Foto: Land Burgenland

„Gemeinwohl muss im Vordergrund stehen“

SPÖ-Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil will das Burgenland in Richtung 100 % biologischer Landwirtschaft entwickeln. BLICK INS LAND hat mit der für diese „Bio-Wende“ zuständigen Landesrätin ASTRID EISENKOPF gesprochen.

Bis 2027 soll die Hälfte der Flächen im Burgenland bio sein. Ist das nicht sehr ambitioniert?

Eisenkopf: Wenn man etwas erreichen will, muss man sich sehr hohe Ziele stecken. Wir haben im Burgenland mit 31 Prozent aktuell den zweithöchsten Bio-Anteil nach Salzburg und gehen davon aus, dass die 50 Prozent bei entsprechenden Anreizen bis zum Ende der kommenden GAP-Periode 2027 durchaus realistisch sind.

In der aktuellen Programmperiode können Bauern gar nicht mehr in die Maßnahme „biologische Wirtschaftsweise“ einsteigen. Bis zum Beginn der neuen könnte es sogar 2023 werden. Wird bis dahin überhaupt jemand umstellen wollen?

In den Gesprächen, die ich führe, erkenne ich durchaus noch Bereitschaft umzusteigen. Daher wollen wir die Übergangszeit, in der keine EU-Förderungen zur Verfügung stehen, überbrücken und haben eine Bio-Umstiegsförderung von 15.000 Euro pro Betrieb präsentiert. Diese wird ab Juli zur Verfügung stehen. Für einen größeren Betrieb wird das vielleicht nicht der große Anreiz sein. Wir glauben aber, dass wir kleinere und mittlere Betriebe damit erreichen können.

Experten befürchten, dass es, etwa beim Bio-Getreide, bald zu einem Preisverfall kommen könnte, weil zu viel Ware da sein wird. Ist es verantwortbar, weitere Bauern in einen gesättigten Markt zu drängen?

Es wird sicher notwendig sein, sich am Markt zu orientieren. Ich sehe eine solche Sättigung aber momentan nicht. Im Lebensmittelhandel sind wir generell erst bei zehn Prozent Bio-Ware. Es ist also noch Luft nach oben. Um mit gutem Beispiel voranzugehen, werden wir das Landhausbuffet, die Landhausküche und alle landesnahen Unternehmen Schritt für Schritt auf bio umstellen. Bis 2024 soll auch das Essen in Schulen und Kindergärten zu hundert Prozent umgestellt werden.

Sind die Konsumenten auch bereit, höhere Preise für mehr bio mitzutragen?

Ja, auf breiter Front. 70 bis 80 Prozent der Leute geben in Umfragen an, dass sie für hochwertige biologische und regionale Produkte einen höheren Preis bezahlen wollen.

Aber kommt dieser Wunsch dann auch an der Supermarktkassa zum Ausdruck?

Wir müssen auch Bewusstsein für einen zielgerichteten Einkauf schaffen. Wenn bis zu 50 Prozent der Lebensmittel, die eingekauft werden, wieder weggeschmissen werden, gibt es einige Schrauben, an denen man drehen kann. Dann kommt man mit den Ausgaben trotz bio nicht viel weiter hinauf.

Die SPÖ und die von ihr dominierte Arbeiterkammer sind bisher aber eher dafür bekannt gewesen, für billigere Lebensmittel einzutreten. Wie passt das zusammen?

Die Forderung nach billigeren Lebensmitteln ist vor allem an den Handel zu richten. Dort liegen die großen Spannen. Und wenn qualitativ höherwertige Lebensmittel einen etwas höheren Preis haben, ist das zu akzeptieren.

Bedeutet die Bio-Wende nicht auch: Hier produzieren wir mit besonders hohen Standards, aber die billige Ware holen wir uns eben von anderswo?

Das soll es nicht sein. Ich betone immer wieder, dass der Optimalzustand bio und regional ist. Die Konsumenten werden immer mehr bereit sein, auch bio zu kaufen. Wir werden einen Kreislauf in Gang setzen, der sich zum Positiven entwickeln wird.

Steckt in einer lautstark angekündigten Bio-Wende nicht dennoch ein Hauch Populismus?

Das sehe ich nicht so. Das Burgenland hat sich immer schon dadurch ausgezeichnet, in gewissen Bereichen eine Vorreiterrolle einzunehmen – etwa bei den Erneuerbaren Energien. Wir haben uns für einen nachhaltigen Weg entschieden. Die Bio-Landwirtschaft ist dafür sicher einer der wichtigsten Mosaiksteine. Das hat nichts mit Populismus zu tun, sondern damit, dass wir uns mit den Fragen der Zukunft beschäftigen.

Verstehen Sie, dass sich konventionelle Bauern nicht mehr wertgeschätzt fühlen?

Das ist nicht notwendig. Ich habe immer betont, dass es ein Miteinander geben muss. Wir wollen aber auch Überzeugungs- und Unterstützungsarbeit leisten.

Will ein Bauer künftig einen neuen Stall bauen, muss er auf bio umstellen. Was passiert mit jenen, die damit schlicht nichts anfangen können?

Wenn sich das Land zu dieser Bio-Wende bekennt, ist es nur konsequent, dass es von seinen Möglichkeiten Gebrauch macht. Wir werden daher eine neue Widmungskategorie „Grünland Bio Tierhaltung“ in der Raumplanung schaffen. Bestehende Betriebe werden aber nicht angetastet. Auch eine bestehende Widmung auf einem Grundstück wird nicht angegriffen. Das fällt unter Vertrauensschutz und Bestandsgarantie. Zusätzliche Flächen wird es aber nur mehr für Bio-Ställe geben.

Manche Agrarrechtsexperten gehen davon aus, dass das rechtlich gar nicht halten wird. Erwarten Sie Klagen dagegen?

