FAMILIE UND BETRIEB Kinderwunsch-Nachfrage ist kein Small Talk-Thema Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann, dass dieser Artikel dazu beiträgt, andere Frauen und Männer mit Kinder- wunsch vor solchen Fragen, Kommenta- ren und gut gemeinten Ratschlägen zu bewahren. Ob sich ein Paar entscheidet, Kinder bekommen zu wollen, bzw. wie weit ein etwaiger Wunsch bereits gereift ist, stellt aus meiner Sicht eine zutiefst persönliche Angelegenheit zweier Men- schen dar, die sich sicherlich nicht wie die Topfpflanzen der Nachbarn oder das Sportangebot der Gemeinde als Small Talk-Thema eignet. Und selbst wenn die Katze aus dem Sack, also der Kinder- wunsch bekannt ist, sind gut gemeinte Ratschläge à la „Ihr müsst euch halt ein- fach ein wenig entspannen“, „Seid froh, dass es noch nicht geklappt hat, dann habt Ihr noch mehr Zeit zum Hofausbau- en/ Urlauben/ für einander“ eher ein Fall für die Sondermülltonne. Mich persönlich hat der Gedanke, dass es nicht klappen könnte, weil ich mich nicht genug ent- spanne, mehr gestresst als der normale Alltag samt Stress selbst. Irgendwann meinte dann mein Frauenarzt zu mir, dass es zwar generell vorteilhaft ist, wenn man sich selbst wohlwollend behandelt, aber im Grunde sogar in Kriegszeiten Kinder in die Welt gesetzt werden; Und dass wir uns, wenn es wirklich über viele, viele Mo- nate nicht klappen sollte, lieber einmal professionell durchchecken lassen sollten. Während ich für diesen Schritt rasch zu haben war und meine tickende, bio- logische Uhr vor Augen hatte, wollte Foto: © Adobe Stock – Marco2811 unserhof 3/2024 mein Mann lieber noch warten, und, um ehrlich zu sein, dieses Thema lieber ver- drängen und wegschieben. Das Ganze war eine große Belastung für uns beide, hat zu ungeahnten Spannungen geführt und uns leider auch viel Freude an der Zweisamkeit genommen. Ich halte es für wichtig, sich trotz aller Zukunftswünsche als Paar nicht aus den Augen zu verlieren und sich den Gefühlen des anderen zu stellen, auch wenn man vielleicht schon mit den eigenen zu kämpfen hat. Sehr oft kann medizinisch geholfen werden Nach rund drei Jahren hat auch mein Mann schließlich eingesehen, dass wir gut beraten wären, auf Ursachenforschung zu gehen, und gemeinsam mit mir ein Kinderwunschzentrum aufgesucht. Nach Jahren der Ahnungslosigkeit war der Grund der Kinderlosigkeit in unserem Fall rasch gefunden, was ich trotz der Diagno- se noch heute als große Erleichterung ab- gespeichert habe. Denn plötzlich hatten wir wieder einen konkreten Plan und da- mit konnte ich eher umgehen. Das freund- liche Lächeln der Ärztinnen und Ärzte tat gut, der Trost und auch die Hoffnung. Wir entschlossen uns, es mit einer künstlichen Befruchtung zu probieren. Was für eine Überwindung, sich selbst Spritzen zu ge- ben, aber ich hatte stets das Ziel im Blick. Besonders herausfordernd fand ich aber nicht das Körperliche, sondern vor allem die Wartezeit zwischen Embryotransfer und erstem Test, also das Seelische. Diese Ungewissheit, ob nun ein neuer Lebens- abschnitt beginnt, oder trotz des Einsat- zes alles beim Alten bleibt, war schwer zu ertragen. Wartezeit mit Belohnungen und Schönem überbrücken Was mir in der Kinderwunschzeit, bei all dem Warten und Bangen enorm gehol- fen hat, waren Unternehmungen, die mein Mann und ich uns sonst nicht ge- gönnt hätten. Ich habe mich da und dort selbst ein wenig belohnt, mir eine „Das kann ich nur machen, weil ich noch nicht mit Kindern daheimsitze“-Liste geschrie- ben und in die Tat umgesetzt. Der Trost war nur klein, aber er war da und hat mir Kraft und ein besseres Gefühl gegeben. Selten in meinem Leben habe ich aber so geweint, wie an dem Tag, als der Schwan- gerschaftstest trotz der ganzen Kinder- wunschprozedur negativ ausfiel. Diese Liste fing mich ein wenig auf, ebenso wie einzelne Menschen meines Vertrauens, die mir einfach zugehört und mit mir mei- nen Schmerz ertragen haben, ohne mich mit einer Lawine an weiteren, wenig trös- tenden Ratschlägen zu überfordern. Ich habe mir in dieser Zeit rund 100 Spritzen gesetzt, um die Eierstöcke „ab- und wie- der aufzudrehen“ und ich würde mir jede einzelne wieder geben. Heute fährt nicht nur ein großer Traktor über unseren Hof, sondern auch ein klei- nerer – mit meist befülltem Anhänger. Und wenn ich im Eingangsbereich die vielen Gummistiefel in verschiedensten Größen sehe, überkommt mich noch heute unglaubliche Dankbarkeit. Weil ich weiß, dass das nicht selbstverständlich ist. Manchmal denke ich mir: Vielleicht war der dornige Weg notwendig, um all das noch mehr schätzen zu können. Das haben diese „Einmal und schon hat es geklappt“-Paare möglicherweise nicht in dieser Form. Manchmal spüre ich meinen einstigen Schmerz in den Worten oder im Blick ei- ner anderen Frau, und am liebsten wür- de ich vermitteln, dass auch unserem so selbstverständlich wirkenden Familien- leben viel Wehmut, Bangen, Trauer und Hoffnung vorausgegangen sind. Wäh- rend wir alle damals nicht den Mut hat- ten, darüber zu sprechen, kam vieles erst später heraus. Mittlerweile kenne ich unzählige Kinder, die auf ähnliche Weise wie unsere entstanden sind – mit enorm viel Liebe und ein wenig medizinischer Unterstützung. Andere Paare aus unserem Bekannten- kreis haben sich dafür entschieden, Pfle- gekindern ein wunderbares Zuhause zu schenken. Eine Freundin wiederum hat sich stattdessen der Pferde- und Hunde- zucht verschrieben und darin ihr persön- liches Glück gefunden. „Das Leben ist das, was passiert, während du andere Pläne machst“, habe ich einmal gelesen. Oft sind die eigenen Wege nicht die geraden, einfachen, sondern jene mit Hindernissen und Abzweigungen. Und trotzdem ist es wert, sie zu gehen, wo auch immer sie hinführen mögen und mit welchen Men- schen an der Seite. 21