Im Fokus

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Foto: Archiv

Tierwohl geht über Staatsgrenzen

Anscheinend vergeht kein Jahr, ja bald schon kein Monat mehr ohne Lebensmittelskandal. Und allen ist gemeinsam, dass sie allesamt nicht hausgemacht, sondern importiert wurden. Genauso wie die Lebensmittel, an denen die Skandale hafteten. Mal waren es verunreinigte Bockshornklee-Sprossen aus Nordafrika, welche die EHEC-Epidemie auslösten, mal waren es tausende salmonellenverseuchte Eier aus Polen, die vor kurzem erst in St. Pölten aus dem Verkehr gezogen wurden, bevor sie zum Verzehr kamen. Und zuletzt nun brasilianisches Gammel-Rindfleisch in Südamerika.
Knapp zwei Dutzend Fleischproduzenten haben, so der Verdacht, die hiesigen Gesundheitsbehörden bestochen und verdorbenes Fleisch in den Verkauf gebracht. Darunter soll auch der größte Fleischproduzent der Welt sein. Ob das Gammelfleisch auch exportiert wurde und wenn ja, wohin genau, ist noch unklar.
Feststeht aber, dass auch Österreich im Vorjahr Rindfleisch im Wert von 12 Millionen Euro in Brasilien gekauft hat, und darüber hinaus Hühnerfleisch um mehr als vier Millionen Euro. Experten beruhigen, dass die verdächtigten Schlachthöfe eigentlich keine Zulassung für einen Export in die Europäische Union hätten. Auch die EU-Administration hat nach medialem und politischem Druck reagiert und sämtliche verdächtige Fleischlieferungen wieder über den Atlantik zurückgeschickt. Noch konsequenter haben übrigens China und andere Staaten reagiert, die gleich einen kompletten Importstopp verhängt haben.
Doch auch wenn im konkreten Fall kein verdorbenes Fleisch auf unsere Teller gekommen ist, so macht es wieder einmal deutlich, wie globalisiert die Lebensmittelindustrie mittlerweile ist. Steaks reisen um die halbe Welt, Hühnernuggets fliegen aus den entferntesten Ländern auf unsere Teller oder in unsere Fast-Food-Kartonschachteln. Klar ist damit einmal mehr, dass wir mit zunehmender Abhängigkeit von Lebensmittelimporten auch zunehmend anfällig für Lebensmittelskandale werden. Importierte Lebensmittelskandale.
Umgekehrt gilt aber: Unsere heimischen Lebensmittel waren noch nie so sicher wie heute. Trotzdem leidet mit jedem importierten Lebensmittelskandal generell das Vertrauen der Konsumenten. Wenn also in riesigen südamerikanischen Fleischfabriken geschlampt wird, werden leider auch oft unsere Bäuerinnen und Bauern schief angeschaut, egal, ob Schweine- oder Hühnermäster, Milch- oder Gemüseproduzent.
Wenn im Supermarkt alleine der Preis entscheiden würde, wären unsere Bauernhöfe den Großbetrieben aus Norddeutschland, Holland oder eben aus Übersee  wohl heillos unterlegen. Daher muss man den Konsumenten auch klar sagen: Die besten Konsumentenschützer sind unsere heimischen Familienbetriebe! Sie stehen für beste Qualität und größte Lebensmittelsicherheit. Wer zu heimischen Agrarprodukten greift, kann sich der höchsten Tierwohl- und Hygienestandards gewiss sein. Bei Import-Waren dagegen darf man sich dessen nicht so sicher sein.
Jährliche Fleischimporte um mehr als 900 Millionen Euro nach Österreich bedeuten aber auch, dass wir selbst zu wenig produzieren. Nicht, weil unsere Bauern nicht bereit dazu wären, sondern eher deswegen, weil die Gesellschaft den heimischen Produzenten strengere Maßstäbe und Vorschriften auferlegt als den ausländischen Lebensmittelfabriken. Was hilft es also, wenn wir zwar die höchsten Tierschutzstandards garantieren, damit aber gar keine Nutztiere schützen, weil sie nicht in unseren Ställen stehen? Tierwohl endet eben nicht an Staatsgrenzen – oder doch?