GMEINER MEINT

Foto: Daniela Koeppl

Frische Luft in alte Kammern

Die Frau Ministerin gratulierte der Kammerpräsidentin in Oberösterreich und ihrem Kollegen in der Steiermark zum Ergebnis bei den Kammerwahlen, der Präsident der LK Österreich tat es und der des Bauernbunds sowieso. Dass der Bauernbund da wie dort mehr als zwei Drittel der Stimmen – in der Steiermark sogar mehr als 70 Prozent – bekam, darf ihn auch mit Freude erfüllen. Mit dem Stolz, den man bei solchen Gelegenheiten auch immer gerne im Mund führt, ist das freilich schon so eine Sache. Denn da ist noch ein Thema, über das man gar nicht reden mag, über das man aber dringend reden sollte – die Wahlbeteiligung an den Landwirtschaftskammerwahlen. Und da ist nichts mit Stolz. Gar nichts.
Sie lag in beiden Bundesländern abermals deutlich unter den Werten der vorangegangenen Wahlen. In Oberösterreich rutschte sie von 53,6 Prozent bei den Wahlen 2015 unter die 50-Prozent-Marke auf 49,04 Prozent. In der Steiermark gingen überhaupt nur 30 Prozent der Wahlberechtigten zu den Wahlen. Das ist eigentlich nichts denn peinlich.
Eine Vertretung, der ihre Mitglieder in einem derartigen Ausmaß die kalte Schulter zeigen, hat wohl dringenden Bedarf, die Ursachen dafür zu erforschen. Ernsthaft, ohne Wenn und Aber, ohne Rücksichten und ohne sich selbst zu belügen. Das bleibt der Landwirtschaftskammer in Oberösterreich nicht erspart und der in der Steiermark schon gar nicht. Und auch nicht all den anderen Kammern.
Für sie führt kein Weg herum, die Bauern wieder zu erreichen. Sonst werden sie gar nicht mehr ernstgenommen. Nicht von den Bauern selbst, aber auch nicht von der Politik und der Gesellschaft, in der sie die Interessen der Bauern vertreten sollten. Zu dröge ist man oft, zu sehr auf das Bewahren bedacht, viel zu oft passiv und in Dauerverteidigung gefangen und in der Vergangenheit. Man hat im Bestreben, die Bauern vor Veränderungen zu schützen, an Glaubwürdigkeit eingebüßt und den Zug der Zeit verpasst. Wenn es um agrarische Themen geht, glaubt die Gesellschaft heute NGOs, Handelsketten, Influencern im Internet und selbstherrlichen „Wutbauern“ mehr als den Experten der Kammern. Oft drängt sich der Eindruck auf, es gehe Kammermitarbeitern und Funktionären mehr um den Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes und der eigenen Bedeutung als um die Erhaltung der Höfe.
Darüber hat man auch die Bauern und ihre Bedürfnisse oft aus den Augen verloren. Mit neuen Trends in der Gesellschaft, auf den Märkten und in der Produktion weiß man oft nur wenig anzufangen. Man versteht sich zuweilen großartig auf die Vertretung der Interessen von Bauern, die mit dem Wandel und den Anforderungen der Gesellschaft nicht zurecht kommen. Man hat aber für die vielen vor allem jungen Bauern, die Landwirtschaft als Chance begreifen und nicht als Bedrohung, die davon leben wollen und die neue Ideen haben und diese auch verwirklichen wollen, mitunter nur sehr wenig zu bieten. Für sie und ihre Bedürfnisse hat man oft nur wenig Verständnis, zu wenig Antworten, zu selten Rat. Und schon gar keine Vision.
Dass sich in manchen Landwirtschaftskammern in den vergangenen Jahren manches verändert hat, ist anzuerkennen. Aber es ist allem Anschein nach viel zu wenig.