Gmeiner meint

Gmeiner meint
Foto: privat

Die Landwirtschaft und die Wirklichkeit

Die bäuerlichen Politikerinnen und Politiker und auch die Bauern selbst neigen dazu, sich lieber die Wirklichkeit mit allerhand Erklä­rungen und Verklärungen zurecht­zurücken, als sie zu akzeptieren und entsprechend zu handeln. Das hat Folgen. Statt der Realität ins Gesicht zu schauen und die richtigen Schlüsse zu ziehen, neigt man allzu oft lieber zu bequemen und oft selbstmitleidsvollen Erklä­rungen und verabsäumt darüber, rechtzeitig die Weichen für Ver­änderungen zu stellen. Die Schuld sucht man zumeist lieber bei an­deren und übersieht dabei, dass man genau deswegen mit dieser Wirklichkeit, die viele als belas­tend und voller Gefahren empfin­den, nicht zurechtkommt.

Aber es ist halt der einfachere Weg. Den Politikern gibt er zum ei­nen die Möglichkeit, wortreich Ak­tivität und Bemühung um die bäu­erliche Sache darzustellen und so ihrer Existenz den Anschein von Berechtigung zu geben. Andern­falls müsste man ja richtige Ideen haben, die die Lage der Bauern verbessern könnten. Und dann zeigt sich möglicherweise, dass man da ziemlich blank dasteht.

Und den Bauern gibt es die Ge­legenheit, Verantwortung für die eigene Lage von sich zu weisen und in herkömmlichen Verhaltensweisen zu verharren.

Beides trägt selten zu Fortschrit­ten in der Sache bei. Viel öfter ist der Fall, dass alles nur noch schlechter wird.

So ist es, um ein Beispiel zu nen­nen, in den vergangenen Jahren zum Mantra der Agrarpolitik ge­worden, den „Handel” zum Haupt­schuldigen für die schlechten Agrarpreise zu machen. Gebets­mühlenartig werden von Bauern und ihren Vertretern die Vorwür­fe heruntergerattert. Oft zurecht. Dass die österreichischen Bau­ern für ihre Produkte aber meist dennoch durchwegs höhere, aber selten schlechtere Preise bekom­men, als etwa die deutschen Kol­legen und auch die Kollegen in viele anderen Ländern, wird da tunlichst unter den Teppich ge­kehrt. Und auch, dass nur gut die Hälfte der Produkte, die von den Bauern erzeugt werden, über den Handel auf den Markt kommen. Und gar nicht erst diskutieren mag man darüber, ob man denn überhaupt das Richtige für den Markt produziert.

Dass man trotz des jahrlangem Dauerfeuers bisher genau gar nichts bewirkt hat, stört da nicht weiter. Man macht unverdrossen weiter, offenbar weil’s so am ein­fachsten ist

Dazu passt auch die „Taskforce Agrarmärkte”, mit der die EU die Position der Bauern auf den Märk­ten stärken soll. Das klingt gut und nach Bemühungen für die Bauern. Bloß, wer sagt, dass die Bauern profitieren, wenn der Handel an die Kandare genommen wird, oder ob das nicht doch eher die Verarbeiter, wie die Molkereien oder Fleischbetriebe sind, die als direkte Partner des Handels das Geld als Erste in der Hand haben? Dass diese das Geld selbstlos weitergeben, glaubt wohl auch niemand. Aber Hauptsache, man macht viel Wind.

Und dazu passt auch, dass sich viele Bauern und viele ihrer Vertre­ter den Schutz ihres Heimmarktes wünschen und das hohe Lied der Regionalität singen. Dass Öster­reichs Landwirtschaft zu mehr als der Hälfte vom Export lebt, blen­det man einfach aus. Ist ja allemal einfacher und Beifall bringender, jedes fremde Milchpackerl um­gehend auf Facebook und Twitter anzuprangern. Man mag sich gar nicht vorstellen, wenn irgendwo im Ausland auch lauter solche Leu­te nichts Besseres zu tun hätten, als ausländische Agrarprodukte zu brandmarken.

Dann würde Österreich wahr­scheinlich schnell schlecht aus­schauen. Aber man hätte wieder Böse, auf die man schimpfen könnte. Der Einfachheit halber.