Foto: EP

Köstinger: Bauern müssen sich in politische Entscheidungsfindung einbringen

„Die Diskussion über die Weiterentwicklung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) wird 2017 ein wichtiges Thema im EU- Parlament sein. Die EU-Kommission wird im Februar eine öffentliche Konsultation zu diesem Thema starten, an der sich alle interessierten Personen, also Verbände, NGO’s und so weiter beteiligen können. Ich bin davon überzeugt, dass vor allem die direkt Betroffenen, also die Bäuerinnen und Bauern und ihre Vertreter, intensiv an dieser Diskussion teilnehmen sollten, denn die Ergebnisse dieser Befragung fließen direkt in die Arbeit der EU-Kommission ein und die Verhandlungen über die GAP nach 2020 sowie deren Finanzierung werden sehr hart werden.“ Dies stellte heute EU-Abgeordnete Elisabeth Köstinger im Rahmen der „Klartext-kompakt“-Veranstaltung zum Thema „Ein neues Lenkrad für die Gemeinsame Agrarpolitik“ in Wien fest.

„Die Rahmenbedingungen für die nächste Reform der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik nach 2020 sind nicht gerade einfach und stellen uns vor große Herausforderungen“, so Köstinger. Die Finanzierung der GAP werde angesichts zunehmender Verteilungskämpfe um öffentliche Gelder immer schwieriger, das Flüchtlingsthema bedeute zusätzliche Mittelerfordernisse in beträchtlichem Ausmaß. Erschwerend komme noch der Austritt Großbritanniens aus der EU hinzu, denn die Briten gehörten zu den größten Nettozahlern bei der GAP und würden nach erfolgtem Brexit eine deutliche Lücke im Agrarbudget hinterlassen. Zu klären sei in diesem Zusammenhang auch, wie sich der Brexit auf die konkrete Umsetzung der GAP auswirken werde und wie der künftige agrarische Außenhandel mit den Briten funktionieren solle.

Die Union bereite sich aber auf die neuen Rahmenbedingungen vor, berichtete Köstinger. So habe Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die so genannte „Monti-Gruppe“ (bestehend aus Mitgliedern des EU-Parlaments, der Kommission und des Rats) eingesetzt. Diese habe Vorschläge für die künftige Aufbringung der EU-Budgetmittel erarbeitet. Es gehe dabei insbesondere um die Erhöhung der Eigenmittel durch entsprechende Einnahmen, erläuterte die Abgeordnete. Als mögliche Quellen würden unter anderem eine CO2-Abgabe, die Mineralölsteuer, eine Finanztransaktionssteuer und die Mehrwertsteuer diskutiert.

In der Diskussion über die nächste Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik werde es vor allem darum gehen zu überlegen, welche Struktur die künftige GAP haben sollte und welche Marktsteuerungsinstrumente (Intervention, Exporterstattungen, Quoten usw.) sie enthalten solle. Grundsätzlich sollten dabei bewährte Instrumente beibehalten beziehungsweise an neue Gegebenheiten angepasst werden. So habe beispielsweise die Milchmarktkrise gezeigt, dass man künftig flexibler und rascher auf geänderte Verhältnisse (Mehrmengen) reagieren müsse. Die Risikoabsicherung erhalte wegen der zunehmenden Preisvolatilität eine steigende Bedeutung.

Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt werde die künftige Rolle der Landwirtschaft in der Wertschöpfungskette sein, sagte Köstinger. Sie erinnerte dabei an die Schlussfolgerungen und Empfehlungen der Task Force Agrarmärkte, die auf Initiative von EU-Kommissar Phil Hogan eingerichtet wurde und deren Ziel es ist, die Position der Landwirte gegenüber den Verarbeitern und dem Lebensmittelhandel zu stärken. „Wir brauchen unbedingt faire Bedingungen für die bäuerlichen Betriebe, denn der Wettbewerb wird künftig noch härter“, stellte die Abgeordnete fest.

Ein großes Ziel von Agrarkommissar Hogan sei es, die GAP noch einfacher zu gestalten und die Entbürokratisierung voranzubringen, erläuterte Köstinger und verwies diesbezüglich auf die so genannte Omnibusverordnung der Europäischen Kommission. Aus ihrer Sicht sollten die Landwirte jedenfalls in ihrer unternehmerischen Freiheit weniger eingeschränkt werden, sagte Köstinger.

Der weitere Fahrplan für die Diskussion über die GAP nach 2020 sieht nach dem Konsultationsverfahren im Februar eine EU-Konferenz im Sommer 2017 vor, in welcher die Ergebnisse dieser Befragung behandelt werden sollen. Im Herbst dieses Jahres will die Kommission dann im Rahmen einer Mitteilung die bisherige Umsetzung der aktuellen GAP-Reform 2014 bis 2020 analysieren und gleichzeitig auch auf die Finanzierung der künftigen Agrarreform Bezug nehmen. Auch die Wirksamkeit der aktuellen Kriseninstrumente der Union soll überprüft werden. Konkrete Gesetzesinitiativen zur GAP nach 2020 werden erst ab 2018 erwartet.

„Die neue GAP wird weniger Staat und mehr Markt bringen“, erwartet Univ.-Prof. Jochen Kantelhardt, Leiter des Instituts für Agrar- und Forstökonomie an der BOKU. Wichtig für die heimischen Betriebe werde vor allem sein, wie künftig die Rahmenbedingungen für die Märkte gestaltet werden und wie man mit Markt- sowie Preisrisiken umgehe. In Österreich stünden dabei Rentabilitätsfragen im Vordergrund.

Die Gemeinsame EU-Agrarpolitik sei in den vergangenen Jahrzehnten mehrmals reformiert und mit neuen Schwerpunkten versehen worden, unterstrich Kantelhardt. Exporterstattungen hätten vor 30 Jahren noch einen wesentlichen Schwerpunkt im Agrarbudget eingenommen und seien mittlerweile auf Null gestellt worden. Gleichzeitig seien Direktzahlungen nunmehr zur tragenden Säule geworden. Ein Faktum sei es auch, dass der Anteil der GAP am gesamten EU-Haushalt beständig sinke. Der Einfluss des Staates auf die landwirtschaftliche Preisgestaltung nehme weiter ab, gleichzeitig stelle man eine höhere Volatilität am Markt fest, so der Experte. Die landwirtschaftliche Produktion werde immer mehr als Bestandteil der Wertschöpfungskette begriffen. Dies äußere sich etwa in einer zunehmenden Bedeutung der Vertragslandwirtschaft und höheren Vorgaben durch Handelspartner.

Im Vergleich mit anderen EU-Ländern gebe es in Österreich kleinere, aber auch stabilere Betriebsstrukturen im Agrarbereich, so Kantelhardt. Ein Ausgleich natürlicher Standort-Benachteiligungen könnte die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Zudem hätten sich in den vergangenen Jahren neue Möglichkeiten in der agrarischen Produktion ergeben. Das außerlandwirtschaftliche Einkommen spiele angesichts der kleinbetrieblichen Struktur weiterhin eine große Rolle. Entscheidend für den Betriebserfolg würden aber auch künftig die Faktoren Innovation und Kreativität sein.