriau: „Auf meine Hof sind die Ferkelverluste gesunken.“

Restlos glücklich ist Scheriau mit den aktuellen Lösungen dennoch nicht. „Beim Boden gibt es noch Verbesserungsmöglichkeiten. Vor allem bei Ferkeln müssen hier Verletzungen vermieden werden.“ Auch die Positionierung der Anfütterungsschalen sei alles andere als optimal.

Laut Johann Stinglmayr haben sich Österreichs Stallbaufirmen sehr aktiv an dem Projekt beteiligt, auch „weil es für unsere Vorgaben am internationalen Markt nichts Passendes gibt.“ So werden zwar etwa von Holländern die „ProDromi“-Buchten als beste empfohlen, diese hätten sich aber hierzulande in Vergleich mit anderen als unpraktisch erwiesen. Stinglmayr: „Wir sind froh, dass wir das selber erforscht haben, sonst wären einige Bauern damit wohl auf die Nase gefallen.“

Nun sei es Aufgabe auch der Berater der Landwirtschaftskammern, die Schweinezüchter von den System-Erkenntnissen von „Pro Sau“ zu überzeugen“, meinte Oberösterreichs LK-Präsident Franz Reisecker. Immerhin: Er ortet „eine enorme Bereitschaft unter den Betriebsführern, mitzumachen.“ Aufgrund des höheren Platzbedarfes für die neuen Buchten müssten die Bauern in bestehenden Ställen aber den Bestand reduzieren. Oder ihre Ställe erweitern oder neu bauen dürfen. Johann Stinglmayr: „Gerade Tierschützer nehmen allerdings mit allen möglichen Instrumenten Einfluss auf die Bewilligungsverfahren.“ Und damit verzögere sich die Umsetzung von tierfreundlichen Projekten oft um Jahre.

Und was meint VGT-Aktivist Balluch dazu? Im Stall und später auch im Gasthaus in Kapelln blieb er auffallend unauffällig. Stinglmayr meinte abschließend in Richtung Tierschützer: „Natürlich muss es weitere Diskussionen rund um die Schweinehaltung geben. Aber jetzt sollte man die Bauern einmal in Ruhe lassen und sie ohne Querschüsse die neuen Vorgaben umsetzen lassen.“

STEFAN NIMMERVOLL

https://www.lko.at/projekt-pro-sau