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„Muskelkater? Wir sind fit!“

Lagerhaus-Manager Reinhard Wolf im Gespräch über rückläufige Traktorenverkaufszahlen, neue Geschäftsfelder mit Potential und warum es die Raiffeisen Ware Austria schon bald von Wien aufs Land zieht.

BLICK INS LAND: Herr Wolf, leidet die Kraft am Land gerade unter einem Muskelkater?
Wolf: Überhaupt nicht!

Im Geschäftsjahr 2016 ist der Umsatz der RWA um 7 Prozent eingebrochen. Die diesjährigen Ernteergebnisse im Ackerbau waren bestenfalls Durchschnitt, die Betriebsmittel- und Landmaschinenabsätze sind rückläufig, ebenso die meisten Gewinne und Beteiligungserträge maximal stabil bis schwach …

Der wertmäßige Umsatz ist in einem preisvolatilen Geschäft kein Maßstab. Wenn Dünger als wesentliches Betriebsmittel für die Landwirte billiger wird, freue ich mich, auch wenn wir weniger Umsatz machen. Ebenso habe ich kein Problem, wenn ein Fass Rohöl nur mehr 50 Dollar kostet, auch wenn dadurch unser Umsatz deutlich sinkt. Hinzu kommt, dass auch die Getreidepreise derzeit auf einem verhältnismäßig niedrigen Niveau sind. Damit möchte ich sagen: Umsatz ist nicht Gewinn. Ausschlaggebend sind vielmehr die Mengen, die wir handeln. Hier haben wir ein All- Time-High. Wir haben noch nie so viel Getreide, Dünger oder auch Holzpellets gehandelt. Das zu bewerkstelligen, schafft vielleicht einen Muskelkater. Aber wir fühlen uns dabei sehr fit. Zu den Beteiligungsergebnissen ist zu sagen, dass uns die Dividenden aus unserer Bankbeteiligung fehlen. In Summe brauchen wir uns mit unserem letztjährigen Ergebnis in der Höhe von rund 20 Millionen Euro nicht verstecken. Besonders stolz bin ich, dass wir heuer im Technikgeschäft um 3,7 Prozent über dem Vorjahr liegen.

Erstaunlich. 2012 hat John Deere in Österreich noch rund 1.300 Traktoren über das Lagerhaus verkauft, heuer werden es bestenfalls 400 sein. Verkauft sich andere Landtechnik derzeit so viel besser als Traktoren?

Man darf den Technikumsatz nicht ausschließlich an den Traktorenzulassungen messen. Es gibt abgesehen davon viele andere Landtechnikbereiche, die sehr gut laufen. Außerdem werden zwar weniger, dafür aber deutlich größere Maschinen gekauft, die auch entsprechend teurer sind.

Trotzdem: Worauf führen Sie die derzeit nur geringe Nachfrage nach John Deere-Technik zurück? Allgemein werden heuer um zehn Prozent weniger Traktoren gekauft, bei John Deere sind es mehr als 30 Prozent …

John Deere hatte früher im so wichtigen Segment unter 100 PS ein stark nachgefragtes Modell. Das Nachfolgeprodukt ist leider weniger gut angekommen. Das Problem haben wir nun bereinigt und mit der 5R-Serie wieder hervorragende Traktorenmodelle technisch auf dem höchsten Level. Die Verkaufszahlen sind gut, allerdings gibt es derzeit Lieferschwierigkeiten ab Werk.

War es ein Fehler, dass sich die Lagerhäuser vor Jahren so stark an diese Marke gekettet haben?

Nein. Wir haben uns bewusst für John Deere entschieden, da hier die Möglichkeit eines Exklusivvertriebs bestand und wir vom Know-how der Marke überzeugt sind. Damit waren wir in den vergangenen Jahren erfolgreich und lassen uns von einem kurzen Durchhänger nicht entmutigen.

Das Maschinen-Sharing gewinnt an Bedeutung. Die RWA hat die Zahl der Mietstunden von Leihtraktoren zuletzt verdoppelt. Wie groß ist der Markt dafür?

Das Rentflex-Angebot gibt es mittlerweile seit rund zwei Jahren. Mittlerweile ist jeder achzigste zugelassene Traktor eine Rentflex- Maschine. Das klingt vielleicht nicht sonderlich beeindruckend, aber es zeigt, dass unser Miet-Angebot bei den Landwirten angekommen ist. Unser Konzept ist insbesondere für größere Zukunftsbetriebe interessant, und ich bin überzeugt, dass wir langfristig damit einen großen Bedarf an Maschinen und Geräten abdecken werden.

Und wie groß ist das Geschäftsfeld mit Drohnen und Nützlingen der Firma Biohelp, an dem Sie sich beteiligt haben?

Im Rahmen unseres Trichogramma- Services wurden heuer bereits mehr als 1.000 Hektar mittels Drohnen bearbeitet. Hier geht es aber nicht nur um den tatsächlichen Erfolg, sondern vor allem auch um die Botschaft, die wir vermitteln: Wenn es um Smart Farming und neue Technologien geht, sind die Lagerhäuser der richtige Partner für die Landwirte. Diese Botschaft kommt an, wie mir zahlreiche positive Rückmeldungen bestätigen.

Dann kaufen die Landwirte auch die großen Traktoren bei Ihnen?

