LANDWIRTINNEN UND LANDWIRTE Der Maschinenring hat eine lange Historie im Bereich der Betriebshilfe. Warum nimmt sich Ihre Organisation so besonders um soziale Aspekte an? Hinterberger: Der Maschinenring ist als Verein zur Hilfe zur Selbsthilfe für Bau- ern gegründet worden. Daraus hat sich der wirtschaftliche Zweig entwickelt. Wir haben aber immer die Hilfe und Unterstützung der Bauern und den so- zialen Aspekt mit beibehalten. Deshalb gibt es dieses Projekt, aber auch den Verein „Bauern für Bauern“, um in sozi- ale Not geratene Bauernfamilien finanzi- ell zu unterstützen. Gerade im sozialen Kontext unterstützen wir alle Landwir- tinnen und Landwirte, egal ob sie Ma- schinenring-Mitglied sind oder nicht. Müssen Bäuerinnen und Bauern mehr leisten als andere Gesellschafts- gruppen? Hinterberger: Einschlägige Studien bestätigen, dass Landwirtinnen und Landwirte die meistbelastete Berufs- gruppe Österreichs sind. Vor 15 oder 20 Jahren hat es, neben Arbeitsspitzen im Sommer, im Winter auch wieder ru- higere Zeiten gegeben. Das ist Vergan- genheit. Die tierhaltenden Betriebe ha- ben investiert und arbeiten nun ohne Ruhezeiten 365 Tage im Jahr, von fünf Uhr in der Früh bis teilweise 22 Uhr am Abend. Mit der erhöhten Arbeits- belastung wurden jedoch nicht mehr Arbeitskräfte am Hof beschäftigt als der Arbeitsumfang erfordern würde. Die Schere zwischen Arbeitsumfang und personellen Ressourcen geht im- mer weiter auseinander. Zuerst arbei- ten die Eltern am Hof noch mit, doch fallen diese alters- oder krankheitsbe- dingt mit der Zeit weg. Kinder wollen teilweise den Hof nicht mehr überneh- men, weil ihnen die Belastung zu groß erscheint und fallen damit als Arbeits- kraft ebenfalls aus. Und irgendwann spitzt sich die Situation zu. Die Last für einen Einzelnen wird einfach zu groß. Gerade wenn man als junger Landwirt einen Betrieb weiterentwickeln will, hat man große Pläne. Wie groß ist die Ge- fahr, dass man sich dabei übernimmt? Hinterberger: Die Gefahr ist dann ge- geben, wenn ich mit der fixen Arbeits- kraft von Familienmitgliedern rechne. Und sie ist gegeben, wenn man sich finanziell durch Investitionen zu sehr übernimmt. Je mehr ich investiere, desto mehr muss ich arbeiten, um die Kredite bedienen zu können. Daher ist es nötig, zu Beginn von der Landwirt- schaftskammer einen Betriebscheck machen zu lassen und vor jeder Inves- tition ganz klar durchzurechnen, wie viele Arbeitsstunden diese nach sich zieht. Man muss den Betrieb bewusst so aufstellen, dass man sich auch Ur- laub und Auszeit nehmen kann. Da gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, sich beim Maschinenring einen wirtschaft- lichen Betriebshelfer zu nehmen, der zweimal im Monat ein oder zwei Tage fix auf den Hof kommt. Dann habe ich immer in jeder Situation sofort jeman- den, der meinen Betrieb kennt und als gut ausgebildete Arbeitskraft zur Ver- fügung steht. Oft können mithelfende Angehörige aufgrund der Komplexität der Mechanisierung und der Digitalisie- rung gewisse Arbeiten gar nicht mehr durchführen, oder fühlen sich dadurch überfordert. Wenn ein neuer Stall gebaut wurde oder ein Projekt fremdfinanziert wur- de, ist man oft in einem Hamsterrad gefangen. Gibt es Strategien, um aus dieser Getriebenheit wieder he- rauszukommen? Hinterberger: Sich Beratung holen, so- wohl wirtschaftlich als auch psychosozial – Stichwort „bäuerliches Sorgentelefon“ – und zeitgerecht individuelle Strategien entwickeln. Natürlich kann das Ergebnis sein, dass zum Beispiel der Tierbestand reduziert werden muss, um die Arbeits- belastung zur verringern. Junge Frauen sind mit der Mehr- fachbelastung als Mutter, Bäuerin, Pflegerin der Eltern am Hof und nicht selten einem außerlandwirt- schaftlichen Beruf doppelt und dreifach belastet. Wird es Zeit, tradi- tionelle Rollenbilder in der Landwirt- schaft aufzubrechen? Hinterberger: Ja, es ist Zeit. Waren es früher Frauen gewohnt, sich am Hof unterzuordnen, entspricht dies heute nicht mehr dem Frauenbild in Öster- reich. Immer nur zu geben, funktio- niert nicht mehr.Wir haben viele Bäue- rinnen, die lieber heute vom Hof gehen würden als morgen. Das sollte nicht sein. Gerade die traditionellen Rollen- bilder sind einer der Gründe, warum wir so viele alleinstehende Landwirte haben. Denn Frauen sagen ganz klar: „Das tue ich mir nicht mehr an.“ Haben Landwirte immer noch ein Pro- blem damit, Gefühle auszudrücken? Hinterberger: Landwirte haben über Generationen hinweg verinnerlicht, dass sie immer funktionieren müssen, egal wie es ihnen tatsächlich geht. Das führt in Arbeitsüberlastung mitunter zu Burn-out, Alkoholabhängigkeit bis hin zu Depressionen. Aus diesem Dik- tat des „Funktionieren müssen“ aus- zusteigen, ist nicht einfach. Es ist aber definitiv keine Schande, sich Hilfe zu holen. Im Gegenteil, es zeugt von ex- tremer Stärke und Mut. Das müssen die Leute erst lernen. Das Hilfsangebot von „Happy am Hof“ besteht, weil der Bedarf so groß ist. Welche Strategien sollte man sich denn zurechtlegen, damit man nicht in ein Burn-out stolpert? Hinterberger: Genug freie Zeit, Pau- sen, Erholungsphasen, Durchschnau- fen, die kleinen Dinge im Leben wieder schätzen lernen, Nein-Sagen-Lernen, ein Wochenende fortfahren, sich be- wusst Zeit für die Familie, Freunde oder einen Verein nehmen. Und Prä- ventionsangebote nutzen! Wann würden Sie Ihr Projekt als Er- folg bezeichnen? Hinterberger: Uns ist bewusst, dass Be- wusstseinsbildung nur auf mehrere Jahre hinweg funktionieren kann. Jede Landwir- tin und jeder Landwirt, die wir mit unse- ren Präventionsangeboten unterstützen können, sind bereits ein großer Gewinn. www.happy-am-hof.at unserhof 3/2025 49