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Know-how und politischer Spin

Mit dem Beginn eines neuen Jahrzehnts werden wir eine neue Regierung haben und erstmals auch
einen Regierungspartner, der den Bauern nicht immer ganz „grün“ ist. Darüber hinaus kommen neue Regelungen und Vorgaben auf die Landwirte zu. STEFAN NIMMERVOLL sprach darüber mit Bauernbund-Chef GEORG STRASSER.

Türkis-Grün scheint fix. Was will der Bauernbund unbedingt umsetzen?

Ärmel aufkrempeln und dort weiterarbeiten, wo wir bereits unter türkis-blau begonnen haben. Wir werden bei der Lebensmittelkennzeichnung voll draufdrücken, Betriebe weiter steuerlich entlasten und nicht zuletzt nationale und europäische Märkte stärker als bisher mitgestalten.

Mit wem war es denn einfacher zu verhandeln? Vor zwei Jahren mit der FPÖ oder diesmal mit den Grünen?

Die Grünen Verhandler sind kompetente Gesprächspartner gewesen. Man sieht aber schon an der Länge der Gespräche, dass es mit der FPÖ einfacher war.

Jahrelang wurden die Grünen als Feinde der Landwirtschaft dargestellt. Wie erklären Sie den Bauernbund-Mitgliedern nun, dass das gar nicht so ist?

Ich persönlich habe die Grünen nie als Feindbild hingestellt. Natürlich gibt es Druckpunkte. Ich sehe aber auch sehr viele Hoffnungsfelder. Eine gute Partnerschaft ist also möglich.

Wie gehen Sie damit um, dass ein Teil des Personals der Grünen aus dem NGO-Umfeld kommt?

Das soll mir recht sein, solange wir einen gemeinsamen Weg von konventioneller und biologischer Landwirtschaft finden. Man merkt bei manchen Grünen ja, dass hohes Fachwissen da ist. Sie haben Know How, aber auch einen gewissen politischen Spin aus den NGOs mitgenommen . Themen wie der Klimaschutz aber auch die Absicherung der bäuerlichen Familieneinkommen waren da sehr geschmeidig zu diskutieren. Die Herangehensweise ist aber oft unterschiedlich.

Beim Klimaschutz kommen große Herausforderungen auf die Bauern zu. Was erwarten Sie von Ursula von der Leyens „Green Deal“?

Der Green Deal ist momentan ein politisches Konzept, dass in den nächsten Monaten und Jahren erst mit Inhalten befüllt werden muss. Ich bin aber positiv überrascht davon, dass darin ein anderer Zugang zu Freihandelsabkommen zu finden ist. Der Schutz der Außengrenzen vor Produkten aus Ländern mit schlechteren Standards ist neu.

Wir realistisch sind CO²-Importzölle, wenn gerade erst bei Mercosur über noch mehr Freihandel verhandelt wurde?

Brüssel ist grüner und vielfältiger geworden. CO²-Zölle werden nicht mehr kategorisch abgelehnt. Das werden wir mit aller politischer Kraft unterstützen.

Besteht nicht die Gefahr, dass wegen des Green Deals Mittel aus dem Agrarbudget in andere Bereiche wandern könnten?

Im Zuge des Green Deals wird es sogar notwendig sein, die Budgets für die Landwirtschaft zu erhöhen. Es werden von uns mehr Leistungen gefordert. Man will uns aber weniger Geld dafür geben. Das passt nicht.

Nach dem Brexit wird das Geld aber an allen Ecken und Enden fehlen. Müsste Österreich nicht mehr nach Brüssel einzahlen, wenn es gleichzeitig erwartet, dass die heimischen Bauern nicht weniger bekommen?

Derzeit lautet die Verhandlungslinie, dass wir ein Prozent des Bruttonationalproduktes nach Brüssel einzahlen wollen. Dazu steht zum Start der Verhandlungen auch der Bauernbund. Die Staaten sind aber sehr unterschiedlicher Meinung. Ich gehe davon aus, dass es im Sinne des europäischen Zusammenhaltes zu Kompromissen kommen wird.

Ist das als Aufforderung an Sebastian Kurz zu verstehen, seine Position als Nettozahler zu überdenken?

Ich habe volles Vertrauen, dass er in Brüssel das Maximum für Österreichs Bauern herausholen wird. Und letztendlich können wir auch das nationale Sicherheitsnetz, mit dem die Neue Volkspartei im Wahlkampf geworben hat, abrufen.

Ist das Versprechen fehlende Gelder national auszugleichen nicht trügerisch? Wie schnell eine Regierung platzen kann, haben wir letzten Mai gesehen.

Solange die Volkspartei in der Regierung ist, wird es für die Bauernfamilien Unterstützung geben. Ich gehe aufgrund der Umfragewerte davon aus, dass wir noch länger an der Spitze der Republik tätig sein werden.

