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„Viehschauen brauchen neue Richtlinien“

Jungzüchter „Wir sind die, die später einmal auf den Betrieben bleiben werden“, betonen Gerlinde Halbartschlager und Andreas Wurzinger selbstbewusst. Die zwei Spitzenfunktionäre ihrer Gruppierung über ihre Arbeit, worauf sie stolz sind und was sie gerne weiter verbessern würden.

rinderprofi: Das Ausbildungsprogramm „Jungzüchterprofi“ für junge Rinderhalter feiert heuer das zehnjährige Jubiläum. Welche Bedeutung hat dieses spezielle Kursangebot für die Zuchtverbände?
Halbartschlager: Sie profitieren vor allem von nun bestens ausgebildeten und motivierten Jungbauern. Es war damals ein Meilenstein, dass das Projekt überhaupt ins Rollen gekommen ist. Eine Ausbildung in dieser Form hat es vorher nicht gegeben.

Wie viele Burschen und Mädchen wurden damit bisher erreicht?
Seit 2008 haben 281 Jungzüchter mindestens acht Module absolviert. Manche lassen sich dabei etwas Zeit. Es gibt einige, die schon vor längerer Zeit damit begonnen haben und ihre Ausbildung erst jetzt abschließen werden.

Was hat sich in den zehn Jahren fachlich verändert? Wurde der Jungzüchterprofi-Kurs fachlich anspruchsvoller?
Wir haben etwa das Alter der Teilnehmer auf 18 Jahre angehoben, damit wir noch mehr spezifisches Wissen auf einheitlichem Niveau transportieren können.

Wurzinger: Ich selber habe die HBLFA Raumberg-Gumpenstein besucht. Dort ist das Niveau sehr gut. Doch beim Jungzüchterprofi ist es noch fachspezifischer. Dort trifft man lauter Gleichgesinnte, die produzieren wollen. Wir haben die besten Vortragenden, die man in Österreich bekommen kann.

Was hat sich konkret geändert?
Halbartschlager: Die Teilnehmer können sich jetzt zwischen Milch- und Fleischproduktion entscheiden. Außerdem haben wir neue Module eingeführt, wie zum Beispiel Produktqualität, Futterbau und Futterbewertung, aber auch Kommunikation und Konfliktbewältigung. Ebenfalls neu ist der Bereich Innovations- und Projektmanagement.

Wurzinger: Auch Schlagfertigkeit und Argumentationskraft gegenüber dem Konsumenten werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Das wird auch den Jungzüchterprofis vermittelt. Wir Tierhalter müssen noch viel mehr auf die Konsumenten zugehen und ihnen zeigen, was wir warum tun.

Welchen Einfluss haben die Jungzüchter überhaupt innerhalb der ZAR?
Wir sind zu den Vorstandssitzungen und den Lenkungsausschusssitzungen eingeladen und dürfen dort mitreden. Dort kann ich die Anliegen meiner Jungzüchter einbringen. Das rechne ich der ZAR hoch an.

Halbartschlager: Die Jungen werden auch immer mutiger und trauen sich zu sagen, wenn ihnen etwas nicht passt. Nehmen wir konkret die Bereiche Forschung und Entwicklung. Hier wollen wir uns einbringen und mitbestimmen. Mittlerweile werden wir auch oft gefragt: Könnt ihr Jungzüchter das auf Euren Betrieben verwenden und umsetzen?

Arbeiten Jungzüchter denn anders als ältere Kollegen?
Wurzinger: Früher war alles einfacher. Da wurden Kühe einfach gemolken. Das Rundherum ist mitgelaufen. Heute geht alles schneller. Alleine der Einsatz der genomischen Selektion bringt rasch viele Veränderungen. Der nächste Schritt ist jetzt die Digitalisierung. Auch wer exportieren will, muss sich an viele Vorgaben halten. Hier muss man den Überblick bewahren. Da sind junge Bauern sicher aufgeschlossener als manche Ältere.

Wie bleibt man bei so vielen neuen Entwicklungen als Jungzüchterprofi am Ball?
Halbartschlager: Wir schließen uns immer wieder mit den Dachorganisationen und den Rassenverbänden kurz, um he­rauszufinden, was dort gerade die aktuellsten Themen sind. Derzeit diskutieren wir etwa, ob wir A2-Milch oder Erbfehlermonitoring auch in unserem Kurs behandeln sollen.

Sollen Österreichs Züchter verstärkt auf eigenständige Genetik bauen, die sich von internationalen Zuchtzielen unterscheidet?
Wurzinger: Das tun wir bereits. Österreich ist ein kleines Land. Wenn wir uns nicht speziell durch Qualität abheben, werden wir uns in Zukunft schwertun. Unsere Zuchttiere sind weltweit anerkannt.

Halbartschlager: Auch werden wir oft darauf angesprochen, dass wir für die Jugend Perspektiven bieten. Das fällt bereits auf.