Das kann man in einem Rechtsstaat nie ausschließen. Unsere Juristinnen und Juristen sehen darin aber kein Problem.

Auch das Bodenschutzgesetz soll geändert werden, um abgeschwemmtes Erdreich zu verhindern. Wie sollen die daran gebundenen Bewirtschaftungsregeln ausschauen?

Die Gemeinden sollen die neuralgischen Punkte benennen, also wo es Probleme bei Starkregenereignissen gibt. Auch die Bezirksverwaltungsbehörde kann von Amts wegen tätig werden. In Zusammenarbeit mit Sachverständigen wird man sich dann vor Ort anschauen, welche Maßnahmen ganz zielgerichtet auf dem entsprechenden Punkt festgesetzt werden. Für mich ist in diesem Zusammenhang ganz klar, dass das Gemeinwohl der Bevölkerung im Vordergrund stehen muss.

Die burgenländischen Rübenbauern beklagen sich, dass sie, anders als ihre Kollegen in Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark, keine Notfallzulassung für neonicotionoide Beizen bekommen haben. Warum gibt es da Unterschiede?

Man kann nicht bei jeder Gelegenheit von Nachhaltigkeit sprechen und sich über das Insektensterben beklagen und solche Stoffe über die Hintertür wieder zulassen. So etwas ist weder mit einer Bio-Wende, noch mit nachhaltiger Landwirtschaft unter einen Hut zu bekommen.

Aber ist es fair, burgenländischen Bauern Mittel vorzuenthalten, die anderswo zugelassen sind?

In Gesprächen mit Rübenbauern ist ganz klar herausgekommen, dass auch die Mengen, die in anderen Bundesländern zugelassen waren, nicht ausgereicht haben, um den Rübenderbrüssler tatsächlich wirkungsvoll zu bekämpfen. Ich sehe also die Agrarlobby in Zugzwang. Themen wie die Neonicotinoide, aber auch Glyphosat, sind seit Jahren bekannt. Es ist aber nicht viel weiterentwickelt worden. Hier muss man in Bereiche investieren, die nicht gesundheitsschädlich sind.

Im Burgenland gibt es einige relativ große Gutsbetriebe. Wie viele Förderungen sollen solche bekommen?

Das muss man sich von Fall von Fall anschauen. So viel, dass man vernünftig nachhaltig produzieren und die Menschen im Burgenland mit Lebensmitteln versorgen kann. Millionenzahlungen, wie sie manche Agrarkonzerne bekommen, fallen da aber sicher nicht darunter.

In den meisten Bundesländern ist der Posten des Agrarlandesrates fest in ÖVP-Hand. Wie schwierig ist es für Sie als SPÖ-Politikerin mit der „burgenländischen Sondersituation“ umzugehen?

Ich habe bis jetzt noch kein Problem gehabt. Ich bin mit der Landwirtschaftskammer auf Augenhöhe. Die Gesprächsbasis ist sehr gut. Aus meiner Sicht gibt es überhaupt keine Vorbehalte.

Das Verhältnis zur Landwirtschaftskammer war aber nicht immer ganz friktionsfrei. Man hat sehr intensiv über massive Einschnitte bei der Finanzierung durch das Land diskutiert. Ist das jetzt ausgeräumt?

Damals war ich noch nicht Agrarlandesrätin. Ich habe persönlich ein durchaus gutes und offenes Verhältnis zu Präsident Berlakovich.

Soll die LK auf längere Sicht der Partner der Wahl bei der Umstellungsberatung sein?

Absolut. Die Kammer hat sich zur Bio-Wende bekannt. Daher werden wir das eine oder andere Projekt gemeinsam umsetzen. So wird die Landwirtschaftskammer federführend bei der Schaffung der Bio-Modellregionen sein.

Also wird es zu keinen weiteren Kürzungen im Kammerbudget kommen?

Dazu gibt es jedes Jahr neue Verhandlungen. Es gibt eine Gruppe mit Vertretern der Kammer und des Landes, die schaut, dass die Fördermittel zielgerichtet eingesetzt werden. Diese wird entsprechende Vorschläge abgeben, wie das in Zukunft aussehen wird.

Im kommenden Jahr soll im Burgenland gewählt werden. Welche Bedeutung wird die Bio-Wende im SPÖ-Wahlkampf haben?

Die Bio-Wende ist kein Wahlkampfthema. Es geht um unsere Zukunft und um Nachhaltigkeit – und um kluges Wachstum für unser Burgenland. Wir wollen einen nachhaltigen Lebensstil, gesunde Böden und gesunde Lebensmittel für unsere nächste Generation.

Ist der Job der Agrarlandesrätin ihr Traumressort? Wollen Sie das auch nach der Wahl noch sein?

Es ist gut, wenn man sich Herausforderungen stellt und spannend, wenn man sich mit Gebieten auseinandersetzt, mit denen man in der Vergangenheit nicht so viele Berührungspunkte hatte. Ich habe mich in den letzten Monaten sehr intensiv mit der Landwirtschaft beschäftigt. Es ist ein schöner Aufgabenbereich. Wie die Ressortverteilung nach der Landtagswahl ausschauen wird, steht aber in den Sternen. Zunächst ist der Wähler am Wort. Ich habe aber absolut nichts dagegen einzuwenden, auch weiterhin Agrarlandesrätin zu bleiben.

Astrid Eisenkopf (35) kommt aus Steinbrunn in der Nähe von Eisenstadt. Sie ist seit 2015 Mitglied der burgenländischen Landesregierung und war zunächst unter anderem für Umwelt- und Naturschutz zuständig. Seit einer Regierungsumbildung durch den neuen Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil Ende Februar ist sie auch für Agraragenden verantwortlich.