Gmeiner meint

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Foto: Archiv

Kurz setzt Bauernpolitik unter Druck

Sebastian Kurz löste mit der Übernahme der ÖVP und dem Drängen auf Neuwahlen in seiner Partei einen Euphoriesturm aus. Bloß bei den Bauern und im Bauernbund scheint sich der nicht recht einstellen zu wollen. Viel mehr als eine eher zurückhaltende Solidaritätsbekundung war bisher kaum zu vernehmen. Das nimmt nicht Wunder. Statt Aufbruchsstimmung herrscht allerorten Rätselraten, wie es weitergehen kann. Personelle Veränderungen sind mit einem Mal nötig, für die man sich noch gerne mehr Zeit genommen hätte. Zudem fällt der Umbruch in eine heikle Phase der Verhandlungen um die EU-Agrarreform. Und über allem steht die Frage, was aus dem Bauernbund in der „neuen Volkspartei“, respektive in der „Liste Kurz – die neue Volkspartei“, wird. Wo wird sein Platz sein? Und wer wählt die Männer und Frauen aus, die künftig die Bauern in Wien im Parlament und in der Agrarpolitik vertreten? Macht das Kurz selbst oder können die Bauern noch mitreden dabei, wer sie vertreten soll? Und werden weniger Bauernbündler auf der Kandidatenliste sein und im Parlament sitzen, weil Kurz andere Schwerpunkte setzt?
Das Fragen geht weiter. Wer werden die neuen starken Männer – oder Frauen – bei den ÖVP-Bauern im Parlament, weil Jakob Auer und Hermann Schultes, wie den Medien zu entnehmen ist, nicht mehr kandidieren werden? Wie lange aber bleibt Auer dann noch Obmann des Bauernbundes und Schultes Kammerpräsident? Und wer folgt ihnen? Etwa die Nieder­österreicher Johannes Schmucken­schlager oder Georg Strasser? Oder doch Elli Köstinger?
Sie ist eine zentrale Figur in Kurz‘ Plänen, und was aus ihr wird, ist völlig offen. Wird sie wirklich, wie zumindest bis zu ihrer Kür als VP-Generalsekretärin allerorten angenommen wurde, Landwirtschaftsministerin? Gilt das auch weiterhin, oder hat Kurz etwas anderes mit ihr vor? Und wer folgt der Kärntnerin mitten in der laufenden Periode im Europäischen Parlament nach, wo sie sich in den vergangenen Jahren einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet hat und wo in diesen Monaten wichtige Weichen für die Agrarreform gestellt werden?
Sitzt Andrä Rupprechter, als Landwirtschaftsminister bereits mehrmals als Ablösekandidat gehandelt, nun doch wieder fester im Sattel, als all denen lieb ist, die kaum mehr erwarten können, dass er endlich seinen Tirolerhut nehmen muss? Er mag bei vielen Bauern zwar unten durch sein, in der breiten Bevölkerung kann er aber auf gute Imagewerte bauen.
Ganz abgesehen von personellen Änderungen, die sich abzeichnen, ist unklar, was Kurz mit der Landwirtschaft am Hut hat. Gut, er wurde schon ab und an in einem Steireranzug gesichtet, sonst aber ist praktisch nichts bekannt. Bis auf eine Äußerung im Zug der Diskussionen um den Brexit. Dieser freilich lässt für die Landwirtschaft nichts Gutes erwarten, geißelte er doch die Subventionspolitik der EU als zu schwerfällig und zu wenig zukunftsorientiert.
Besonders spannend wird es für die Bauern, wenn es durch die Neuwahlen gar zu einer Regierungskonstellation kommt, in der die ÖVP nicht vertreten ist – gerade in einer Phase, wo es in den Verhandlungen über die EU-Agrarreform in die Zielgerade geht. Ein FPÖ-Blauer als Top-Agrarreformverhandler in Brüssel, oder vielleicht auch ein Grüner?
Viele Bauern wollen sich das lieber nicht vorstellen. Aber möglich ist es. Möglich gemacht von Sebastian Kurz.