Wurzinger: Wichtig ist, dass die Zucht in bäuerlicher Hand bleibt. Einem Familienbetrieb kann der Konsument mehr vertrauen als einem Großbetrieb.

Sind junge Züchter generell auch offener gegenüber dem Tierschutz?
Tierwohl ist zurzeit das große Thema. Daran kommen wir sowieso nicht vorbei.

Halbartschlager: Der erste Blick vieler unserer Jungzüchterprofis etwa bei einer Exkursion geht mittlerweile dahin, wie es den Kühen und Kälbern geht. Auch alternative Systeme wie die Mutter bezogene Kälberaufzucht stoßen auf großes Interesse.

Von manchen Züchtern wird etwa die Betäubung beim Enthornen durchaus kritisch gesehen …
Als Landwirt hat man Verantwortung für sein Vieh. Nur ein Tier, dem es gut geht, macht Freude. Deshalb gehört Schmerz­ausschaltung definitiv dazu. Die Frage ist derzeit nur, ob das der Landwirt macht oder der Tierarzt.

Wie stark wird sich die Rinderzucht durch die Digitalisierung und den Einsatz moderner Zuchtmethoden verändern?
Wurzinger: Die gesamte Sensortechnik hat eine wahre Revolution mit sich gebracht. Es sind bereits Projekte geplant, alle Daten zu bündeln, um diese noch besser nutzen zu können. Damit können wir komplett neue Merkmale für die Zucht entwickeln.

Halbartschlager: Das Wissen dazu muss auf direktem Weg und schnell zu den Züchtern kommen. Deswegen entwickeln wir gerade eine E-learning-Plattform, um solche interessanten Weiterentwicklungen schnell publizieren zu können.

Rinderschauen werden heute nicht mehr nur positiv gesehen. Was muss sich da ändern?
Halbartschlager: Tierschauen haben Tradition und sind ­gesellschaftlich wichtig. Dabei muss es natürlich auch den Tieren gut gehen. Wenn etwa das Euter einer Elitekuh überladen ist, ist das nicht der Fall. Da ist jeder Landwirt gefordert, genauso wie der Veranstalter oder die ZAR.

Wurzinger: Wir sind gerade dabei, Schaurichtlinien zu erarbeiten. Diese müssen dann aber auch verbindlich eingehalten werden.

Lenkt der neuerdings sehr starke Fokus auf das Styling einer Kuh nicht von den eigentlichen Zuchtzielen ab?
Halbartschlager: Das glaube ich nicht. Eine Schau ist nur eine Momentaufnahme. Letztendlich muss der Züchter aber das ganze Jahr von der Leistung seiner Tiere leben. Wenn eine Siegerkuh daheim im Stall nicht wirtschaftlich ist, bringt mir ein Erfolg bei der Schau gar nichts.

Wurzinger: Aber ein Erfolg bei einer Schau ist natürlich für die Motivation der Züchter schon wichtig.

Zum Teil laufen schon ganz junge Kinder mit Kälbern im Ring. Ab wann ist das wirklich sinnvoll?
Halbartschlager: Ein Jungzüchter ist der, der das lebt. Das hängt weniger vom Alter ab. Ich habe erst vor kurzem einen Zweijährigen gesehen, der gemeinsam mit seinem Papa ein Jersey-Kalb geführt hat. Der hat dabei eine riesige Freude gehabt. Jungzüchterveranstaltungen schweißen die Familien zusammen und bestärken sie am gemeinsamen Weg.

Ist die Identifikation mit den Tieren bei Rinderzüchtern größer als in anderen landwirtschaftlichen Sparten?
Ich glaube schon, dass mehr Herzblut drinnen steckt. Jede Kuh hat ihren Namen. Ein Rinderbauer verbringt sehr viel Zeit mit seinen Tieren.

Sind die Jungzüchter die Kaderschmiede der ZAR?
Die Jungzüchter sind die, die später einmal auf den Betrieben bleiben werden. Damit sind sie auch die künftigen Funktionäre, die aktiv die Zukunft der Branche mitgestalten werden.

Interview: STEFAN NIMMERVOLL

 

Zu den Personen

Gerlinde Halbartschlager ist seit Februar 2017 für die Bildung in der ZAR verantwortlich. Bereits seit vielen Jahren betreut sie den Jungzüchterprofi. Halbartschlager stammt von einem Milchbauernhof im Bezirk Melk und war Obfrau der Jungzüchter.

Andreas Wurzinger kommt aus Puchberg am Schneeberg. Er hat die Landwirtschaftliche Fachschule Warth besucht und nach einem Aufbaulehrgang die Matura in Raumberg-Gumpenstein absolviert. Seine Eltern und sein Bruder führen einen Fleckviehzuchtbetrieb mit 35 Milchkühen und eigener Nachzucht. Im September 2017 wurde er zum Bundesobmann der Jungzüchter gewählt.