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„Brauchen professionellere Jagd“

Alles andere als konfliktfrei gestaltete sich zuletzt das Verhältnis zwischen Forstwirten und Jägern. Der Vorsitzende des Vereins Pro Silva Austria, Eckart Senitza, verlangt eine striktere Kontrolle der Abschusspläne und eine bessere Aufklärung der Jäger.

BLICK INS LAND: Nach Borkenkäfer und Windwurf müssen große Waldflächen wieder aufgeforstet werden. Junge Pflanzen fallen aber oft dem Wild zum Opfer. Wie ist die Verbisssituation?

Eckart Senitza: Sehr dramatisch. Der Schalenwildverbiss wird laut Waldzustandsbericht des Landwirtschaftsministeriums auf der gesamten Staatsfläche als „wesentlich“ eingestuft. Seit März liegen auch die neuesten Ergebnisse des bundesweiten Wildeinflussmonitorings vor. Die darin beschriebene Situation hat sich insgesamt nicht nachhaltig verbessert.

Ihr Verein tritt stark für Naturverjüngung ein. Da ist der Wildverbiss besonders spürbar …

Ja. Bei Naturverjüngungen erkennt man den Keimlingsverbiss gar nicht auf den ersten Blick und er wird beim Wildeinflussmonitoringng nicht erfasst. Der Verbiss bei Pflanzungen ist deutlich sichtbarer. Mischbaumarten wie Eichen oder Tannen sind dabei besonders gefährdet. Insbesondere im Klimawandel können wir aber nicht nur auf die Fichte setzen, sondern müssen breit aufgestellt sein. Doch viel zu hohe Wildbestände fressen die klimastabilen Pflanzen wieder weg.

Also mehr Wild abschießen?

Wir fordern eindringlich „Wald“ vor „Wild“ zu stellen. Die Abschusszahlen müssen eingehalten und kontrolliert werden. In Brennpunktgebieten würde ich sogar so weit gehen, auch in Tieflagen Freihaltezonen, wie beim Schalenwild im Schutzwald, zu verlangen. Wenn durch Windwurf eine Kahlfläche entstanden ist, die unbedingt schnell wieder bewaldet werden soll, muss es Schwerpunktbejagungen geben.

Sind die Behörden untätig?

Wir erkennen ein erhebliches Vollzugsdefizit. Es muss mehr Druck geben, dass das vollzogen wird, was in den Plänen steht. Denn waldangepasste Wildstände sind ein gemeinsames Ziel, auch in der „Mariazeller Erklärung“ zwischen Wald- und Jagdseite.

Auch die Wildfütterung wurde im vergangenen Winter stark diskutiert. Muss diese eingeschränkt werden?

Wild heißt Wild, weil es wild ist. Es kann grundsätzlich ohne Fütterung überleben und ist in der Lage, den Stoffwechsel in schweren Wintern stark zu reduzieren. Diese kann nur eine Lenkungs- und Überbrückungsmaßnahme sein. Es sind aber Ruhe und Bereiche nötig, in die weder Skifahrer noch Tourengeher oder Jäger hineinkommen. Und Hubschrauberflüge im Hochgebirge sind das Schlimmste, das man dem Wild antun kann.

Verstehen die Jäger solche Notwendigkeiten?

Man muss ihnen die Dringlichkeit der Situation klarlegen. Positive Beispiele und Kontrollzäune können helfen zu überzeugen. Gut meinende Jäger, die sagen, dass sie ohnehin jeden Tag draußen sind, tragen nicht immer zur Lösung bei.

Sind vielerorts Berufsjäger erforderlich, die entsprechend ausgebildet an ihr Werk gehen?

Auch hier zeigt sich: Die einen wollen gute Trophäen anbieten, die anderen erfolgreich den Wildstand reduzieren. Es muss aber eine professionellere Jagdausübung geben. Wir brauchen Intervalljagden und dürfen das Wild nicht zum nachtaktiven Tier erziehen. Mit reinen Sonntagsjägern wird das schwierig werden.

Wäre es eine Lösung, wenn die Eigentümer der Wälder selbst Jagdscheine lösen und an das Problem so herangehen?

Selbstverständlich. Viele Forstwirte haben selbst Begehungsscheine innerhalb der Gemeinde und im eigenen Hofbereich. Manche sind sehr erfolgreich, aber auch sehr angefeindet. Es ist ein zäher Überzeugungskampf über Jahre. Nur zu schimpfen und keine Beziehung zur Jagd zu haben, ist aber zu wenig.

Welche waldbaulichen Maßnahmen könnten helfen, den Verbiss zu reduzieren?

Man muss bei der Begründung von Aufforstungen daran denken, wie man diese Flächen in Zukunft bejagen kann, also Schneisen frei lassen, um spätere Infrastruktur zu planen. Sonst haben wir Dickungsbereiche, die unbejagbar, aber anfällig für Schälschäden sind. Der Verbissdruck ist in einem arten- und verjüngungsreichen Wald geringer, weil das Äsungsangebot höher ist. Aber da muss man erst einmal hinkommen. Beim Umbau müssen wir ein Tal mit hohen Abschusszahlen durchschreiten. Innerhalb von fünf Jahren ist aber ein Erfolg zu erreichen.

ZUR PERSON

Eckart Senitza (60) bewirtschaftet seit 1992 das Gut Poitschach bei Feldkirchen in Kärnten. Nebenbei betreibt er ein Ingenieurbüro für Forstwirtschaft. Seit 2012 ist er Vorsitzender von Pro Silva Österreich und seit 2017 Präsident der europäischen Dachorganisation.

www.prosilvaaustria.at