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Milchmengen streben auf Rekordniveau

Wer im Sommer 2016 verkündet hätte, dass den heimischen Molkereien nur an Jahr später zu hohe Produktpreise Kopfzerbrechen bereiten könnten, wäre wohl für verrückt erklärt worden. Und doch stand bei der Milchwirtschaftlichen Tagung der Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter, VÖM, in Spittal an der Drau der zuletzt rasant gestiegene Butterpreis im Mittelpunkt.

Nur Tage zuvor hatte die „Kronen Zeitung“ mit „Entsetzen über den irren Butterpreis“ getitelt. 2,39 Euro statt 1,29 Euro noch vor einem Jahr müssen Herr und Frau Österreicher derzeit für das Viertelkilo Eigenmarkenbutter berappen – falls diese in absehbarer Zeit überhaupt noch in den Kühlregalen der Supermärkte zu bekommen ist. Billa etwa hat als Reaktion an seinen Milchregalen einen Aushang angebracht, dass „vereinzelt Artikel nur eingeschränkt verfügbar sein können“.

Angesichts von Erzeugerpreisen zwischen 36 und 38 Cent/Kilogramm für konventionelle Milch scheint die Welt für die Bauern hingegen langsam wieder in Ordnung zu kommen. Vor zwölf Monaten war der Milchpreis in Österreich gerade einmal bei knapp über 26 Cent gelegen. In Deutschland wurden den Landwirten damals vereinzelt sogar weniger als 20 Cent für die Milch bezahlt.

Nun rückt die magische Preislatte von 40 Cent wieder in greifbare Nähe. Der Aufschwung ist jedoch zerbrechlich, wie in Oberkärnten festgestellt wurde.

Dass die Butter so rar und teuer ist, hat mehrere Gründe: Einerseits ist es der Branche in seltener Einigkeit mit Umweltschutzorganisationen gelungen, Druck gegen die Verwendung von Palmöl etwa in Backwaren aufzubauen. Dieses kommt aus Übersee, allen voran aus Asien, und wird oft auf gerodeten Regenwaldflächen angebaut. Und dass wollen viele Konsumenten nicht mehr akzeptieren.

Die Lebensmittelindustrie hat darauf reagiert und wieder Milchfett in ihre Rezepturen auf genommen. Dazu kommt die „ernährungsphysiologische Reinwaschung“ der einst als ungesund verschrienen Butter. VÖM-Präsident Helmut Petschar: „Butter ist ein wichtiger Geschmacksträger. Die Konsumenten suchen weltweit wieder verstärkt das Original und nicht künstliche Imitate.“

Bereits zu Zeiten extrem niedriger Milchpreise wurden von den Großabnehmern daher Jahresverträge für das mittlerweile knappe Milchprodukt abgeschlossen. Wenn diese auslaufen, müssen die gestiegenen Kosten allerdings eingepreist werden. Und laut Petschar gebe es sehr wohl auch weiterhin eine Schmerzgrenze für die Industrie, ab der diese stillschweigend wieder auf Palmöl zurückschwenken und dem Milchfettboom ein Ende bereiten könnte.

Für Molkereien und Milchbauern wirft der „Butterhype“ allerdings nur auf den ersten Blick die ganz fetten Gewinne ab. Wer Butter schlägt, dem bleibt nämlich jede Menge Magermilch übrig. Und die Preise für diese sind mehr als bescheiden, weil die Interventionslager bis unters Dach mit Ware aus der früheren Krisenzeiten gefüllt sind. 357.000 Tonnen Magermilch sollen es sein, die irgendwann und irgendwie verwertet werden müssen. Das könnte, wenn das nicht umsichtig gemacht, den Markt in Unruhe versetzen. „Die Spreizung zwischen Butterpreis und Magermilchpulver war noch nie so groß“, weiß Petschar. Während sich die Butternotierungen in Deutschland nahezu verdoppelt haben, kostet Magermilchpulver aktuell noch weniger als vergangenes Jahr, als der Milchpreisverfall die Branche fest im Würgegriff hatte. Wie die AMA in ihrem aktuellen Marktbericht darlegt, sei es für die Milchverarbeiter deshalb attraktiver, Käse statt Butter zu erzeugen.

Fraglich ist, welchen Anteil politische Maßnahmen an der Erholung der Milchpreise hatten. Im Rahmen des „freiwilligen Milchlieferverzichtes“ im ersten Quartal 2017 haben in Österreich 2.800 Landwirte Gelder für die Mengenreduktion um 13.400 Tonnen Rohmilch erhalten. Im Jänner lag die heimische Anlieferung dann tatsächlich um 1,7 Prozent unter dem Vorjahr. Allerdings: die jüngsten, noch geschätzten Zahlen für Juli belegen bereits wieder ein beachtliches Anlieferungsplus von 4,2 Prozent. Und auch die durchschnittliche Tagesanlieferung innerhalb der EU hat die Rekordwerte von 2015 bereits wieder erreicht.

„Bei über 40 Cent Milchpreis besteht natürlich die Gefahr, dass noch mehr Milch kommt“, meinte dazu Helmut Petschar. Langfristig könnte laut dem Obmann der Kärntnermilch, Reinhard Scherzer allerdings auch das Gegenteil passieren: „Unsere Zukunftsbetriebe, also jene, die in Stallbauten investiert haben, kämpfen mit erheblichen Liquiditätsprobleme. Jungbauern, die investieren wollen und mit Milchpreisen um die 35 Cent kalkulieren, scheitern an Rentabilitätsberechnungen.“ Damit könne jene Anlieferungsmenge, die bei Aussteigern verloren ging, nicht mehr ausgeglichen werden.

Die Antwort der Europäischen Union auf die wieder boomende Milchanlieferung erinnert an das Quotenende vor zweieinhalb Jahren, zumindest wenn man den Worten von Brigitte Misonne Glauben schenkt. Die Spitzenbeamtin der Generaldirektion Landwirtschaft der EU-Kommission verwies auf den weltweit zunehmenden Appetit auf Milchprodukte und jährlich 1,8 Prozent mehr Verbrauch. „Die Milchproduktion wird wieder zurückkommen.“ Aber das sei „kein Problem, wenn wir Kunden dafür haben.“ Bis 2025 werde die EU Neuseeland als wichtigsten Milchexporteur überflügeln und 26 Prozent des Welthandels in Händen haben. China gehöre als vermeintlich ganz großer Hoffnungsmarkt augenscheinlich bereits wieder der Vergangenheit an, auch wenn das Reich der Mitte zum Hauptimporteur für Milcherzeugnisse geworden ist. Die Zukunft des Wachstums werde vielmehr von Afrika ausgehen, so Misonne.

Vom Milchexport ist längst auch Österreich abhängig: 2015 lag die Exportquote heimischer Milch bei stolzen 49,1 Prozent. Sie ist 2016 leicht gesunken, macht aber immer noch 46,1 Prozent aus.

STEFAN NIMMERVOLL