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Neonics in Raps und Rüben: Für Imker kein Tabu mehr

Das Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Imkern galt lange Zeit alles andere als friktionsfrei. Mittlerweile wächst das gegenseitige Verständnis. Das geht so weit, dass selbst Bienenexperten dem Einsatz von Neonics-Beizen für Raps und Zuckerrübensaatgut nicht mehr abgeneigt sind.

Werner von der Ohe leitet in Celle im deutschen Bundesland Niedersachsen das Institut für Bienenkunde. Diese gilt als „das“ für Imkerei im deutschen Sprachraum und von der Ohe als weithin anerkannter Wissenschaftler. Als solcher nimmt er sich im Gespräch mit BLICK INS LAND kein Blatt vor den Mund.

Ihm seien wissenschaftsbasierte Analysen wichtig, betont er. In diesen komme der chemisch-synthetische Pflanzenschutz bei weitem nicht so schlecht weg, wie man angesichts vieler hitzigen Debatten rund um das „Bienensterben“ vor einigen Jahren annehmen würde.

„Viele Völkerverluste gehen auf Fehler der Imker zurück“, meint der Wissenschaftler. Als Hauptprobleme nennt er die Varroa-Milbe und die Amerikanische Faulbrut. Natürlich würden einzelne Bienen sterben, wenn sie von Spritzmitteln getroffen werden. Auch Rückstände von Agrochemie im Honig seien nachweisbar. „Trotz erheblicher Belastung mit Pflanzenschutzmitteln haben wir daran an unserem Institut aber noch kein Volk verloren“, behauptet der Biologe.

Auch ihm sei es lieber, wenn die Bauern keine chemischen Wirkstoffe ausbringen müssten. „Ich bin aber kein Utopist. Wir leben in einer Agrarlandschaft. Daher können wir nicht einfach einen Schalter umlegen, weil wir die Menschen ernähren müssen.“ Die Gefahr, dass die Honigbiene aussterbe, bestehe jedenfalls so lange nicht, „so lange es Imker gibt“. Und darauf gelte es auch in der öffentlichen Debatte stärker hinzuweisen.

Anders sehe es bei Wildbienen und anderen Insekten aus. Einen Persilschein will von der Ohe den Bauern deshalb nicht ausstellen. Bei allen landwirtschaftlichen Tätigkeiten sei besonders auf das Wohlergehen der Insekten zu achten, etwa indem Pflanzenschutzmaßnahmen erst nach Ende der Hauptflugzeit durchgeführt werden. Viele Anwendungen seien zudem differenzierter zu betrachten, darunter eine Wiederzulassung von Neonicotionoiden für die Beizung von Raps, „weil diese sicherer ist als das mehrmalige Spritzen in blühenden Beständen.“

Gäbe es für Raps künftig wieder chemischen Beizmittel mit dem Wirkstoff Neonicotinoid, so würden weniger Bienen sterben, betont der Experte. Denn auch vermeintlich „bienentauglichere“ Pyretroide würden die Orientierung der Honigsammlerinnen beeinträchtigen. Zu befürchten sei, dass viele Bauern nach dem Neonics-Verbot in Rapsbeizmitteln und künftig auch für Rübensaatgut mit dem Rapsanbau aufhören. „Und das gilt es zu verhindern. Denn das würde die Zahl der Imker automatisch verringern“, befürchtet der Bienenkundler. Immerhin stamme die Hälfte des Honigs in Deutschland aus der Frühtracht, „der Großteil davon vom Raps.“ Allerdings fehle es auch auch vielen Imkern an dieser differenzierten Betrachtung, räumt Werner von der Ohe ein.

Ähnlich argumentiert Bio-Imker Peter Frühwirth aus Oberösterreich beim heiklen Thema Rübenanbau. Auch für diese Ackerkultur hat die EU neonicotinoide Beizen für den kommenden Anbau verboten. „Das Verbot dieser Wirkstoffe in der Pillierung um das Saatgut zwingt die Bauern zu anderem Vorgehen gegen Fraßschädlinge, wobei mehrmals bienengefährliche Wirkstoffe mit der Feldspritze ausgebracht werden“, schreibt Frühwirth in einem Beitrag auf der Homepage seines Betriebes. Der Imker tritt daher für eine Ausnahme für Rübensaatgut bei gleichzeitigem Verbot des Anbaus einer blühenden Kultur im Folgejahr ein.

Ein weit größeres Problem für die Insekten als die Beizmittel mit Neonics sei indes der Verlust an Lebensräumen, sagt Werner von der Ohe. Gerade brachliegende Ruderalflächen würden für den Siedlungs- und Straßenbau versiegelt. Auf den ausgeräumten Agrarflächen fänden die Bienen kaum noch Futter. „Da helfen auch die schmalen Blühstreifen neben stark befahrenen Straßen kaum“, kritisiert der Bienenexperte. „Diese sind eher als Feigenblatt zu sehen, um den intensiven Maisanbau mit etwas Sonnenblumen und Phacelia zu beschönigen. Größere Blühflächen gehören an Gewässer und an den Waldrand.“

Unabdingbar sei jedenfalls ein aktiver Austausch zwischen Imkern und Landwirten. In Niedersachsen arbeitet man bereits an einer App, über die Bauern und Imker kommunizieren können. Samt Trachtpflanzenbörse und gezielten Mitteilungen, wann die Rapsblüte bevorsteht oder Pflanzenschutzeinsätze geplant sind.

„In Österreich wurde vor gut einem Jahr im Oktober 2017 das Bienenzentrum Oberösterreich gegründet, um zwischen Bauern und Imkern Brücken zu schlagen“, so dessen Leiterin Petra Haslgrübler.

STEFAN NIMMERVOLL

Mehr Infos: laves.niedersachsen.de ; www.bienenzentrum.at