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#investEU: Brüsseler Herzschrittmacher

Die Agrarförderungen zählen zu den umstrittensten Budgetposten der EU. Zudem leistet die EU-Kommission strategische Starthilfe auch für exemplarische Agrarprojekte. Das aber gezielt regional, mit relativ geringen Beihilfen. BERNHARD WEBER hat zwei solche Projekte in Lettland und Griechenland besucht.

Die Begehrlichkeiten auf die vermeintlichen „Bauerngelder“ wachsen mit jeder neuen Haushaltsperiode. Stets mit dem Vorwurf, Agrarförderungen würden „mit der Gießkanne“ verteilt statt gezielt in nachhaltige Investitionen der Betriebe zu fließen. Ein Vorwurf, den EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auch aus anderen Wirtschaftssparten kennt. Weshalb er den „Juncker-Plan“ ins Leben rief. Bis 2018 werden rund 315 Milliarden Euro bereitgestellt, um in der EU-Wirtschaft Wachstum und Pioniergeist zu fördern.

Herzstück der Offensive #investEU ist der Europäische Fonds für strategische Investitionen, EFSI. Er wurde 2015 mit 21 Milliarden Euro dotiert. Noch sind die Bauern, die davon profitieren, mit der Lupe zu suchen. Aber kleinere und mittlere Unternehmen sowie „Gründer“gibt es auch in der Agrarwirtschaft.

Krists Eberlinš, 28, ist ein junger Deutsch-Balte. Er lebt in Nigrande in der Region Kurzeme, einst Kurland, gut 150 Kilometer südlich von Lettlands Hauptstadt Riga. Von Beruf eigentlich Social Media-Experte, folgt er der Familientradition seiner Vorfahren und hat in einem alten Gebäude der früheren Dorfkolchose die Imkerei seines Großvaters wiederbelebt. Das erste Bienenvolk erhielt die Familie 1999 von einem Nachbarn. Mittlerweile besitzt Eberlinš wieder 350 Völker und vermarktet 9 Tonnen Honig sowie – besonders gefragt – „Honigbrot“-Wabenpollen, dank seiner Bekanntheit als Video-Blogger auch international.

Von der EU erhielt Eberlinš 1.550 Euro Starthilfe für den Ankauf einer Honigzentrifuge, für Verpackungsmaschinen und speziellen Bienenstöcken aus Kunststoff. Das EU-Geld sei zwar „eher eine symbolische Summe, investiert habe ich viel mehr, aber immer noch besser als die sonstige staatliche Unterstützung von 17 Euro je Bienenvolk pro Jahr.“

Vom Flug seiner Bienen profitiert auch sein Freund und Nachbar Norman Frebergs, 38. Er hat als Jungbauer den elterlichen Hof mit 18 Hektar übernommen, bewirtschaftet heute 900 Hektar, 540 davon als Eigentümer. Seine Raps- und Weißkleefelder sind Eberlinš Bienenweiden.

Auf die klassischen EU-Agrarförderungen würden beide übrigens gerne auch verzichten: „Sie verzerren den Markt, davon profitieren bei uns nur Großbetriebe.“ EU-Förderungen ja, aber besser für den Ausbau von Infrastruktur, etwa Hochleistungsbahnen, oder für Ausbildungsprogramme für junge Leute, wäre ihr Wunsch an Brüssel.

Schauplatzwechsel auf den Peloponnes. Unweit von Olympia, in Koliri bei Pyrgos, haben verzweifelte Bauern 2010 nach dem Aus der EU-Subventionen für Tabakanbau nach einer neuen Kultur für ihre Kleinstplantagen gesucht: und diese in Granatäpfeln gefunden. Dutzende Familien mussten nach der Jahrtausendwende die lukrative Tabakproduktion aufgeben, allein von Kalamata-Oliven konnten nur die wenigsten leben. Das Know-how für die knallroten Punica-Früchte holten sich erste Pioniere in der Türkei und in Israel, für deren Vermarktung auch in Form von Fruchtsaft wurde die gemeinsame Firma „Alfeios Rodi“ gegründet.

Mittlerweile gehört diese 243 Familien, darunter Erzeuger und private Anteilseigentümer. Man zählt 165.000 Granatapfelbäume in 175 Obstgärten, verteilt auf 200 Hektar. Und mit der neuen Lagerhalle samt Saftproduktion im Dorf Koliri wurden 50 Arbeitsplätze geschaffen. An EU-Mitteln flossen insgesamt knapp 225.000 Euro in das Projekt – aus dem EU-Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und dem LEADER-Programm, rund 5.000 Euro aus dem #investEU-Topf. „Das war der Herzschrittmacher für unsere Saftproduktion“, hieß es bei der Eröffnung der Anlage Anfang Oktober.

Die vitaminreiche Götterfrucht ist ein gutes Geschäft. 40 bis 60 Cent erhalten die Bauern für ihre Früchte, deren Saft kostet rund 10 Euro pro Liter (aus 4 kg Früchten). Das ambitionierte Wachstumsziel bis 2020: 4.000 Tonnen Früchte und ein Absatz von bis zu 3 Millionen Fläschchen à 250 Milliliter.

Auch in Österreich gibt es ein #investEU-Beispiel: „Die Essigmacherinnen“ aus dem Mühlviertel. Die Bio-Obstbäuerin Barbara Peterseil, die Mostobsterzeugerin Eva Eder und die Schnapsbrennerin Birgit Stutz haben die Kunst der Essigmanufaktur wiederaufleben lassen. Deren Projekt wurde mit Mitteln aus dem LE-Programm gefördert, zu dem der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums, ELER, mehr als die Hälfte beiträgt.

Compliance-Hinweis: Die Journalistenreise nach Lettland und Griechenland erfolgte auf Einladung der EU-Kommission, GD Kommunikation.

www.europa.eu/investeu