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Bodenverbrauch bleibt schwieriges Thema

Einen dringenden Appell nach Korrektur der Bodenpolitik richten Vertreter von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik an die Verantwortlichen in Bund, Ländern und Gemeinden: „Es wird in Österreich zu viel an Fläche täglich neu verbaut. Damit gefährden wir die Zukunft unseres Landes. Wir müssen dem Bodenschutz zum Durchbruch verhelfen. Dazu sollten wir Bewusstsein dafür schaffen, dass der Boden die Basis für unser Leben ist. Mit einer bodenschonenden Raum- wie auch Verkehrsplanung gestalten wir heute das Klima von morgen und verbauen nicht die Zukunft unserer Kinder“, erklärten Astrid Rössler (LH-Stv. Salzburg), Konrad Pesendorfer (Generaldirektor Statistik Austria), Karl Kienzl (Geschäftsführer-Stv. Umweltbundesamt) und Kurt Weinberger (Vorstandsvorsitzender Österreichische Hagelversicherung)bei einem Kamingespräch. Zum Thema „Wie geht’s Österreich in Zukunft?“ wurden dazu Fakten, Prognosen und Alternativen präsentiert.

In den letzten zehn Jahren wurden pro Tag durchschnittlich 20 ha Äcker und Wiesen (= 30 Fußballfelder) verbaut. Hält diese Entwicklung an, stehen in 200 Jahren keine unverbauten, für andere Zwecke nutzbaren Agrarböden mehr zur Verfügung. Die Konsequenzen wären weitreichend. Die Versorgung mit heimischen Lebensmitteln wäre gefährdet, ebenso rund 500.000 Arbeitsplätze entlang der agrarischen Wertschöpfungskette und die Schönheit der Natur Österreichs. „Damit stünde jedenfalls die Zukunft nachfolgender Generationen – unserer Kinder – zur Disposition. Das ist nicht akzeptabel“, heißt es in der Erklärung, denn „Bodenlos ist brotlos. Bodenlos ist arbeitslos. Bodenlos ist heimatlos.“

In der Verbauung von Flächen liegt Österreich an der EU-Spitze. In Salzburg will die Landesregierung dieser Entwicklung mit einem neuen Raumordnungsgesetz entgegenwirken. Die Novelle soll Anfang 2018 in Kraft treten, kündigte Rössler an: „Verantwortung für zukünftige Generationen zu übernehmen, bedeutet, gerade in der Raumordnung vorausschauend zu planen. Dazu gehört der sorgsame und sparsame Umgang mit der begrenzten Ressource Boden. Das neue Gesetz bringt uns diesem Ziel einen großen Schritt näher.“ Konkrete Punkte sind die Mobilisierung von gewidmetem Bauland, was durch die Einführung eines Infrastruktur-Bereitstellungsbeitrags erreicht werden soll. Das bedeutet: Wird erschlossenes Bauland nicht widmungsgemäß genutzt, ist dennoch für die bereitgestellte Infrastruktur ein Beitrag zu entrichten. Zudem wird erstmals der Begriff der Zersiedelung definiert. In den neuen räumlichen Entwicklungskonzepten sind die Siedlungsschwerpunkte der Gemeinde auszuweisen, in denen künftig die überwiegende Entwicklung der Gemeinde stattfinden soll. „Damit werden die Stadt- und Ortskerne gestärkt. Die Ansiedlung von neuen Märkten erfolgt künftig nach strengen Kriterien. Bei Verbrauchermärkten wird auf eine ausreichende Anzahl an Einwohnern im Nahbereich geachtet. Neue Handelsgroßbetriebe an den Ortseinfahrten oder unmittelbar an einem Kreisverkehr oder auf der ‚grünen Wiese‘ sollen damit der Vergangenheit angehören“, erläuterte Rössler.

Der Bodenverbrauch in Österreich liegt nach wie vor auf hohem Niveau, auch wenn für den Durchschnitt der vergangenen drei Jahre ein Rückgang zu erkennen ist, wie die Daten des Umweltbundesamts zeigen: Von 2014 bis 2016 wurden pro Tag durchschnittlich 14,7 ha Boden verbaut – um 9% weniger als in der Periode 2013 bis 2015 (16,1 ha). Vom Zielwert der österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie, die einen Flächenverbrauch von maximal 2,5 ha/Tag bereits für 2010 vorsah, sind wir allerdings weit entfernt.

„Wir müssen mit unseren Böden wesentlich sorgsamer umgehen. Nachhaltiges, strategisches Flächenmanagement ist für die Erhaltung der Bodenleistungen für zukünftige Generationen unerlässlich“, erklärte Kienzl die Bedeutung des Bodens als Lebensgrundlage. Durch das Verbauen wertvollen Acker- und Grünlands – insbesondere für Verkehrs-, Industrie- und Siedlungszwecke – gehen wichtige Bodenfunktionen wie die Speicherung von Wasser und Kohlenstoff verloren, hochwertige Böden stehen als Naturräume sowie für die agrarische Nutzung nicht mehr zur Verfügung. Der Wegfall von Versickerungsfläche erhöht die Gefahr von Überschwemmung und Hochwasser. Von den 14,7 ha an täglichem Bodenverbrauch werden 6 ha versiegelt. Das bedeutet, dass kein Wasser- und Luftaustausch möglich ist und die natürlichen Bodenfunktionen verloren gehen.

Das Verbauen und Versiegeln von wertvollen Äckern und Wiesen für Verkehrs-, Industrie- und Siedlungszwecke hat negative ökologische und wirtschaftliche Folgen. „Wirtschaftliche Konsequenzen deshalb, weil damit täglich die Basis für die Versorgung mit heimischen Lebensmitteln reduziert wird und wir zunehmend von Importen abhängig werden. Ökologische Folgen, weil der Boden als CO2-Speicher entscheidend für eine funktionierende Umwelt ist. Wenn derart große Flächen des CO2-Speichers ‚Boden‘ versiegelt werden, wird der Klimawandel mit seiner Zunahme an extremen Wetterereignissen beschleunigt. Mit einem Wort: Boden ist ein wichtiger Klimaschutzfaktor“, so Weinberger.

Andererseits stehen in Österreich rund 40.000 ha an Industrieflächen leer, das entspricht in etwa der Fläche der Stadt Wien. Diese sollten durch finanzielle Anreize wieder wirtschaftlich genutzt werden, fordert der Vorstandsvorsitzende der Hagelversicherung. Die Umwandlung von Flächen für Bauten und Verkehr hat noch weitere problematische Folgen. „Wir dürfen nicht vergessen, dass 500.000 Menschen entlang der agrarischen Wertschöpfungskette Beschäftigung finden. Deshalb ist es wichtig, dass sich die existenzgefährdende Entwicklung des enormen Verbrauchs an Boden rasch verlangsamt. Wir unterstützen alle Maßnahmen auf Länder- und Bundesebene, die zu einer spürbaren Reduktion des Bodenverbrauchs führen, und Österreich wieder seine Schönheit zurückgeben“, so Weinberger.