So kann man das sehen. Einerseits wollen wir unseren Kunden einen Mehrwert bieten. Andererseits geht es natürlich darum, unser Image zu stärken. Moderne Kunden suchen moderne Angebote.

Wie läuft aktuell der Bereich Energie?

Das Dieselgeschäft läuft konstant auf hohem Niveau. Bei Heizöl hatten wir heuer ein gutes erstes Halbjahr, weil nach dem langen kalten Winter die Tanks aufgefüllt wurden. Im Segment Holzpellets wachsen wir nach wie vor. Obwohl die Kesselverkäufe massiv gesunken sind, rechne ich damit, dass wir heuer rund 220.000 Tonnen handeln. Hier spielt auch das Exportgeschäft Richtung Südeuropa eine wichtige Rolle, und das läuft sehr gut.

Ist es wahr, dass sich Glyphosat derzeit besonders gut verkauft, weil vor allem Nicht-Landwirte befürchtet haben, dass es verboten wird?

Ich muss zugeben, dass ich mir die Verkaufszahlen nicht jeden Tag ansehe. Aber wenn es so wäre, dann hätte das trotzdem nur geringe Auswirkungen auf unser gesamtes Pflanzenschutzsegment. In Österreich wird vergleichsweise relativ wenig Glyphosat verkauft. Grundsätzlich habe ich für die Landwirte in der Glyphosat-Frage aber auf eine vernünftige Lösung gehofft.

Merken Sie im Agrargeschäft spürbare Veränderungen in Richtung mehr Biogetreide?

Ja, man sieht das insbesondere beim Anstieg der Bio-Umstellerflächen etwa im Osten Österreichs sowie in Oberösterreich. Auf diesen Trend haben wir reagiert und bieten einerseits über die BGA Bio Getreide Austria attraktive Vermarktungsangebote. Andererseits haben wir unser Betriebsmittelangebot ausgebaut, das von Biodünger bis zu Nützlingen reicht. Wir sind für alle Landwirte da, auch für die Biobauern.

Einer ihrer größten Konkurrenten hat mittlerweile seine Zentrale in eigener Bestlage-Immobilie nahe dem Stephansdom. Die RWA siedelt indes bis 2020 aus Wien ab nach Korneuburg …

Die RWA fühlt sich den ländlichen Regionen stark verbunden, so ist es ein logischer Schritt, uns auch hier anzusiedeln. Wir besitzen auch mehrere Innenstadtimmobilien, die wir allerdings vermieten, da diese für ein Unternehmen unserer Größe keinen ausreichenden Platz bieten.

Oder fühlen Sie sich einfach dem Masterplan des Landwirtschaftsministers verpflichtet?

Unsere Übersiedlungspläne gab es schon davor (lacht). Aber im Ernst: An unserem jetzigen Standort am Wienerberg sind wir nur eingemietet und die Infrastruktur ist nicht mehr am neuesten Stand. In Korneuburg verfügen wir bereits über einen Standort mit rund 250 Mitarbeitern und können dort ein umfassendes Campusgelände samt Lagerhaus Flagship-Store realisieren.

Offenbar ist genug Kapital vorhanden. Was haben die Bauern vom 18 Millionen Euro teuren Ausbau von Aschach mit einer Lagerkapazität von 150.000 t zum größten Umschlagsstandort für Getreide in Österreich?

Der Standort ist attraktiv, zentral gelegen und per Bahn und Schiff, aber auch LKW bestens erschlossen. Hier wird Getreide zu international wettbewerbsfähigen Tarifen gelagert und gehandelt. Auch liegt Aschach an den Toren von drei wesentlichen Kunden: Agrana, Garant und VOG. Dadurch schaffen wir für die Bauern einen Zugang zu wichtigen Absatzkanälen.

Aber es werden doch kaum alle 41 Silos mit Getreide und Ölsaaten aus Österreich befüllt?

Das stimmt. Der Vorteil für die Bauern ist, dass wir ihr Qualitätsgetreide teilweise zu höheren Erlösen exportieren und gleichzeitig fehlende Rohware mit Importen abdecken. Hintergrund ist, dass die zuvor genannten Verarbeiter ihre Kapazitäten in Österreich auf ein Mehrfaches der heimischen Produktion ausgebaut haben.

Hatten Sie jüngst beim Verkauf von Frisch und Frost, an dem die RWA ja noch einen 25-Prozent- Anteil hielt, an Vivatis auch ein weinendes Auge?

Ja, weil mir die Strudel stets geschmeckt haben! Das Spezialitäten- und Teiggeschäft war allerdings nie Teil unseres Kerngeschäfts, daher haben wir uns nun davon getrennt.

Welche Wünsche haben Sie an die neue türkis-blaue Regierung?

Ich wünsche mir, dass optimale Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass Österreich auf allen Ebenen wettbewerbsfähig bleibt. Und neue Perspektiven für Landwirte sowie für Arbeitsplätze rund um die Landwirtschaft. Auf den Tisch muss außerdem unbedingt wieder das Thema Beimischung von Ethanol bei Kraftstoffen.

Interview: BERNHARD WEBER

Zur Person: DI Reinhard Wolf, 57, ist seit 2013 Generaldirektor der RWA. Er studierte Agrarökonomie an der Boku Wien.