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Immer weniger Rübenbauern wollen weitermachen

Das Verbot des Beizmittel-Wirkstoffes Neonics zum Anbau, die Auswirkungen der Rüsselkäferplage und dazu ein neuerliches Preistief, das sind die beherrschenden Themen bei den Winterversammlungen des Rübenbauernbundes. Nicht wenige Landwirte haben sich noch nicht entschieden, ob sie im kommenden Jahr weiter Zuckerrüben anbauen werden und zieren sich, dafür Flächen zu kontrahieren.

Bei einer Rübenbau-Versammlung dieser Tage in Stockerau skizzierte der Präsident der Rübenbauern, Ernst Karpfinger die aktuellen Sorgen seiner Berufskollegen. Auch im südlichen Weinviertel habe der Rübenderbrüssler im Frühjahr knapp nach der Aussaat die noch jungen Pflanzen hektarweise kurz und klein gefressen. Auf Feldern, die vom Käfer weniger intensiv geschädigt wurden, sorgte später das Auftreten der Rübenmotte für Probleme und letztlich nach der Ernte für massive Fäulnis der Rüben auf den Lagerplätzen. In Gebieten, die von den beiden Schadinsekten eher verschont geblieben waren, sorgte die Blattfleckenkrankheit Cercospora für Ertragsverluste.

Besonders zugesetzt habe den Rübenfeldern heuer auch die anhaltende Trockenheit über die gesamte Saison. 11.000 von insgesamt 39.000 Hektar Rübenfelder seien heuer wegen massivem Schädlingsbefall bereits wenige Wochen nach der Saat wieder eingeackert und bis zu drei Mal neu ausgesät worden, berichtete Karpfinger. Letztlich fehle heuer etwa ein Viertel der Rübenfläche gegenüber früher. Auf rund 700 Betrieben sei heuer keine einzige Rübe geerntet worden. Besonders schlimm getroffen habe es die Biorübe. Vor anfangs 1.700 Hektar seien 86 Prozent umbrochen und nachgebaut worden. Auf mehr als zwei Drittel ohne Erfolg.

Zwar liege der Durchschnittsertrag aller Produzenten geschätzt bei immerhin 70 Tonnen pro Hektar. „Aber der Zuckergehalt ist ernüchternd niedrig“, so Karpfinger. Daher falle die Vollkostenrechnung laut Angaben des Rübenbauernbundes bei allen Betrieben negativ aus, „der Deckungsbeitrag beträgt je nach Situation null oder knapp darüber.“

Wie es nach der diesjährigen Rüsselkäfer-Epidemie in den kommenden Jahren weitergeht, können auch Rübenbau-Experten nicht seriös beantworten. Einige Pflanzenschutz-Präparate gegen den Käfer haben zuletzt kaum Wirkung gezeigt, andere Wirkstoffe wurden verboten oder deren weitere Zulassung droht auszulaufen. Dazu kommt, dass die Börsennotierung für Weißzucker und damit die Rübenpreise in den Keller gerasselt sind. Auch im bis auf den letzten Platz gefüllten Saal in Stockerau wissen daher viele Rübenbauern immer noch nicht, ob und wenn ja wie viele Zuckerrüben sie im nächsten Jahr noch anbauen sollen.

Somit stockt vorerst auch der Vertragsanbau für 2019 „Erst zwei Drittel unserer Mitglieder haben schon kontrahiert“, weiß Ernst Karpfinger. Die anderen warten derzeit noch ab, ob es künftig weiterhin Beizmittel mit dem mittlerweile verbotenen Wirkstoff Neonicotinoide in Form von Notfallzulassungen geben wird. Karpfinger und seine Berufskollegen hoffen auf einen positiven Bescheid. Wohl auch davon hänge es ab, ob die Rübenflächen in Österreich 2019 zumindest nicht unter 30.000 Hektar fallen werde.

In Österreichs Nachbarländern Ungarn und der Slowakei, aber auch in Rumänien, Belgien oder Finnland wurden solche Ausnahmegenehmigungen bereits beschlossen. Ohne die Notfallzulassungen von vier erwünschten Präparaten für den Rübenanbau würden den heimischen Bauern nämlich zusätzliche Kosten für Pflanzenschutzmaßnahmen von 300 Euro pro Hektar entstehen. Und das sei, so Karpfinger, den Landwirten in ihrer derzeit besonders tristen Lage nicht zumutbar.

Das habe man bei einem „Aktionsgipfel“ auch den Vertretern des Landwirtschaftsministeriums mitgeteilt. Verärgert sind nämlich viele Rübenbauern immer noch darüber, dass sich Österreich aus ihrer Sicht auf EU-Ebenen nicht entschieden gegen das Neonics-Verbot eingesetzt habe und machen Ministerin Elisabeth Köstinger dafür verantwortlich. Zuckerrüben seien offenbar weniger attraktiv als das Thema Bienenschutz. „Auch steckt einigen Politikern offenbar immer noch das Schicksal von Niki Berlakovich in den Knochen (der wegen seines Eintretens für den umstrittenen Wirkstoff politisch prompt an Rückhalt verloren hatte, Anm.)“, meint der Rübenbauern-Funktionär. Kaum jemand traue sich noch, „für modernen Pflanzenschutz“ in die Bresche zu springen.

Indes versuche der Rübenbauernbund gemeinsam mit dem Zuckerkonzern Agrana „zu retten, was noch zu retten ist.“ So sei bereits ungewöhnlich früh eine Branchenvereinbarung mit einer erstmaligen Basisprämie von 170 Euro je Hektar getroffen. Die Österreichische Hagelversicherung wiederum bezahlt ihren Kunden bei Schäden durch tierische Schädlinge das Saatgut. Damit werde das Risiko vermindert „und die Motivation steigt, es nochmals mit den Rüben zu versuchen“, hofft Karpfinger.

Künftig weiterhin in einem Ausmaß wie heuer den Rübenrüssler durch mehrmaligen Nachbau zu bekämpfen und letztlich doch massive Ertragsverluste einzufahren mache jedoch keinen Sinn, meint der oberste Rübenbauer im Land. Weshalb auch die Lieferverpflichtung künftig kulanter gehandhabt werden sollen. „Unsere Mitglieder müssen in den nächsten drei Jahren tatsächlich nur noch mindestens einmal Rüben abliefern.“ Man wolle auch damit alles daransetzen, um letztlich beide in Österreich verbliebene Zuckerfabriken in Tulln und Leopoldsdorf zu erhalten. „Damit es sie noch gibt, wenn sich die angespannte Marktlage mittelfristig wieder erholt.“

Bei Agrana hält man sich zu alldem bedeckt. Interviewanfragen von BLICK INS LAND werden seit Wochen sehr höflich, aber bestimmt abgelehnt.

STEFAN NIMMERVOLL