FAMILIE UND BETRIEB Querschnitt der Gesellschaft zeigen soll- ten und wir dabei genauso repräsentiert werden müssen. Queere Personen und People of Colour sind jetzt in den Medien auffällig oft sichtbar, weil sie jahrzehnte- lang unterrepräsentiert waren. Elisabeth: Warum ist es deiner Meinung nach wichtig, über das Thema Homo- sexualität und Landwirtschaft oder ländliche Gegenden zu sprechen? Lukas: Ich weiß, wie es mir vor 15 Jahren gegangen ist. Ich habe immer gewusst, dass ich mich zu Männern hingezogen fühle. Junge Leute dürfen sich nicht falsch fühlen und nicht in eine Depressi- on verfallen, deshalb ist es wichtig, darü- ber zu sprechen. Queer zu sein ist schön, besonders weil es die Freiheit bedeutet, so zu leben, wie man möchte. Dieses Recht sollte allen Menschen zustehen, egal in welcher Region sie leben, wel- chem Berufsstand sie angehören oder welches Geschlecht sie haben. Elisabeth: Gibt es etwas, das du den Leser:innen mitgeben möchtest? Eine Botschaft oder einen Rat, beson- ders für diejenigen, die in einer ähn- lichen Situation sind? Lukas: Es gibt kein richtig und kein falsch – jede:r sollte seine Sexualität in dem Tempo entdecken, das sich für die Person richtig anfühlt. Ein Freund hat zu mir immer gesagt: „Du wirst se- hen, mit der Zeit wird es besser“, und er hatte recht. Die Ansichten verändern sich und wir müssen alle weiterhin un- seren Teil dazu beitragen, dass es bes- ser wird. Wir müssen unsere Stimmen gegen homophobe Aussagen erheben, damit man auch auf dem Land offen leben kann und nicht in die Großstadt flüchten muss. Es ist ein Privileg, im frei- en Österreich zu leben – nutzen wir es! Elisabeth: Vielen Dank, Lukas, für die- ses mutige Gespräch! Anonymes Interview: Landwirt, 42, aus dem Waldviertel Elisabeth: Kannst du uns etwas über dich und deinen landwirtschaftlichen Betrieb erzählen? unserhof 2/2024 Landwirt: Ich habe den landwirtschaftli- chen Betrieb im Alter von 12 Jahren von meiner Mutter geerbt. Meine Mutter ist damals plötzlich verstorben und ich bin bei meiner Großmutter mütterlicher- seits aufgewachsen. Der Betrieb, den ich geerbt habe, umfasste ca. 30 Hektar Land mit etwa 35 Zuchtschweinen. Mei- ne Großeltern haben den Betrieb ohne Tierbestand weitergeführt und auf bio- logische Wirtschaftsweise umgestellt. Bereits als Kind wollte ich Landwirt wer- den und war bei jeglicher Feld- sowie Stallarbeit mit dabei. Ich habe dann in meiner Jugendzeit eine landwirtschaftli- che Schule besucht und den Betrieb seit meinem 19. Lebensjahr komplett selbst- ständig mit dem Anbau von Getreide ge- führt. Mit meinem Vater hatte ich kaum Kontakt. Nach seinem Tod und in den letzten Jahren konnte ich den Betrieb durch Erbschaft sowie durch Flächenzu- pachtung erweitern, sodass der Hof heu- te knapp 68 Hektar umfasst und ich un- ter anderem Mais, Öl- und Speisekürbisse sowie Zuckerrüben und Sonnen blumen anbaue. Elisabeth: Hattest du das Gefühl, dass deine sexuelle Orientierung einen Einfluss auf dein Leben und deine Ar- beit im ländlichen Raum hatte? Landwirt: Ja, das hat definitiv eine Rolle gespielt. Erst im Alter von 26 Jahren hat- te ich mein Coming-out. Es war immer mühsam, sich zu verstecken und so zu tun, als ob man dazugehört. Es war ein- fach anstrengend, nicht authentisch le- ben zu können. Durch eine Freundin kam es dann zufällig heraus. Ich hatte natürlich Angst vor den Reak- tionen, besonders in einem kleinen Dorf mit 200 Einwohner:innen, wo alles sehr konservativ ist. Glücklicherweise habe ich keine negativen Reaktionen erhal- ten, zumindest nicht direkt. Am besten reagierte meine Großmutter, bei der ich aufgewachsen bin. Für sie war es nach meinem Coming-out überhaupt kein Thema mehr und sie hat es einfach ak- zeptiert. Hinter meinem Rücken wurde sicherlich geredet und einige Freunde ha- ben sich von mir abgewendet, aber der Großteil der Landwirt:innen und Leute in meinem Ort hat sich mir gegenüber nor- mal verhalten. Das hat mich sehr positiv überrascht. Elisabeth: Also gibt es auch Span- nungen im ländlichen Raum mit dem Thema Queerness und hat sich dies im Laufe der Zeit verändert? Landwirt: Es gibt definitiv Spannungen. In ländlichen Gegenden ist es oft schwie- riger, sich zu outen und akzeptiert zu wer- den. Viele Leute hier sind konservativ und es gibt Vorurteile. Eine Nachbarin, mit der ich mich vor mei- nem Outing immer gut verstanden habe, verhielt sich die ersten Jahre nach mei- nem Coming-out plötzlich ganz anders. Jedes Mal, wenn wir uns im Garten begeg- neten, schien sie sich fast zu verstecken. Meine Großmutter, bei der ich aufge- wachsen bin, erzählte mir, dass es schon in den 30er-, 40er- und 50er-Jahren schwule Männer auf dem Land gab, die sich heimlich trafen, aber ein unglückli- ches Leben führten, weil sie sich nicht outen konnten. Heute ist es besser, aber es gibt immer noch viel zu tun. Die Akzeptanz wächst, aber es braucht Zeit. Die ersten Wochen nach meinem Coming-out waren schwie- rig, aber die Reaktionen wurden mit der Zeit besser. Es war ein Prozess, sowohl für mich als auch für die Dorfgemeinschaft. Elisabeth: Wird LGBTQIA+ im länd- lichen Raum oft ignoriert oder als unwichtig abgetan, weil es sowieso schon so viel Berichterstattung in den Medien gibt? Landwirt: Leider spielt das Thema im ländlichen Raum eine zu geringe Rolle und ist oft zu wenig sichtbar. Es gibt sicherlich in jeder Schule Personen, die sich zeigen würden, wenn die Bedin- gungen besser wären. Verschiedene Apps und Plattformen bieten Kon- takte, aber im ländlichen Raum ist es schwieriger, diese zu nutzen. Jugendliche in Dorfgemeinschaften stehen oft unter großem Druck, sich möglichst männlich darzustellen, was sie zusätzlich belastet. Viele trauen sich nicht, sich offen zu zeigen, beson- ders in konservativen Familien. Auf Da- ting-Profilen sind die Bilder oft anonym und es ist schwer, jemanden für eine ernsthafte Beziehung zu finden. Es gibt sicherlich Landwirte, die heimlich homosexuell sind, aber sich dem Druck der Gesellschaft beugen und dies nicht offen zeigen. 33