Ein Aufreger ist weiterhin die Erhöhung der Einheitswerte, gerade für kleine Höfe. In Kärnten lässt es ein Bauer auf eine Exekution ankommen. Der Rücktritt des Kammerpräsidenten wird gefordert. Wie stellt sich der Bauernbund dazu?

Heuer wird es eine Evaluierung der Versicherungswertkurve geben, um den Zusammenhang zwischen Verdienst und Sozialversicherungsbeiträgen neu zu bewerten. Ich erwarte mir von der neuen Regierung, dass Maßnahmen zur Steuer- und Abgabensenkung wie auch bei anderen Berufsgruppen greifen. Oberstes Ziel ist es aber, die Pauschalierung in den nächsten Jahren zu halten.

Themenwechsel: Bringt es etwas sich derart vehement für Glyphosat einzusetzen, wenn der Wirkstoff 2023 in Europa sowieso Vergangenheit sein wird?

Dass die Nationalstaaten Glyphosat wahrscheinlich nicht verlängern werden, stimmt. Trotzdem sind noch drei Jahre Zeit, in der Wettbewerbsgleichheit mit anderen europäischen Staaten hergestellt sein muss.

Wäre es nicht sogar eine Chance, jetzt vorzupreschen und als Pionier der Glyphosatfreiheit in Europa für ein positives Image der heimischen Landwirtschaft zu sorgen?

Dazu wäre es nötig, die Regale im österreichischen Einzelhandel glyphosatfrei zu machen. Dann dürften Produkte aus Ländern, wo die Anwendung erlaubt ist, nicht mehr angeboten werden. Da kann sich der Handel beweisen, europarechtlich ist es allerdings schwierig.

Heiß geht es auch bei den Biobauern her. Sie müssen binnen weniger Wochen Änderungen bei der Weidehaltung umsetzen. Hat da jemand geschlafen, dass es zu einer derartig kurzfristigen Information kommen konnte?

Die zuständigen Institutionen haben sich zwei Jahre lang um praxistaugliche Lösungen bemüht, damit die Weideregelungen so abgeändert werden, dass nicht zu viele Betriebe aussteigen. Mir tut es persönlich leid, dass es sehr lange gedauert hat, bis die Information hinausgegangen ist. Im Jänner und Februar werden deshalb intensive Beratungen nötig sein, um Perspektiven für Betriebe in schwierigen Situationen zu finden.

2021 kommt schon die nächste EU-Bioverordnung. Betriebe, die es jetzt schaffen sich anzupassen, könnten dann vor erneuten Herausforderungen stehen. War man in Österreich zu großzügig und hat augenzwinkernd generalisierte Ausnahmen gewährt?

Wenn wir zehn Jahre zurückschauen, dann müssen wir den österreichischen Weg, sich bewusst für Ausnahmeregelungen einzusetzen, schon hinterfragen. Wir müssen die politische Strategie umstellen und das Risiko, welche Maßnahmen halten werden, besser einschätzen. Denn wir wollen Planungssicherheit liefern.

In Holland und Deutschland wurde zuletzt heftig demonstriert. In Österreich ist es im Vergleich dazu relativ ruhig. Geht es den österreichischen Bauern besser?

Das Gefühl als Bauer nicht verstanden zu werden verbindet uns mit diesen Demonstrationen ebenso wie die stagnierenden Einkommen. Wir sind in Österreich in den letzten drei Jahrzehnten aber in der Agrarpolitik einen anderen Weg gegangen und haben ökologische Leistungen über das ÖPUL finanziell ausgleichen können. Deshalb ist der gesellschaftliche Diskurs etwas leichter. Die Deutschen bekommen aktuell Regelungen ohne finanzielle Abgeltung vor den Latz geknallt. Das unterscheidet uns.

Bringen solche Aktionen etwas?

Ich sehe es ähnlich wie Bauer Willi: Eine Hilfe sind sie nur, wenn die Gesellschaft die Anliegen versteht. Wenn als Erkenntnis stehen bleibt, dass den deutschen Bauern Wasser, Boden und Luft egal sind, haben wir Bauern das Match allerdings verloren.

Also keine Bauernbund-Demonstrationen in Österreich?

Der Bauernbund unterstützt gerne Maßnahmen, bei denen die Bevölkerung besser informiert wird. Wenn junge Bauern aus dem Pielachtal am Heldenplatz auf ihre Lage aufmerksam machen, ist das genauso sinnvoll wie wenn man mit grünen Kreuzen versucht die Bevölkerung aufzuklären. Wir müssen uns aber immer die Frage stellen, ob und wie Dinge von den Menschen verstanden werden.

ZUR PERSON Georg Strasser, geboren 1971 in Amstetten, ist seit Oktober 2013 Abgeordneter zum Nationalrat und seit August 2017 Bauernbund-Präsident. Strasser studierte an der BOKU Lebensmittel- und Biotechnologie und ist seit 1999 Landwirt. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.