Foto: Hagelversicherung

Flächenverbrauchsreduktion bleibt Lippenbekenntnis

 

 

Die Bundesanstalt Statistik Österreich hat gefragt „Wie geht’s Österreich?“ in Sachen materiellem Wohlstand, Lebensqualität und Umwelt? Zusammengefasst lautet die Antwort: Lebenszufriedenheit im Jahr 2019 weiter hoch, deutlich wachsender Wohlstand, aber auch Emissionen und Ressourcenverbrauch erhöht – nun wirkt sich Corona aus! Unabhängig davon, stellt die Flächenversiegelung weiterhin eines der größten Umweltprobleme dar: Die Flächenversiegelung, also der Bodenverbrauch, wuchs seit 2001 mit 25,7% deutlich schneller als die österreichische Bevölkerung (+10,4%).

„Es kann nicht sein, dass aktuell knapp 13 Hektar oder umgerechnet 20 Fußballfelder zubetoniert werden. Wir müssen handeln! Warum? Von Beton kann man nicht abbeißen. Faktum ist, dass wir ohne unsere Landwirtschaft nichts zum Essen hätten. Durch Verbauung schwindende Agrarflächen und zunehmende Wetterextreme wie Frost, Hagel, Dürre, Sturm und Überschwemmung gefährden immer mehr die nationale Versorgung mit Lebensmitteln. Wir müssen selbst die Voraussetzungen für eine Ernährung der Bevölkerung im Krisenfall schaffen. Daher gilt es, weiter für den Erhalt der Böden als systemrelevante Infrastruktur zu kämpfen. Wir brauchen ein neues Wirtschaftsdenken, das den Wohlstand einer Volkswirtschaft nicht nur an der Kennzahl des Bruttoinlandsprodukts beurteilt, sondern auch am Erhalt unseres Naturkapitals wie Boden, Luft oder Wasser. Berücksichtigt gehört aber auch die Messgröße Humankapital – wie geht es den Menschen bei der Weiterentwicklung der Wirtschaft. Sonst gefährden wir dauerhaft den Wirtschafts- und Tourismusstandort Österreich auf dem Rücken unserer Kinder und Kindeskinder“, weist Dr. Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung, auf die Notwendigkeit eines Umdenkens hin.

Um den Bodenverbrauch auf den im Regierungsprogramm verankerten 2,5-Hektar-Zielwert einzudämmen, muss ein Bündel an Maßnahmen umgesetzt werden, wie auch Univ.-Prof. Dr. Gernot Stöglehner, Leiter des Instituts für Raumplanung, Umweltplanung und Bodenordnung an der Universität für Bodenkultur Wien, fordert: „Die österreichische Siedlungstätigkeit ist vielerorts gekennzeichnet durch ausufernde Siedlungen und eine niedrige Bebauungsdichte. Wir brauchen ein Umdenken in Richtung Innenentwicklung! Das bedeutet: Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und viele weitere Raumnutzungen sind innerhalb der bestehenden Siedlungsränder unterzubringen. Überbordende Baulandwidmungen sollten zurückgewidmet werden. Die Gemeinden überschätzen vielfach den Baulandbedarf, sodass teilweise Baulandreserven auf Jahrzehnte gewidmet sind. Wird der Baulandüberhang mit dem 2,5 Hektar-Bodenschutzziel der österreichischen Bundesregierung verglichen, haben wir österreichweit Baulandreserven bis 2100, also für 80 Jahre vorrätig. Diese Form des Weitblicks ist in diesem Fall aber kurzsichtig. Es sollte daher ein Mechanismus eingeführt werden, neue Baulandwidmungen durch Rückwidmungen an anderer Stelle zu kompensieren.“

Folgende Maßnahmen wären daher zweckdienlich:

  • Laut Umweltbundesamt gibt es in Österreich 40.000 Hektar leerstehende Immobilien (das entspricht der Fläche der Stadt Wien). Eine Revitalisierung dieser Brachflächen ist aber finanziell aufwendiger als ein Neubau auf der grünen Wiese. Daher braucht es finanziellen Anreiz für eine Revitalisierung leerstehender Immobilien.
  • Laut Umweltbundesamt steht eine Fläche von 72.100 Hektar als Baulandreserve frei. Das entspricht fast der 5-fachen Fläche von Graz. Dennoch wird neues Bauland gewidmet.
  • Um Baulücken und Leerstände in Ortskernen transparent zu erfassen und zu nutzen, braucht es eine Leerstands-Datenbank und eine Flächenmanagement-Datenbank für Gemeinden.
  • Innenentwicklung vor Außenentwicklung: Baulandausweisungen sollen nur noch dann genehmigt werden, wenn die betreffende Gemeinde nachweisen kann, dass keine angemessenen Innenentwicklungsmöglichkeiten bestehen.
  • Schutz besonders wertvoller Flächen (landwirtschaftlicher Vorrangflächen), wie in der Schweiz, wo die produktivsten Landwirtschaftsböden für die Ernährungssicherung der Bevölkerung gesetzlich vor Verbauung geschützt sind
  • Vermehrtes Bauen in die Höhe und in die Tiefe
  • Ausbau des öffentlichen Verkehrs, da dieser weniger Fläche in Anspruch nimmt
  • Kommunalsteuer als Landessteuer und interkommunaler Finanzausgleich
  • Quantitative und messbare Zielwerte für die tägliche Flächeninanspruchnahme auf Landesebene sind in Novellierungen der Raumordnungsgesetze zu verankern.

„Nachhaltige Reformen sind jedenfalls notwendig. Gerade die Sanierung des Leerstands unter dem Motto ‚Sanieren statt Wiesen und Äcker zubetonieren‘, schafft tausende Arbeitsplätze, stärkt die Wirtschaft und schont die Umwelt. Ein perfektes Beispiel, bei dem sich Ökologie und Ökonomie ergänzen und das kluge Volkswirtschaften und Unternehmen bereits erkannt haben!“, appelliert Weinberger an die politischen Entscheidungsträger in den Bundesländern.