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„Landwirtschaft nicht für Freihandel opfern“

Die Mercosur-Verhandlungen kommen in die entscheidende Phase. Im Oktober wollen die EU-Kommission und die Südamerikaner Angebote für Agrarerzeugnisse austauschen. Schon im Vorfeld kommt es zu Protesten. Verschiedene EU-Abgeordnete vermuten, dass den Mercosur-Ländern ein zollfreies Einfuhrkontingent über 85.000 t Rindfleisch angeboten werden soll. Die Absenkung des Außenschutzes in dieser Höhe hätte einschneidende Folgen für die Rindfleischerzeuger in der EU, warnt der französische Abgeordnete Michel Dantin (EVP) und bittet die EU-Kommission um Klarstellung. „Die Landwirtschaft wird auf dem Altar des Freihandels geopfert“, empört sich auch Maria Noichl (SPD).

COPA-COGECA, der europäische Dachverband der Bauern- und Genossenschaftsorganisationen, fordert, dass Rindfleisch ganz aus der Liberalisierung des Handels mit Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay herausgenommen werden soll. COPA argumentiert mit der Rückverfolgbarkeit von Rindfleisch in der EU. Der hohe Standard für die Lebensmittelsicherheit in der EU werde durch die geplanten Importe aufgeweicht, weil in Südamerika höchstens 10% des erzeugten Rindfleischs auf seine Herkunft zurückverfolgt werden könne, erklärt der Agrarverband.

Die nächste Verhandlungsrunde ist von 2. bis 5. Oktober in der brasilianischen Hauptstadt Brasilia anberaumt. Die Mercosur-Länder wollen ihre Märkte für Industrieprodukte und Dienstleistungen nur dann öffnen, wenn sie mit ihren wettbewerbsfähigen Agrarerzeugnissen auf den EU-Markt gelangen. Besonders für Bioethanol, Zucker und Rindfleisch verlangen die Südamerikaner zukünftig besseren Zugang in der EU. In den lang andauernden Mercosur-Verhandlungen hatte die EU-Kommission vor Jahren schon mal ein Einfuhrkontingent für 78.000 t Rindfleisch angeboten. Mit nunmehr 85.000 t würde das neue Angebot leicht darüber liegen.

Die EU-Kommission weiß um die Sensibilität des Rindfleischsektors. Sie hatte im November 2016 selbst eine Studie erstellen lassen, nach der abgeschlossene und geplante Freihandelsabkommen die Rindfleischerzeugung in der EU belasten, wohingegen die meisten anderen landwirtschaftlichen Produktionsbereiche Vorteile durch die Marktöffnung haben. Dennoch schreitet die EU-Kommission voran. Die Verhandlungen mit den Mercosur-Ländern und mit Mexiko sollten bis zum Jahresende abgeschlossen werden, hatte EU-Kommissionspräsident Jean- Claude Juncker kürzlich in seiner Rede zur Lage der Union betont. Zudem sollten Verhandlungen mit Australien und Neuseeland aufgenommen werden. Im Gegensatz zum CETA-Abkommen mit Kanada, das in der vergangenen Woche vorläufig in Kraft trat, bleibt in den Mercosur-Gesprächen der umstrittene Investitionsschutz ausgeklammert.